Miasanrot
·4 luglio 2024
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Die Hälfte der Europameisterschaft ist zeitlich gesehen vorbei. Das Zwischenfazit ist überwiegend positiv – leider kommt es dennoch zu unangenehmen und diskriminierenden Zwischenfällen.
Im Zuge der (mehr oder weniger) spannenden Achtelfinalbegegnungen und den Diskussionen um Graue Wölfe, nationalistische Gesten und rassistische Gesänge seitens einiger Fans aus Österreich ist diese Meldung etwas untergegangen: Gestern wurde in Berlin ein 80-jähriger Mann festgenommen, gegen den nun wegen sexueller Übergriffe gegen Frauen auf der Fanmeile ermittelt wird. Auch zu Beginn des Turniers gab es bereits einen Vorfall, bei der eine Reporterin, die ihre Anonymität wahren möchte, während einer Übertragung sexuell belästigt wurde.
Ein guter Grund, das Thema Sicherheit von Frauen vor, während und nach Fußballspielen etwas genauer zu recherchieren. Und das war gar nicht so einfach, vor allem, als es darum ging, belastbare Zahlen ausfindig zu machen. Die kürzlich erschienene und sehenswerte Reportage des deutschen ARD-Videofomarts „Vollbild“ dreht sich um die Frage, wie verbreitet sexuelle Übergriffe in Stadien sind. Da auch das Team auf keine Zahlen zurückgreifen kann, erhebt sie diese selbst.
In einer deutschlandweiten Umfrage befragten sie über 2500 Personen, knapp die Hälfte davon Frauen. Das Ergebnis zeigt, dass fast jede vierte Frau schon mindestens einmal einen sexuellen Übergriff im Fußballstadion erlebt hat. In der Reportage teilen Betroffene ihre Erfahrungen, die von sexistischen Kommentaren über K.-o.-Tropfen bis hin zu ungewollten Berührungen reichen.
Das 2019 gegründete „Netzwerk gegen Sexismus und Sexualisierte Gewalt“ vernetzt lokales und bundesweites Engagement aus Fanszenen, Vereinen und Fanprojekten. Noch im gleichen Jahr hat es ein „Handlungskonzept gegen sexualisierte Gewalt im Zuschauer*innensport Fußball“ entwickelt, das sich an Vereine und Verbände, Fanprojekte, Fangruppen und -clubs, aber auch Sicherheits- und Ordnungsdienste sowie Polizeistellen richtet.
„Sexualisierte Gewalt muss auch im Kontext Fußball öffentlich verhandelt werden, um Schamgrenzen sowie Ängste abzubauen und handlungsfähig zu werden“, heißt es dort. „Eine offene Auseinandersetzung mit diesem Thema zeigt nicht auf, dass Vereine ein besonderes Problem haben, sondern dass sie verantwortlich und möglichst präventiv mit potenziellen Vorfällen umgehen.“
Nicht nur im Stadion, auch in den eigenen vier Wänden erleben Frauen häusliche Gewalt, die in direktem Zusammenhang mit Fußball steht, wie eine Studie aus England zeigt, die bereits im Jahr 2013 veröffentlicht wurde: Das Risiko häuslicher Gewalt während großer Fußballturniere stieg um 26 Prozent an, wenn die englische Nationalmannschaft gewann oder unentschieden spielte, und um 38 Prozent, wenn sie verlor.
Eine weitere Studie aus Großbritannien, die im Februar erschien, untersucht, wie sich Alkohol und Emotionen auf häusliche Gewalt während und nach Fußballspielen auswirken: Während des Spiels nahm die Gewalt für etwa zwei Stunden ab, nach dem Spiel stiegen die Gewaltvorfälle allerdings an.
Gerade bei sportlichen Großereignissen wie der momentan stattfindenden Europameisterschaft sind detaillierte Schutzkonzepte notwendig, damit jeglicher Art von Diskriminierung vorgebeugt werden und im Ernstfall schnell gehandelt werden kann. Bereits vor Beginn der EM wies UN Women Deutschland in einer Pressemitteilung auf die Gefahr partnerschaftlicher Gewalt bei Fußballturnieren hin und forderte umfassende politische Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt.
Während des Turniers gibt es in den Stadien und auch in den Fanzonen der Austragungsorte Schutzkonzepte; Betroffene können sich an das Personal vor Ort wenden und dort auch psychologische erste Hilfe erhalten. Neu bei dieser EM sind die sogenannten Safe Guards, die während des Turniers durch die designierten Fanzonen laufen.
In Stuttgart beispielsweise wurden vor dem EM-Start von der Beratungsstelle Frauenhorizonte 650 Helfer*innen geschult, um in der Fan Zone angemessen reagieren zu können, wenn Menschen sexualisierte Gewalt, Rassismus oder Queerfeindlichkeit erfahren. Es gibt auch Safe Spaces, in denen man Schutz suchen kann.
Diese Sicherheitsbereiche gibt es auch in Leipzig. In der Stadt werden zudem Awareness-Teams eingesetzt. Die „Guardian Angels“ sind gut erkennbar an ihren weißen Westen und sind jederzeit ansprechbar, wenn medizinische oder polizeiliche Hilfe nötig ist, entweder direkt oder über WhatsApp, Telegram und Signal.
In Berlin wurde das Poststadion in Berlin Moabit zum „Pride House“ umfunktioniert. Es richtet sich vor allem, aber nicht ausschließlich an die queere Community und versteht sich als sicherer Ort für marginalisierte Menschengruppen. Im „Pride House“ werden die EM-Spiele übertragen; ein zusätzliches Rahmenprogramm beinhaltet Filmabende, Ausstellungen und Diskussionen.
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet betroffenen und bedrohten Frauen Unterstützung. Unter der Telefonnummer 116 016 oder online unter www.hilfetelefon.de, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr, in 17 Sprachen.