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Rund um den Brustring

·8. Juli 2024

Respekt!

Artikelbild:Respekt!

Ob bei der Spon­so­ren­wahl oder beim Ver­eins­wech­sel. Ehr­lich­keit stün­de vie­len Akteu­ren im Fuß­ball­ge­schäft gut zu Gesicht. Statt­des­sen betreibt man scham- und respekt­lo­se Selbst­ver­mark­tung bis zum Gesichts­ver­lust.

Man muss Wal­de­mar Anton, seit die­sem Mon­tag Ex-Spie­ler und Ex-Kapi­tän des VfB Stutt­gart und Neu­zu­gang bei Borus­sie Dort­mund, immer­hin zugu­te hal­ten, dass er das Schü­ren und Ent­täu­schen hoher Erwar­tun­gen an die eige­ne Inte­gri­tät beim VfB nicht erfun­den hat. Neben zahl­rei­chen zeit­li­chen Ankün­di­gun­gen von Auf­sichts­rat und Vor­stand, die sel­ten genau so auch ein­tra­fen, bleibt da vor allem Mar­ke­ting­vor­stand Rou­ven Kas­per in Erin­ne­rung, der ver­gan­ge­nen Som­mer voll­mun­dig ver­kün­de­te, dass man bei der Suche nach einem neu­en Haupt- und Tri­kot­spon­sor nicht allein dar­auf ach­te, wer am meis­ten Geld zah­le, son­dern auch, ob alles “seri­ös und vali­de” sei, was immer das hei­ßen mag. Alex­an­der Wehr­le schob nach, der Spon­sor müs­se zum VfB und sei­nen Wer­ten pas­sen. Aber das habe ich an ande­rer Stel­le schon aus­führ­lich auf­ge­ar­bei­tet.


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Nun also Wal­de­mar Anton, im ver­gan­ge­nen Som­mer erst zum Nach­fol­ger Wata­ru Endos als Kapi­tän bestimmt wor­den. Dass der im Janu­ar sei­nen Ver­trag ver­län­ger­te, sich zitie­ren ließ, beim VfB stim­me für ihn vie­les,  man auf einer Wel­len­län­ge sei und er sich auf die “wei­te­ren Jah­re im Tri­kot mit dem Brust­ring” freue und gleich­zei­tig sei­nen Bera­ter eine Aus­stiegs­klau­sel in den neu­en Ver­trag dik­tie­ren ließ: geschenkt. So ist das Busi­ness. Wir krie­gen sei­ne in der ver­gan­ge­nen Sai­son her­aus­ra­gen­de Leis­tung und eine Ablö­se, er das Gehalt und das Hand­geld und sein Bera­ter die Pro­vi­si­on. Dass aus den “wei­te­ren Jah­ren” am Ende nur sechs Mona­te wur­den über­rasch­te dann selbst die erfah­rens­ten und abge­stumpf­tes­ten VfB-Fans.

“Superglücklich”

Das könn­te viel­leicht dar­an lie­gen, dass er Anfang Mai im Inter­view mit 11Freun­de-Redak­teur Andre­as Bock den Mund ähn­lich voll nahm wie ein hal­bes Jahr zuvor der Mar­ke­ting-Vor­stand:

War­um soll­te ich stän­dig wech­seln, wenn ich mich in einer Stadt oder bei einem Ver­ein wohl­füh­le? Noch dazu, seit ich Kin­der habe. Ich spü­re kei­ne Rast­lo­sig­keit. In Han­no­ver und in Stutt­gart hat­te ich Leu­te um mich her­um, die ich sehr moch­te. Ich habe Ver­trau­en und Ehr­lich­keit gespürt. Das war mir immer wich­ti­ger als Sta­tus­sym­bo­le oder Geld.

Und als schon durch die Pres­se geis­ter­te, dass er sich qua­si nur noch zwi­schen dem Deut­schen Meis­ter und dem Tabel­len­fünf­ten der abge­lau­fe­nen Sai­son ent­schei­den müs­se, dik­tier­te er der Pres­se kurz vor Beginn der Euro­pa­meis­ter­schaft fol­gen­des in die Blö­cke:

„Am Ende sind es immer Gerüch­te. Es ist am Sai­son­ende nor­mal, dass irgend­et­was kommt. Für mich ist das nicht ent­schei­dend. Ich habe mei­nen Ver­trag in Stutt­gart und bin super­glück­lich.“

Selbst wenn man sich also an die Ober­fläch­lich­keit der Bran­che und die gerin­ge Halb­werts­zeit des übli­chen ver­ba­len oder auch tat­säch­li­chen Wap­pen­küs­sens gewohnt hat­te, konn­te man als VfB-Fan gar nicht anders, als davon aus­zu­ge­hen, dass der Kapi­tän des VfB den nach­voll­zieh­ba­ren Ver­lo­ckun­gen wirt­schaft­lich und sport­lich poten­te­rer Ver­ei­ne wider­stan­den hat­te und gewillt war, sei­ner ers­ten guten Sai­son im Brust­ring eine wei­te­re fol­gen zu las­sen.

