„Kann“ der FC St. Pauli wichtige Spiele? | OneFootball

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·10. Mai 2024

„Kann“ der FC St. Pauli wichtige Spiele?

Artikelbild:„Kann“ der FC St. Pauli wichtige Spiele?

Crunchtime. Saisonfinale. Entscheidende Spiele. Kann der FC St. Pauli das überhaupt? Oder hat eine legendäre Songzeile recht?Titelfoto: Stefan Groenveld

Es ist wohl eine der prägnantesten Songzeilen aus dem legendären Übersteiger-Sampler: „…But Alive feat. OL“ haben eine FCSP-Version des …But Alive-Songs „Sie war sie ist sie bleibt“ aufgenommen, in der festgehalten wird, dass „diese Trümmertruppe immer wenn’s ernst wird, vergeigt“.


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Wir sind uns natürlich alle darüber im Klaren, dass der Aufstieg spätestens am Sonntag am ausverkauften Millerntor eingetütet wird. Mit einem Heimsieg gegen den Tabellenletzten, den VfL Osnabrück. Vielleicht passiert es schon am Vorabend in Kiel, aber das liegt ja nicht in unserer Hand.Wobei… einige sind sich da doch nicht so sicher, die Nervosität steigt. Grund genug also jetzt schon mal vorab zu überprüfen, was denn an dieser Textzeile dran ist.

Nur mal angenommen…

Also nur mal rein fiktiv angenommen – wenn der FCSP es tatsächlich noch nicht am Sonntag klarmachen sollte, dann steht ja immer noch die Reise nach Wiesbaden an. Ein echtes „Do or die“-Spiel, bei der man es immerhin dann trotzdem noch in der eigenen Hand hat und einfach nur durch die weit offen stehende Tür treten muss, die in die 1. Bundesliga führt. Denn auf Rang 2 liegt man ja dann mindestens immer noch.

Die bange Frage: Vergeigt „die Trümmertruppe“ dann wieder? So, wie jetzt ja auch im Pokal gegen Düsseldorf und in der Liga im Volkspark „Meilensteine“ der Vereinsgeschichte nicht aufgestellt werden konnten?Nun denn, „Challenge Accepted“, schauen wir auf bisherige Spiele mit ähnlich wichtiger Ausgangssituation am letzten Spieltag, beginnend 1988.Die Voraussetzung qua Definition: Aufstieg oder Klassenerhalt vor dem letzten Spieltag noch in der eigenen Hand zu haben.

Erstliga-Aufstieg 1988

Ein 2:0 gegen Rot-Weiß Oberhausen am 37. Spieltag machte die Tür ins Oberhaus weit auf – und der FCSP schritt am letzten Spieltag hindurch. Ein Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz, zwei Punkte auf den Nichtaufstieg, dazu in beiden Fällen die deutlich bessere Tordifferenz.

Ein Sieg beim SSV Ulm und alles wäre entschieden – und der Treffer von Dirk Zander in der 29. Minute zum 1:0-Auswärtssieg reichte dann auch genau dafür.Der FC St. Pauli war zurück im Oberhaus – das „Freudenhaus der Liga“ nahm medial seinen Anfang.

Die Mutter aller Dramen: 1990/91, Relegation gegen die Stuttgarter Kickers

Ich gebe zu, ich versuche dieses Spiel in möglichst viele Beiträge zu bringen, nur um immer mal wieder diesen NDR-Beitrag von Wolfgang Biereichel verlinken zu dürfen. Aus einer Zeit, als Sportberichterstattung eben manchmal noch mehr war, als das Endergebnis und ein bisschen Boulevard. Doch schauen wir erst auf die Ausgangssituation, die dann zu diesem Drama führte:

Ein Punkt gegen Eintracht Frankfurt am Millerntor am 33. Spieltag reichte nur zu Relegationsplatz 16., punktgleich aber mit der um zwei Tore schlechteren Tordifferenz gegenüber dem 1. FC Nürnberg. Dieser spielte zum Saisonfinale in Wattenscheid, der FCSP in Dortmund. Gilt das per Definition als „in der eigenen Hand haben“? Nun ja, ein Sieg mit vier Toren Differenz hätte es werden müssen, da der Glubb in der Lohrheide mit 1:0 gewann. Dies klappte nicht, stattdessen verlor man beim BVB mit 5:2 und es ging in die Relegation gegen die Stuttgarter Kickers.

