MillernTon
·20. Mai 2024
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Der FC St. Pauli holt erstmalig die Meisterschaft in der eingleisigen 2. Bundesliga. Ein Reisebericht aus dem Sonderzug über Titel, Feierlichkeiten und einfach mal glücklich sein.Titelfoto: Alex Grimm/Getty Images via OneFootball
Tim ist im wohlverdienten Urlaub, die Taktik-Analyse fällt aus. Die Highlights in der Sportschau (8min) sind hingegen verfügbar, einen Kurzbericht mit Stimmen von Irvine, Sinani und Hürzeler gibt es zusätzlich beim NDR (3min).
Es dürfte nicht wenige St. Pauli-Fans gegeben haben, die bei der Verkündung „Abfahrt nur ab Harburg, um 6.30h“ leicht mit den Augen gerollt haben. Als wäre frühes Aufstehen sonntags für Abfahrten in Altona nicht schon schlimm genug, ist eine derart frühe Anreise nach Harburg aufgrund einer Streckensperrung noch unangenehmer. Aber hey, Sonderzug ist ja auch nur ein… ähm… ein paar Mal im Jahr.
Gegen 6.00h war das Gleis 6 schon so gut gefüllt, wie hier vielleicht noch nie an einem Sonntag um diese Uhrzeit. Blöd nur: der Sonderzug war noch gar nicht da, um beladen zu werden, wie es eigentlich seit 5.30h geplant war, sondern stand aufgrund einer umfassenden Stellwerkstörung im Hamburger Süden noch in Buchholz.
Als er dann gegen 07.00h doch endlich eintraf, tat er dies zum Entsetzen der Partywagen-Orga auf Gleis 3. Nun mussten 800 Leute von Gleis 6 auf Gleis 3, also Treppe hoch, über die Brücke, Treppe runter. War herausfordernd, aber kein großes Problem. Sogar die Mitnahme der gesamten Partywagen-Vorräte für die 800 Leute klappte verhältnismäßig gut, wenn auch ein heftiger Platzregen diese etwas erschwerte. Außerdem kann eine gewisse Brauerei, die auch Partner des Vereins ist, sich in Sachen Qualität der Papp-Paletten mal den Flensburger Kontrahenten zum Vorbild nehmen, letztere kamen nämlich alle unversehrt und heile an. (Ja, die waren zusätzlich eingeschweißt, aus Umweltsicht also weniger gut.) Aber ein großes Dankeschön an alle helfenden Hände, dass das alles so reibungslos klappte und „Auf St. Pauli regeln wir das unter uns“ hier mal wieder praktisch wurde.
Nur gut eine Stunde später als geplant war man dann auch schon unterwegs. What happens in Sonderzug und so, aber der ein oder andere Gesang befasste sich auch mit dem Nachbarn oder der Kogge. Dies war aber im Rahmen und das Abfeiern des selbst Erreichten stand dann doch deutlich im Vordergrund. Für die meisten dürfte die Fahrt sowohl hin als auch zurück entspannt und (feucht)fröhlich gewesen sein. Dass das Awareness-Team trotzdem sowohl hier als auch im Stadion benötigt wurde, sei aber auch erwähnt. Dies wird sicher in den nächsten Tagen und der Sommerpause aufgearbeitet werden.
Die Übergabe der Meisterschale war ebenso Thema der Diskussionen wie die verschiedenen Meisterschafts- und Abstiegsszenarien. Am Ende kamen wir dann auch nur 45 Minuten verspätet (ca. 13.45h) an und mir blieb so immerhin noch Gelegenheit, die Szenarien auch mit Gunnar vom Stehblog zu besprechen, unserer regelmäßigen Quelle bei Spielerverpflichtungen vom SVWW (u.a. Kyereh, Dittgen und Medic) sowie Gesprächspartner im VdS/NdS-Format. Klarer Wunsch beider Seiten: nach dem Spiel sollen möglichst alle in diesem Stadion jubeln können.
Der Einlauf beider Teams vor dem Spiel.
Der Einlass war… wie formuliere ich es… zeitraubend! Zudem waren die Blöcke so voll, dass einige tatsächlich nicht mehr auf die eigenen Plätze kamen. In allen Stehplatzblöcken. Der Fanladen war bemüht, Abhilfe zu schaffen und vermittelte so die Erlaubnis, zumindest einzelne Personen auf den Sitzplatzbereich umleiten zu können.Die Schlamm/Pfützen-Situation nach dem Spiel im Umlauf war weniger schön – aber da sieht man mal wieder, wie sehr wir inzwischen an moderne Arenen gewöhnt sind, denn am alten Millerntor waren solche Zustände ja auch Standard. Die Toiletten-Situation wurde zudem vielfach kritisiert – ich habe mir einen Besuch der sanitären Anlagen verkneifen können und kann daher diesbezüglich keine Erfahrungswerte teilen.
Der Support war durchgehend lautstark und euphorisch. Spätestens nach dem Ausgleich war er dann auch so mitreißend, dass ein Siegtreffer nur eine Frage der Spielminute zu sein schien – und so kam es dann ja auch.
Elias Saad und Marcel Hartel fehlten erkältungsbedingt, Hartel war zumindest in zivil auf der Bank. Was für einen Charakter die Mannschaft hat, hatte Fabian Hürzeler in den letzten Wochen mehrfach betont – und auch in diesem Spiel zeigte sich früh, dass man keinerlei Interesse hatte, den letzten Spieltag abzuschenken und sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, wie Borussia Dortmund zu agieren. Auch das durchaus körperbetonte Angehen seitens des SVWW beeindruckte das Team nicht, spielerisch war man ohnehin über 90 Minuten deutlich überlegen.
