MillernTon
·16 December 2024
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Der FC St. Pauli wirkte müde gegen Werder Bremen, muss nach der Winterpause aber direkt frisch und wach sein – wie kann er das schaffen?(Titelbild: Stefan Groenveld)
Die Niederlage des FC St. Pauli gegen Werder Bremen sorgte für spürbare Enttäuschung bei allen Verantwortlichen. Gegen einen in den Abläufen sehr sicheren, aber keineswegs unschlagbaren Gegner fing sich der FCSP ärgerliche Gegentore und brachte offensiv nur wenig zustande. Während man sich defensiv zumindest darauf berufen kann, dass man gegen Bremen auch nicht viele Chancen zugelassen hat, Werder sehr effizient gewesen ist, ist das Urteil zur Offensive des FC St. Pauli nicht so gut.
FCSP-Cheftrainer Alexander Blessin wollte nach Abpfiff zwar bewusst nicht das Wort „Lethargie“ in den Mund nehmen, sprach lieber von Galligkeit, die seinem Team in gewissen Momenten gefehlt habe und von einem negativen Trend, der sich im Laufe der Partie entwickelte. Auch die Spieler bliesen ins gleiche Horn: Generell sei es keine Leistung gewesen, mit der man Punkte in einem Bundesliga-Spiel bekäme, so Jackson Irvine. Eric Smith betonte, dass man das eigene Leistungsmaximum einfach nicht erreicht habe.
Es ist den Spielern des FC St. Pauli überhaupt nicht abzusprechen, dass sie wirklich alles geben. Ihnen einen „lustlosen“ Auftritt vorzuwerfen (wie vielerorts in den Sozialen Medien geschehen), wird der Sache nicht gerecht. Ebenso ist es ziemlich vermessen, Alexander Blessin vorzuwerfen, er hätte das Spiel (und sowieso bereits die gesamte Hinrunde) vercoacht. Klar, sowas muss immer und ständig hinterfragt werden. Aber dabei darf das Wesentliche nicht ignoriert werden: Es ist einfach so, dass der FC St. Pauli buchstäblich auf dem letzten Loch pfeift, am Samstag vermutlich den letzten Wochen Tribut zollen musste. Die vielen Verletzungen sowie das lange und emotionale Fußballjahr haben im Kader Spuren hinterlassen.
Spätestens durch das Fehlen von Morgan Guilavogui wurde deutlich, was der FC St. Pauli in vielen Wochen zuvor noch kaschieren konnte: Dem Team fehlen wichtige Spieler. Ihren Einsatz in allen Ehren und die Leistungen sind teilweise durchaus ansprechend, aber Spieler wie Carlo Boukhalfa, David Nemeth, Danel Sinani und Andreas Albers haben letzte Saison in der 2. Bundesliga kaum eine Rolle gespielt. Man kann nicht erwarten, dass diese Spieler das Team in der Bundesliga tragen können.
Hinzu kommt, dass einige jener Spieler, die in der Vorsaison genau solche Säulen gewesen sind, Probleme haben. Jackson Irvine wirkt seit Wochen überspielt. Der frühe Trainingsauftakt für die Asien-Meisterschaft kurz nach Weihnachten 2023, der emotionale Aufstieg, die vielen Reisen, der hohe eigene Anspruch – es ist wenig verwunderlich, dass Irvine nicht immer vorangehen kann. Leider kam er zuletzt aus diesem Loch nur schwer heraus, weil auch andere Spieler mit dem höheren Level in der Bundesliga fremdeln, von Eric Smith über Manos Saliakas hin zu Dapo Afolayan, der gegen Bremen ebenfalls völlig überspielt wirkte.