Der Rest ist ebenso bekannt wie traurig, Hinspiel 1:1, Rückspiel 1:1, Entscheidungsspiel in Gelsenkirchen – und „It’s all over now, Baby Blue“ brannte sich auf ewig in Braun-Weiße Herzen.

Zweitliga-Klassenerhalt 1993

„Leeeeeeeeooooooo!“Leonardo Manzi, brasilianischer Fußballgott.In der Mammutsaison 92/93 ging man nach 45 Spieltagen punktgleich mit Eintracht Braunschweig, einen Punkt vor Unterhaching und zwei Punkte vor Osnabrück in den letzten Spieltag. Man selbst stand damit knapp über dem Strich, die anderen Teams darunter. Auch Homburg und die Stuttgarter Kickers waren punktgleich, hatten aber eine bessere Tordifferenz.

Gegen Hannover 96 musste man also gewinnen – und bitte höher als Eintracht Braunschweig zeitgleich gegen Duisburg. Es lief die 73. Minute, als Leo vor der Nordkurve eine Flanke von Jürgen Gronau per Kopf verwandelte und das Millerntor explodierte. Auch hier gibt es einen NDR-Beitrag – die musikalische Untermalung fällt mit „Sing Halleluja“ dann auch deutlich schwungvoller aus.2021 durfte Tim im Rahmen unseres Adventskalenders mit Leo unter anderem über dieses Tor sprechen.

Kein Aufstieg 1994

Den Aufstieg hatte man schon vorher verspielt, in dieser ersten Saison, in der ich den FCSP intensiv verfolgte. Sieben Spieltage vor Schluss war man (bei Zwei-Punkte-Regel) mit fünf Punkten Vorsprung und nach einem Unentschieden beim Tabellenführer in Bochum eigentlich gefühlt schon durch. Doch es folgten Niederlagen gegen Wuppertal, in Jena und Uerdingen sowie später noch bei Hertha BSC, sodass die beiden Heimsiege gegen Fortuna Köln und Waldhof Mannheim nicht ausreichten. Vor dem letzten Spieltag hatte man es also nicht mehr in der eigenen Hand. Punktgleich war man zwar mit 1860, doch diese hatten die um fünf Tore bessere Tordifferenz. In Wolfsburg gab es eine 4:1-Niederlage, die aufgrund des Siegs der Löwen in Meppen aber eh fast egal war.

Aber fürs Protokoll, wie erwähnt: Diese Situation gehört eigentlich nicht in diese Auflistung, denn man hatte es halt nicht in der eigenen Hand.

1994/95 – ein Hoch auf Bodo Brandt-Chollé

Auch diese Geschichte dürfte schon oft erzählt worden sein. Ein 3:1-Auswärtssieg beim FSV Frankfurt am 33.Spieltag brachte den FCSP in die fantastische Ausgangslage, mit einem Heimsieg gegen den bereits als Absteiger feststehenden FC Homburg am letzten Spieltag aufsteigen zu können. 50 D-Mark ließ ich auf dem Schwarzmarkt, um eine Stehplatzkarte auf der Gegengerade zu ergattern, eine zu der Zeit komplett horrende Summe für ein Zweitligaspiel. Doch es sollte sich lohnen, der FCSP fertigte die Gäste nach allen Regeln der Kunst ab und führte 5:0, als kurz vor Schluss ein fälschlicherweise als Schlusspfiff interpretierter Elfmeterpfiff des Schiedsrichters die bereits am Spielfeldrand wartenden Massen auf den Rasen fluten ließ. Stadionsprecher Rainer Wulff tat sein Bestes, um alle wieder auf die Ränge zu bringen, doch dies misslang zunächst und dauerte viel zu lange.

