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·9. Juni 2025
Trainer-Aus trotz Europa-League-Sieg: Chapeau Tottenham

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·9. Juni 2025
Einen Trainer 16 Tage nach dem Gewinn einer europäischen Trophäe zu entlassen, wirkt undankbar. Speziell im Fall der Tottenham Hotspur. Immerhin ist die Europa League für sie der erste Titel seit 17 und der bedeutsamste seit über 30 Jahren.
Und dennoch war es folgerichtig, Ange Postecoglou nach zwei Spielzeiten die Tür zu zeigen. Mehr noch: So hart es klingt, aber ich finde, man sollte vor den Spurs den Hut ziehen.
In einem Moment, indem für gewöhnlich das Herz übernimmt, hörten sie auf ihren Kopf. Sie hatten die Nüchternheit, sich nicht von einer emotionalen Nacht in Bilbao blenden zu lassen. Und den Mut, eine rationale Entscheidung zu treffen, die nicht überall gut ankam.
Denn neben dem Titel hatte Postecoglou mit seiner charismatischen und forschen Art einem jahrelang verschmähtem Minderleister wieder Selbstbewusstsein und Identität verpasst. Doch auch wenn es der ein oder andere Fan nicht einsehen möchte, der Klub hatte dabei den sportlichen Trend nicht aus den Augen gelassen. Und der war beängstigend.
Nach einem vielversprechenden Einstand – die Spurs holten unter dem Australier 2023/2024 26 Punkte aus den ersten zehn Spielen – fiel das Kartenhaus zusammen. Aus den folgenden 66 Partien gab es nur 78 Zähler – nur Everton, Wolverhampton sowie die sechs Absteiger hatten in diesem Zeitraum eine schlechtere Ausbeute vorzuweisen. Die Saison 2024/2025 war mit einem Wort: unterirdisch. 22 Niederlagen und 28 Punkte weniger als im Vorjahr. Und das nach Ausgaben von insgesamt knapp einer halbe Milliarde Euro über vier Transferfenster.
Kann das durch eine Trophäe relativiert werden, die zwar einen großen emotionalen Wert für Klub und Fans hat, aber letztendlich nichts anderes bescheinigt, als die 37. beste Mannschaft Europas zu sein? Ein Turnier, in dem Komponenten wie Glück und Tagesform eine weitaus größere Rolle spielen als in einem 38-Spiele-Marathon? Ein Pokal, der – machen wir uns nichts vor – diese Saison weniger Qualität vorzuweisen hatte als die Premier League. Bei allem Respekt, Tottenhams Hürden auf dem Weg zum Pott waren am Ende Qarabag, Ferencvaros, AZ Alkmaar, Elfsborg, TSG Hoffenheim, Eintracht Frankfurt, Bodø/Glimt und das schlechteste Manchester United, das ich je gesehen habe.
Zugegeben, Tottenham hatte diese Saison enormes Verletzungspech. Ein Grund, wieso Postecoglou früh vorgab, die Premier League abzuschenken und die Euro League zu priorisieren. Es war ein cleverer Schachzug, weil er funktionierte. Aber auch ein cleveres Manöver, weil es von einer historisch schlechten Saison ablenkte.
Denn zur Wahrheit gehört auch, dass diese Spielzeit das direkte Resultat seiner ursprünglich hochgelobten Spielweise war. Weil die immense Intensität – wie schon bei Celtic – auf Dauer eben nicht aufrechtzuerhalten ist und zu einer hohen Anzahl an muskulären Verletzungen führt. Und weil „Ange-Ball“ mehr Wahnsinn als Genie war. Die hohe Verteidigungslinie, das hohe Pressing waren nicht mutig sondern schlichtweg Harakiri und zu durchschaubar. Es ist kein Zufall, dass die Europa League mit dem kompletten Kontrastprogramm, einem defensiven, pragmatischeren Ansatz gewonnen wurde.
Nichtsdestotrotz muss man Postecoglou lassen, dass er am Ende recht behielt: Vor der Saison hatte er ankündigt, dass er in seiner zweiten Saison einen Titel liefern würde. Und selbstverständlich verdient er dafür Respekt und Anerkennung. Was er allerdings auch sagte? „Der Erfolg in der Liga ist ein besserer Indikator für Erfolg, als einen Pokal zu gewinnen“. Tottenhams Führung teilte seine Meinung.