Das ist alles soweit normal. Es war nicht zu erwarten, dass der FC St. Pauli den Übergang in die Bundesliga spielend leicht hinbekommen würde. Viele Spieler benötigen Zeit, um sich an das Level anzupassen. Gerade vor dem Hintergrund der vielen fehlenden Spieler ist die aktuelle Punkteausbeute und Spielweise sogar eher positiv zu bewerten, Klar, gegen Werder Bremen gab es eine kleine Delle (und verlieren ist und bleibt scheiße), trotzdem macht das Team aus seinen begrenzten Möglichkeiten ziemlich viel. Die harten Fakten lesen sich kurz vor der Winterpause so: Viele Leistungen, die mehr Punkte verdient hätten, trotzdem Platz 15 und sechs Punkte Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz – das hätten vor der Saison sicher viele so unterschrieben. Das teils ziemlich heftige Rumoren nach Niederlagen hat auch mit einer immer noch überzogenen Erwartungshaltung zu tun, ausgelöst durch eine Phase extrem guten Fußballs am Millerntor.
Das ändert aber nichts daran, dass man zuletzt den Eindruck gewinnen konnte, der FC St. Pauli sehnt sich nach einer Pause. Doch erstmal geht es weiter. Vor der Winterpause steht noch das schwere Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart an. Damit der FCSP dort etwas Zählbares mitnehmen kann, müsse man sich laut Blessin nun erstmal „sammeln“, ein Hinweis auf mentale Müdigkeit. Jackson Irvine hielt direkt nach Abpfiff gegen Bremen den Druck hoch, will die Kräfte so maximal bündeln: „Wir wollen unseren Kopf über Wasser halten. Dafür brauchen wir kommende Woche etwas Zählbares.“
Chancen in Stuttgart hin oder her, danach ist dann endlich Winterpause. Die ist nach einem ereignisreichen Jahr beim FC St. Pauli hochverdient. Allerdings ist sie ziemlich kurz, da es bereits am zweiten Januar-Wochenende mit dem Duell gegen Eintracht Frankfurt am 16. Spieltag weitergeht. Das bedeutet auch, dass für den FC St. Pauli wenig Zeit zum „Wunden lecken“ bleibt. Somit ist leider nicht davon auszugehen, dass einige der aktuell verletzten Spieler gegen Frankfurt wieder einsatzbereit sein werden. Dadurch ergibt sich ein immer konkreter werdender Handlungsbedarf.
Konkret dürfte es für Elias Saad und Connor Metcalfe sehr, sehr eng werden mit dem Auftakt ins Jahr 2025. Beide fallen bereits sehr lange aus und sind noch nicht ins Team-Training zurückgekehrt. Es muss daher damit gerechnet werden, dass sie zum Start nach der Winterpause noch nicht wieder spielfit sind. Über Simon Zoller wird in diesem Zusammenhang sowieso kaum noch geredet. Sie fehlen dem FC St. Pauli aktuell sehr. Ob Robert Wagner und Scott Banks – beide aktuell ebenfalls noch nicht einsatzbereit – das Fehlen von Metcalfe und Saad kompensieren können? Diese Frage dürfte die Basis bilden in den Überlegungen, ob es beim FCSP im Winter externe Verstärkungen auf diesen Positionen geben wird. Wagner hat in seinen bisherigen Einsätzen in Braun-Weiß noch nicht überzeugen können. Banks ist ein großes Versprechen, hat dieses aber bisher noch nicht eingelöst und wird mit entsprechend vielen Fragezeichen begleitet. Selbst wenn beide wieder rechtzeitig zurückkehren, muss das Risiko abgewogen werden, dass der Plan mit ihnen nicht aufgeht.
St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann dürfte aktuell sehr mit der Frage beschäftigt sein, ob der Kader im Winter Neuzugänge benötigt, um die Chancen auf den Klassenerhalt des FC St. Pauli zu erhöhen. // (c) Stefan Groenveld
Die erste Phase direkt nach der Winterpause ist für das Ziel Klassenerhalt extrem wichtig, vielleicht so wichtig wie sonst keine andere. Zum Auftakt geht es gegen Eintracht Frankfurt, ein Top-Team. Dann aber folgen bis Anfang Februar vier Spiele gegen mehr oder weniger direkte Konkurrenten: Erst geht es nach Bochum (aktuell Platz 18), dann nach Heidenheim (Platz 16), gefolgt von zwei Heimspielen gegen Union Berlin (Platz 12) und Augsburg (Platz 13). Möchte der FC St. Pauli die Klasse halten, dann ist eine gute Punkteausbeute in diesen Spielen fast schon Pflicht.