Womit wir bei Bodo Brandt-Chollé wären, dem Berliner Schiedsrichter. Der deutete für die mediale Öffentlichkeit seinen Pfiff kurzerhand in einen Schlusspfiff um, seine Handgeste gen Strafstoßpunkt vor der Süd sei vielmehr das vorher abgesprochene Zeichen für die Teams zum Kabinentrakt gewesen. Der FCSP sollte ihm ewig dankbar sein, für diese kreative Umdichtung, die er Jahre später dann auch öffentlich zugab.

Dies war dann die bisher einzige Gelegenheit, bei der der FCSP bisher im eigenen Stadion einen Aufstieg gegen ein bereits abgestiegenes Team hätte klarmachen können – den Bezug zum Sonntag könnt Ihr selbst herstellen. Wartet also bitte unbedingt mit dem Platzsturm, so oder so. (Tatsächlich bittet der Verein ohnehin darum, auf einen Platzsturm zu verzichten. Neben der Möglichkeit für das Team, sich so von allen Tribünen zu verabschieden, soll auch das Spiel der U23 am folgenden Wochenende noch auf dem Rasen des Millerntors ausgetragen werden.)

1999/2000 – Happy-End gegen RWO

Eine ernüchternde 6:3-Niederlage beim 1. FC Köln (Trainer: Ewald Lienen) am 33. Spieltag stellte die Ausgangslage in der 2. Liga auf „Drama, maximale Stufe“. Der FC St. Pauli ging punktgleich mit den Stuttgarter Kickers in den letzten Spieltag. Die Kickers lagen auf dem ersten Abstiegsplatz, die Tordifferenz des FCSP war um ein Tor besser, weshalb man knapp über dem Strich stand.Ein Heimspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen stand an, während die Kickers zum bereits feststehenden Absteiger nach Karlsruhe reisen mussten. Das ebenfalls noch in Reichweite befindliche Chemnitz sollte sein Spiel gegen TeBe gewinnen, das frühe 1:0 bedeutete die Rettung für den CFC.

In der 23. Minute erzielte Daniel Ciuca die Führung für die Gäste und sorgte für Entsetzen am Millerntor. Als Tomislav Maric nach einer halben Stunde auch die Kickers per Elfmeter in Karlsruhe in Führung brachte, stand der FC St. Pauli mit einem Bein in der Regionalliga.Moudachirou Amadou, später auch noch für den FCSP am Ball, erzielte nach einer guten Stunde den Ausgleich für den KSC, 1:1 lautete auch der Endstand im Wildpark. Und dann segelte ein letzter Ball in den Strafraum vor der Südkurve, Ivan Klasnic schoss den Ball von links nochmal in die Mitte und Marcus Marin sorgte mit seinem Ausgleichstreffer für eine Gefühlsexplosion am Millerntor, beschrieben unter anderem in der ebenfalls inzwischen legendären Reportage vom leider inzwischen verstorbenen Rainer Wulff.

Im Nachgang wäre das Drama natürlich gar nicht nötig gewesen – TeBe wurde die Lizenz verweigert, auch die Stuttgarter Kickers blieben drin. Dies wusste an jenem Tag aber natürlich noch niemand.

2000/01 – Der Abstiegskandidat Nr. 1 steigt auf!

Schon am 33. Spieltag war alles angerichtet, ein Heimsieg gegen Hannover 96 hätte den Aufstieg „so gut wie“ sicher gemacht, angesichts dann drei Punkten Vorsprung und der besseren Tordifferenz. Doch plötzlich führte Hannover 96 am Millerntor mit 2:0 und alles drohte zu scheitern. Holger Stanislawski und Ivan Klasnic sorgten in der zweiten Hälfte immerhin noch für den Ausgleich, doch damit musste am letzten Spieltag in Nürnberg ein Sieg her.

