
Rund um den Brustring
·27. März 2025
Ruhe im Karton

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Yahoo sportsRund um den Brustring
·27. März 2025
Vor dem Endspurt in die Bundesliga-Saison hat der VfB in der Länderspielpause wichtige personelle Weichen gestellt. Könnte es jetzt wirklich dazu kommen, dass sportlicher Erfolg und vereinspolitische Stabilität in Bad Cannstatt Hand in Hand gehen?
Ich wollte eigentlich schon viel früher etwas zur Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag schreiben. Eigentlich schon vorher, wollte die Interviews mit den sieben Kandidaten und der Kandidatin für die Posten im Präsidium noch einordnen und wollte davor warnen, Dietmar Allgaier für die logische und naheliegende Wahl zum nächsten VfB-Präsidenten zu halten. Wollte meinen Unmut darüber kundtun, dass die Mitgliederversammlung selbst bei Menschen, die damit Geld verdienen, dass sie über den Verein mit dem Brustring berichten, nur auf die Wahl des Präsidenten reduziert und sonst als eigentlich störende Mammutversammlung wahrgenommen wird. Und auch das Thema 75+1 nochmal aufgreifen, dass zwar gerade von denjenigen, die schon vor der Mitgliederversammlung im Amt waren genauso als “Nicht-Thema” bezeichnet wurde wie vom ehrenamtlichen Pressesprecher Carlos Ubina, dass aber scheinbar durchaus in gewissen Gremien eine gewisse Rolle spielte.
Aber irgendwie hat mir das Spiel gegen Leverkusen und die vielen Interviews mit den Kandidat/innen ein wenig den Stecker gezogen, so dass ich weit nach Aschermittwoch und vor Ostern ein kleines VfB-Fasten eingelegt habe an dieser Stelle. Und was soll man auch sagen: Ich habe lange keine Mitgliederversammlung mehr erlebt, bei der VfB so im Einklang und im Gleichgewicht schien. Sicherlich könnten wir aktuell ein paar mehr Punkte haben, es ist ja aber vor allem die Angst vor den personellen Konseqenzen nach einem möglichen Verpassen des Europapokals, die uns Fans derzeit umtreibt. Diese Angst haben uns Alex Wehrle, Fabian Wohlgemuth und vor allem Sebastian Hoeneß mit einer perfekt terminierten und gut choreographierten Vertragsverlängerung ohne Ausstiegsklausel mit dem Übungsleiter genommen. Dass Sebastian Hoeneß sich jetzt weiterhin zum VfB bekennt, bringt so manchen vielleicht auch wieder in die Realität zurück, der angesichts der letzten Ergebnisse und der unsicheren Perspektive schon wieder den Rückfall in dunkle Zeiten fürchtete. Gleichzeitig kann es der Mannschaft in zweierlei Hinsicht ein Ansporn sein: Sie wissen, wie es in Stuttgart im Sommer weitergeht und können sich voll auf den Saisonendspurt konzentrieren.
Dass bei den an diese Ankündigung anschließenden Wahlen nicht nur Dietmar Allgaier mit überwältigender Mehrheit gewählt wurde, sondern auch die von der Satzungskommission eingebrachten Satzungsänderungen ähnlich deutlich angenommen wurden, kann man genauso als Zeichen der Einigkeit und der guten Atmosphäre im Verein deuten, wie die lediglich sechseinhalb Stunden, die die Mitgliederversammlung dieses Mal trotz zahlreicher Wahlen dauerte. Wobei ich nochmal festhalten möchte, dass Dialog und Demokratie eben Zeit brauchen, die man sich einmal im Jahr nehmen sollte. Richtig ist aber, dass man diese Zeit nicht mit ausführlichen Selbstdarstellungen verplempern, sondern sie für Dialog und ein aktives Vereinsleben nutzen sollte. Und natürlich konnte nicht nur der Verein bei dieser Mitgliederversammlung auf, wie es der Vertikalpass nannte, Kuschelstufe Dunkelrot glänzen. Die VfB AG entwickelt sich wirtschaftlich weiter hervorragend, konnte ihr Eigenkapital, auch dank des Porsche-Einstiegs, im Vergleich zu Zweitliga-Zeiten fast verdreifachen und scheint sich immer weiter zu stabilisieren, selbst wenn im Herbst keine europäischen Reisen anstehen.
Man kann sich als VfB-Fan und ‑Mitglied im Jahr 2025 also weitestgehend glücklich schätzen, denn sportlich läuft es unter dem Strich gut und es drohen auch keine destabilisierenden Grabenkämpfe. Gerade in diesen Zeiten sollte man sich aber nicht einlullen lassen von der allgemeinen Glückseligkeit. Und das schreibe ich nicht, weil ich eigentlich gerade nichts zu meckern habe, sondern weil der alte und neue Präsident nun zeigen muss, dass er nicht nur eine Übergangslösung ist, sondern auch in der Lage, den Verein angemessen zu vertreten. Gerade in der AG, in der der Vorstand selbst bei Aufsichtsratsthemen massiv den Ton angab. Speziell im Aufsichtsrat, in dem mit Tanja Gönner, Beate Beck-Deharde, und Alexander Kläger immer noch Personen sitzen, die dem Bruch des Ausgliederungsversprechens zustimmten und wie man hörte, wohl erst in Gesprächen von Dietmar Allgaier davon überzeugt werden mussten, diesen Fehler zu korrigieren. Und auch Allgaiers Ankündigung, politisches und Vereinsamt unter einen Hut zu bekommen, muss jetzt den Praxistest bestehen.
Was in den nächsten fünf Jahren nicht passieren darf, ist eine erneut schwache Präsidentschaft, in der die Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten der VfB-Mitglieder weiter ausgehölt werden, weil niemand jenen richtig auf die Finger schaut, die sich den Mitgliedern nicht verantworten müssen. Dietmar Allgaier und Andreas Grupp haben seit der Mitgliederversammlung 2024 einen guten Job gemacht, nun gilt es, wichtige Baustellen anzugehen, um den Verein und seine Mitglieder wieder zu stärken — und mit Baustellen meine ich nicht die ebensowichtigen Infrastrukturprojekte rund um den Neckarpark. Gerade der Aufsichtsrat der AG ist hier ein zentrales Gremium und vielleicht müssen wir auch in Zukunft darüber nachdenken, ob das Präsidium des e.V. als dessen Vertreter mit demokratischer Legitimation ausreicht. Von einer unverbindlichen Auswahl der Aufsichtsräte durch die Miglieder bis zu einem/r festen Vertreter/in einer Fanabteilung im Aufsichtsrat kann ich mir hier vieles vorstellen.
Die Grundlage für vereinspolitische Stabilität haben wir aber geschaffen, es liegt an den Verantwortlichen in den Gremien, sie mit Leben zu füllen — und an der Mannschaft, am Samstagabend den Ankündigungen ihres Trainers mit Taten zu erfüllen, der in Stuttgart noch viel vor hat.
Titelbild: © Alexander Hassenstein/Getty Images
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass feiert die Verlängerung mit Sebastian Hoeneß.