Somit ist klar: Der Start nach der Winterpause erlaubt dem FC St. Pauli eigentlich keine Kompromisse. Ist absehbar, dass wichtige Spieler in dieser Phase fehlen und unklar ob dieses Fehlen innerhalb des Kaders adäquat ersetzt werden kann, so muss darüber nachgedacht werden, ob man diese Lücken durch Wintertransfers schließen kann. Selbst dann noch, wenn die Zeit des Bedarfs nur wenige Wochen beträgt.
Die Verantwortlichen des FC St. Pauli haben in der letzten Winterpause gezeigt, dass sie Spieler auch dann verpflichten, wenn nur verhältnismäßig kurzfristig Bedarf besteht. Aljoscha Kemlein kam letzten Winter leihweise zum FCSP. Um die Lücke zu schließen, die Jackson Irvine und Connor Metcalfe mit ihrer Teilnahme an der Asien-Meisterschaft hinterließen. Damals ging es um drei, maximal vier Spiele – wie jetzt womöglich auch. Der FC St. Pauli würde also eine „Soforthilfe“ in einer sehr kurzen Winterpause suchen. Das ist ein alles andere als einfaches Unterfangen.
Wichtig ist: Einzig das Wissen um die Notwendigkeit und die Bereitschaft auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, reicht nicht. Neben den finanziellen Stunts, die vollführt werden müssen, braucht es auch Spieler, die ins Raster passen. Das gesuchte Profil „Soforthilfe für die Bundesliga“ ist aber alles andere als eines, welches viele Spieler erfüllen. Bundesliga-Fußball ist aufgrund seines steten Fokus‘ auf das Umschaltspiel für viele Spieler gewöhnungsbedürftig. Und Spieler, die eine Soforthilfe in der Bundesliga sein können, sind entweder fernab jeder Realität (weil viel zu teuer) oder aber bereits in der Bundesliga zugegen. Unmöglich ist das alles sicher nicht, aber die Aufgabe könnte extrem knifflig sein.
Der Blick in die letzten Winter macht aber Mut: Andreas Bornemann und seinem Team ist es in den letzten Jahren über den Jahreswechsel immer wieder gelungen, den Kader des FC St. Pauli signifikant zu verstärken. Letzten Winter kamen Aljoscha Kemlein und Erik Ahlstrand. Im Winter davor kamen Dapo Afolayan, Maurides, Elias Saad und Karol Mets zum FC St. Pauli. In der Saison 21/22 (St. Pauli damals amtierender Herbstmeister) passierte gar nix, im Jahr davor kamen Eric Smith, Adam Dźwigała, Tore Reginiussen, Dejan Stojanovic und Omar Marmoush im Winter ans Millerntor. Das ergibt insgesamt eine erfolgreiche Wintertransfer-Quote.
Der FC St. Pauli schleppt sich also ein wenig in die Winterpause, aber das Ziel Klassenerhalt ist total realistisch. Nach 14 Spieltagen hat sich bereits herauskristallisiert, dass die Clubs aus Kiel und Bochum wohl viel größere Abstiegssorgen haben müssen als der FCSP. Die Chance auf einen Klassenverbleib ist also klar vorhanden. Aber diese Clubs werden die Winterpause ebenfalls nutzen wollen, um an den bestehenden Verhältnissen etwas zu verändern. Solch frische Power benötigt auch der FC St. Pauli zum Auftakt nach der Winterpause, entweder in Form von Neuzugängen oder Rückkehrern nach Verletzungspausen.// Tim
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