
Vertikalpass
·27 Agustus 2025
Ein unnötiges Drama für den Pokalsieger

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·27 Agustus 2025
“Das Spiel wird mich noch beschäftigen“, sagte Matchwinner Alex Nübel nach dem Pokal-Drama gegen Eintracht Braunschweig. Es sollte nicht nur ihn beschäftigen. Sondern emotional alle, die es mit dem VfB halten. Und analytisch die gesamte Mannschaft, das Trainerteam und das Management. Dem VfB fehlten Konzentration und Konsequenz in der Defensive, Klarheit in der Offensive. Viele Situation wurden leichtfertig vergeben. Das ist für den VfB nichts Neues und begleitet ihn seit der Rückrunde der vergangenen Saison. Das lässt einen wenig optimistisch auf die neue Saison blicken.
Braunschweigs Trainer spricht sieben Sprachen, wusste ARD-Kommentator Tom Bartels. Selbst Schwäbisch scheint Heiner Backhaus zu beherrschen, denn er hatte das richtige Konzept gegen den VfB gefunden: Der Tabellensechste aus dem Unterhaus lief hoch an, erzeugte immer wieder Überzahl und der VfB kam damit überhaupt nicht zurecht. Ließ sich zeitweise sogar von einem Zweitligisten dominieren. Einen Klassenunterschied sah man nicht in dieser Erstrundenpartie. Und wenn, dann mit Vorteilen für Braunschweig. Denn es funktionierte wenig beim VfB: Die Arbeit gegen den Ball nur halbherzig, Zweikämpfe gingen reihenweise verloren, einfachste Pässe misslangen, alle zweiten Bälle sammelte die Eintracht ein. Ein strukturiertes Spiel nach vorne gab es nur in Ausnahmen.
Der VfB vergeudete erneut sein Potential, aber kämpfte sich immerhin in diese Begegnung hinein. Ließ sich nach Rückschlägen wie einem frühen Rückstand (Sven Köhler, 8.) oder einem Doppelschlag (Fabio Di Michele Sanchez, 77., 85.) nicht hängen und stemmte sich leidenschaftlich gegen das blamable Ausscheiden eines Pokalsiegers in der ersten Runde. Aber Bastian Schweinsteiger hatte nach dem Spiel Recht: „Man darf vom VfB mehr erwarten.“
Zum Beispiel, nach der schnellen Antwort zum 1:1 von Ermedin Demirovic (12.) sofort nachlegen und für klare Verhältnisse sorgen zu wollen. Zum Beispiel, nach dem 1:2 von Demirovic (60.) das Spiel entscheiden zu wollen. Der Gegner jeweils angeschlagen, ihm kamen Zweifel und der VfB muss hier seine Überlegenheit, die er individuell auf den Platz bringt, ausspielen. Er muss klar machen, dass es für den Außenseiter hier nichts zu holen gibt. Anstatt dessen ließ der VfB die Eintracht im Spiel, agierte viel zu passiv und konnte nur mit Einzelaktionen überzeugen.
Eine davon war der magische Trick von Tiago Tomàs, der zum 3:4 führte. Der ansonsten blasse Rückkehrer präsentierte die pure Schönheit seine technischen Repertoires und zeigte, dass er für die besonderen Momente sorgen kann – in so einem engen Spiel, in so einer Situation so einen Trick auszupacken: Das traut sich nur er! Aber auch dieses Momentum ließ der VfB verstreichen und musste schließlich ins Elfmeterschießen.
„Wir sind auf alles vorbereitet“ Das sagte Sebastian Hoeneß vor der Partie und spielte darauf an, dass sogar eine Liste der Elfmeterschützen existierte. Aber für was man sich bei Gewinn des Münzwurfs durch den Schiedsrichter vor dem Shout-out entscheiden sollte, das schien nicht besprochen zu sein. Kapitän Atakan Karazor ließ Braunschweig beginnen, obwohl statistisch der Starter im Elfmeterschießen im Vorteil ist. Nach Rücksprache mit Demirovic brachte Karazor damit sich und seine Kollegen unter Zugzwang, immer nachlegen zu müssen. Der Druck auf Jamie Leweling, Demirovic, Ramon Hendriks, Josha Vagnoman und eben Karazor war enorm. Bei jedem von ihnen hätte ein Fehlschuss das Pokal-Aus bedeutet. Eine riesige Belastung für jeden, sie hielten alle dem Druck stand: ein beeindruckender Auftritt vom Punkt!
Lange sah es danach aus, als ob Alex Nübel die tragische Figur des Spiels werden würde. Bis zum Elfmeterschießen.
Held oder Depp: so nah beieinander! Für Alex Nübel begann das Spiel mit einer brenzligen Situation im Spielaufbau und einem Fehler. Er bekam von der rechten Seite zwei Tore im Filip-Kostic-Stil. Er hielt erst zwei Elfmeter und warf sich dann immer vergeblich in seine rechte Torecke. Beim 19. Elfmeter flog er auf die andere Seite und parierte den Schuss von Lukas Frenkert. Sah es am Anfang danach aus, als würde er zum Depp des Spiels werden, avancierte er nun zum Matchwinner.
Aufgrund der Länge des Elfmeterschießens mussten alle Feldspieler antreten, keiner konnte sich drücken. Dieses Nervenspiel gemeinsam durchgestanden zu haben, könnte die Mannschaft enger zusammen rücken lassen und für ein bisschen Rückenwind für die Saison sorgen. Damit so ein unnötiges Drama, das letztlich unwürdig war für einen Pokalsieger, nicht noch einmal passiert.
Zum Weiterlesen: Stuttgart.International sieht viele Schwächen beim VfB, erfreut sich aber an einem Pokalspiel, in dem es wirklich um etwas geht, weil es “allemal ist interessanter als ein künstlich geschaffener Supercup“.
Die Süddeutsche Zeitung packt allerlei spannende Formulierungen aus wie “Woltemade als Tipp-Kick-Figur“ oder „Tiagos magischer Fersentrick“ und spricht von einer “erinnerungswürdigen Pokalschlacht (…), die ein einziger Gesang an die Pokalromantik und den dramatischen Kampf der Underdogs war“.
Bilder: Ronny Hartmann/Getty Images