Denks­te.

Selbstvermarktung als treue Seele

Und nach­dem er auf sei­nem Insta­gram-Kanal die Kom­men­tar­funk­ti­on deak­ti­ver­te und ver­such­te, beim EM-Aus am Frei­tag die Pfif­fe bei sei­ner Ein­wechs­lung so gut wie mög­lich zu igno­rie­ren, konn­te er sich nicht ein­mal bei sei­ner Ver­ab­schie­dung dazu durch­rin­gen, sich mit irgend­ei­ner Art der Erklä­rung für sein wider­sprüch­li­ches Ver­hal­ten zitie­ren zu las­sen. Der Wech­sel fal­le ihm nicht leicht, dan­ke für alles und alles Gute für die Zukunft. Offe­ner ist er da schon gegen­über sei­nem neu­en Arbeit­ge­ber: “Ich hat­te ursprüng­lich nicht vor, den Ver­ein zu wech­seln – aber dann kam Borus­sia Dort­mund.”, wird er auf der Web­sei­te des BVB zitiert.

Es ist immer wie­der erstaun­lich, wie schlecht die Fuß­ball­bran­che sich teil­wei­se kom­mu­ni­ka­tiv prä­sen­tiert — und sich dann über emo­tio­na­le Reak­tio­nen jener wun­dert, für die das Spiel mit Emo­tio­nen eben nicht nur ein Geschäft ist, son­dern wirk­li­che Emo­ti­on. Im Grun­de hat das auch nichts mit Kom­mu­ni­ka­ti­on oder gar Public Rela­ti­ons im eigent­li­chen Sin­ne zu tun: Es ist nichts ande­res als Selbst­ver­mark­tung und genau­so fühlt es sich als Fan auch an. Egal ob Gre­gor Kobel, Sasa Kalajd­zic, Wata­ru Endo oder Ser­hou Gui­ras­sy: Bei allen wuss­ten wir, dass der VfB irgend­wann im sport­li­chen und/oder finan­zi­el­len Sin­ne zu klein sein wür­de. Eben­so bei Wal­de­mar Anton, soll­te er sei­ne Ent­wick­lung so fort­set­zen. Nur mach­ten die­se Spie­ler auch nie einen Hehl dar­aus, dass ein Wech­sel in der jeweils kom­men­den Trans­fer­pe­ri­ode für sie eine rea­lis­ti­sche Opti­on sein wür­de.

Ehrlichkeit ist keine Zumutung

Gera­de der wahr­schein­lich in die­ser Woche eben­falls nach Dort­mund wech­seln­de Ser­hou Gui­ras­sy ist dafür ein Para­de­bei­spiel. Mehr­mals hat er sich in den zurück­lie­gen­den Jah­ren für den VfB und gegen einen Wech­sel ent­schie­den. Er hat sich aber auch mit Treue­schwü­ren zurück­ge­hal­ten und wir als Fans wuss­ten, wor­an wir waren. Der Wech­sel von Wal­de­mar Anton an sich ist kein Pro­blem, dazu haben wir schon zu vie­le Spie­ler kom­men und gehen sehen. Aber wer das Spiel mit den Emo­tio­nen spielt und sich als treue See­le ver­mark­tet — oder als Ver­ein mit Wer­ten — der schafft sich damit in einem emo­ti­ons­ge­trie­ben Umfeld eine mas­si­ve Fall­hö­he und wird sich als Kon­se­quenz Anfang Sep­tem­ber ein paar Ohr­stöp­sel mit nach Stutt­gart neh­men müs­sen.

Was mich an die­ser Art der Kom­mu­ni­ka­ti­on eigent­lich am meis­ten stört, ist die Respekt­lo­sig­keit gegen­über den Fans. Im Glau­ben, man müs­se nach den Regeln der Glit­zer­welt Fuß­ball alles strom­li­ni­en­för­mig bürs­ten, wer­den selbst die größ­ten Wider­sprü­che ein­fach über­gan­gen und das Spiel der Emo­tio­nen wei­ter­ge­spielt. Als kön­ne man den Fans die Wahr­heit, dass die meis­ten Fuß­ball­pro­fis ihre Kar­rie­re­ent­schei­dun­gen nach Erfolgs­wahr­schein­lich­kei­ten und den Ver­dienst­mög­lich­kei­ten tref­fen, nicht zumu­ten. Dabei durch­schau­en Anhän­ger die ver­meint­li­chen wirt­schaft­li­chen Not­wen­dig­kei­ten im Spon­so­ring oder der Kar­rie­re­pla­nung durch­aus. Das offen aus­zu­spre­chen passt eben nur nicht ins ver­zerr­te Mar­ke­ting-Selbst­bild, wel­ches vie­le Akteu­re der Bran­che von sich sel­ber zu zeich­nen ver­su­chen.

Titel­bild: © Lars Baron/Getty Images

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