Auch hier ist der Rest Geschichte. Bei den bereits aufgestiegenen Franken war man mehr mit der Verabschiedung von Vereinslegende Andreas Köpke beschäftigt und den frühen Führungstreffer von Pavel David konnten Dubravko Kolinger und Deniz Barış noch zum 2:1-Auswärtssieg drehen, was neben dem Gästeblock im Frankenstadion auch das Heiligengeistfeld beim Public Viewing sehr erfreute.

Sidestep: Vorzeitiger Aufstieg 2007

Okay, passt hier eigentlich nicht rein, sei aber der Vollständigkeit halber erwähnt: 2007 machten wir den Aufstieg in die 2. Liga am vorletzten Spieltag rechnerisch klar, dafür reichte am Millerntor ein 2:2 gegen Dynamo Dresden.Der letzte Spieltag in Magdeburg war dann aber ein umso schöneres Schaulaufen, bei dem man dem FCM zusätzlich den eigenen Aufstieg zerstörte.

2014/15 – Klassenerhalt trotz Niederlage

In all den Jahren dazwischen war der FCSP zwar mehrfach auf- und abgestiegen, dies hatte sich aber (ebenso wie verpasste Aufstiege und gemeisterte Klassenerhalte) immer schon vor dem letzten Spieltag entschieden.

2015 jedoch sah es eigentlich schon nicht mehr so aus, als würde es noch Hoffnung geben. Nach dem 23. Spieltag und einem grausamen 0:0 gegen Erzgebirge Aue stand man mit nur 18 Punkten auf dem letzten Platz der 2. Liga. Doch ein kaum noch für möglich gehaltener Endspurt mit Siegen in Braunschweig, gegen Düsseldorf, Nürnberg, Leipzig und Bochum sowie einem 2:0 auf dem Betzenberg ließen den Glauben nicht nur zurückkehren, sondern sorgten auch dafür, dass am letzten Spieltag ein Sieg in Darmstadt zum Klassenerhalt gereicht hätte.

Artikelbild:„Kann“ der FC St. Pauli wichtige Spiele?

Dirk Schuster (Aufstieg) und Ewald Lienen (Klassenerhalt) – einfach mal glücklich sein. Im Hintergrund u.a. Philipp Tschauner und Oke Göttlich.

// (c) Alex Grimm / Bongarts / Getty Images via OneFootball

Das Problem: Darmstadt selbst hatte etwas dagegen und wollte an diesem Tag in die 1. Liga aufsteigen. Dies gelang mit einem 1:0-Sieg, doch da 1860 beim KSC verlor und Erzgebirge Aue in Heidenheim nicht über ein 2:2 hinaus kam, durfte am Ende in Darmstadt auch der Gästeblock jubeln.

Fazit

Wir können uns also beruhigt zurücklehnen und gegen Osnabrück abschenken. (*hüstel*)Denn wenn es drauf ankommt, ist der FC St. Pauli da und beweist am letzten Spieltag zuverlässig, zu was er in der Lage ist. Und wenn das mal nicht ganz reicht, wie an jenem Tag in Darmstadt, dann spielen eben die anderen für uns. Zumindest seit 1991 hat der FCSP am letzten Spieltag nicht mehr etwas aus der Hand gegeben, wenn es um Auf- oder Abstieg ging.

Verlassen wir uns also auf den 34. Spieltag und das Spiel beim SV Wehen Wiesbaden? Natürlich nicht. Ihr werdet aber einsehen, dass dieser Artikel viel zu viele schöne Geschichten beinhaltet, als dass ich ihn bei dem am Sonntag (oder schon Samstagabend) feststehenden Aufstieg einfach stillschweigend in den virtuellen Papierkorb hätte schieben können.Ach ja… auf dem Sofa aufgestiegen sind wir übrigens noch nie. 1977. (Update: Nach einem 1:0 am Samstag beim SC Herford gewann der Bonner SC am Sonntag gegen Arminia Bielefeld, welches uns damit nicht mehr einholen konnte.)

Auf geht’s, FC St. Pauli!// Maik

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