Trotzdem stand es zur Pause 1:0 für die Gastgeber. Ein erneuter Eintrag in der Kategorie „Gegentor nach Ecke“, wie ich notieren musste. In Anbetracht dessen, dass gerade Standard-Situationen oft den Unterschied zwischen Teams der 1. und 2. Bundesliga ausmachen, dürfte hier auch in der Vorbereitung wieder ein Schwerpunkt liegen. Doch genug Regenwasser im Wein, denn der FC St. Pauli der Saison 2023/24 holte sich an diesem Tag den 20. Ligasieg und damit auch die Felge!
„Ausgerechnet“ Andreas Albers erzielte den Ausgleich. Im richtigen Moment gestartet, perfekter Moment des Passes von Jackson Irvine und dann eben im Stile eines Mittelstürmers den Torwart vernascht und ins kurze Ecke eingeschoben.Noch viel schöner aber der Torjubel, bei dem das gesamte Team Albers bejubelte, inklusive auch der gesamten gerade dort befindlichen Einwechselspieler. Der oft zitierte Teamgeist, der Zusammenhalt – hier zeigte er sich überdeutlich in allen Gesichtern. Bei einem Tor, welches für sich genommen ja noch gar nicht ausreichte.
Womit wir bei Story Nummer zwei wären: Danel Sinani schießt den FC St. Pauli zum ersten Titel im Profifußball! Auch hier eine komplette Gefühlsexplosion, dieses Mal auch optisch beim Torschützen, der sein Trikot so hoch in die Luft schmiss, dass es bei etwas mehr Wind auch direkt in die Kurve hätte segeln können. Sowohl für Albers als auch Sinani war es jeweils der erste Saisontreffer. (By the way: Schaut mal auf dem Foto, wie ein zur Halbzeit ausgewechselter Leihspieler sich im Hintergrund auf den Weg zum Torjubel macht…)Fast noch schöner: der kurz zuvor eingewechselte Scott Banks (erster Einsatz nach seinem Kreuzbandriss Anfang September in Braunschweig) leistete mit einer Kopfballablage die Vorarbeit, die Sinani dann volley und sehr sehenswert verwandelte.
Gefühlsexplosion. // (c) Alex Grimm/Getty Images via OneFootball
Apropos sehenswert: Der eröffnende Pass von Nikola Vasilj auf den linken Flügel und insbesondere die Ballannahme von Oladapo Afolayan im Vorfeld des Tores haben einen besonderen Platz im Vereinsmuseum verdient, wenn man mich fragt.
Der Vollständigkeit halber: Auch der Gästeblock erlebt eine Gefühlsexplosion. War man es zuletzt ja fast schon gewöhnt, Spiele zu gewinnen, so merkte man hier doch, wie viel dieser Titel auch auf den Rängen jeder einzelnen Person bedeutete. Ein kleiner, aber vielleicht wesentlicher Punkt, der zeigt, dass sich eine gewisse Mentalität für den unbedingten Erfolgswillen auch im Umfeld mehr und mehr durchsetzt.
Der Rest war Party. Zumal sich auch die Kunde verbreitete, dass der SC Paderborn offenbar einen großen Spaß am Partycrashen entwickelt hat und nach dem Heimsieg gegen den HSV in der Vorwoche nun auch beim FC Hansa Träume zerstörte und 2:1 führte. Durch die Unterbrechung in Rostock dauerte es zwar noch etwas, bis der SVWW-Anhang mitfeiern konnte, aber am Ende hatten sich die vor dem Spiel geäußerten Hoffnungen bestätigt und alle im Stadion konnten feiern.
Dem Team wurde dafür ein „Danke, dass Ihr immer da seid, morgen feiern wir mit Euch!“ Banner in die Hände gedrückt, welches dieses singend und tanzend vor die Kurve und über die aufgebaute Ordnerkette hinweg trug.What a time to be alive, FCSP!
Es folgte ein zweiter Platzsturm binnen weniger Tage, den man mit Rücksicht auf den SVWW vielleicht etwas später hätte beginnen können. Aber andererseits sind wir auch nicht für halbstündige Unterbrechungen durch Hansa-Fans verantwortlich und angesichts von nur noch drei Minuten Nachspielzeit und zwei benötigter Tore in Rostock, war die Wahrscheinlichkeit auch sehr gering, dass es für Wehen Wiesbaden noch hätte schief gehen können. Ob dies allen auf dem Rasen befindlichen Fans so bewusst war, weiß ich natürlich nicht – aber dies sind dann auch nicht die Momente für die Bedenken-Polizei, wenn man gerade erstmals in der Vereinsgeschichte einen Titel gewonnen hat. Darüber hinaus war das Verhalten zu jeder Zeit auf das Feiern des eigenen Teams gerichtet – und als das Erreichen der Relegation des SVWW dann feststand, wurde dieser positiv mit einbezogen.
Pünktlicher Start des Sonderzuges um minimal vor 19.10h, Ankunft Harburg nur leicht verspätet um etwa 0.45h – und hier endete dann zumindest für mich die Tour, während der Zug noch bis Altona weiterfuhr und dort erfolgreich entladen wurde. Ein großer Dank an das Partywagen-Orgateam und alle Fanclubs, die die Tresenschichten durchgeführt haben. Ein weiterer Dank an alle, die diesen Zug auf Hin- und Rückweg mit so viel positiver Energie gefüllt haben, sowie die Ordner*innen und das Awareness-Team. Besondere Grüße an Julian für die „Durchsagen, die man hofft nicht machen zu müssen“, die dieser so souverän und mit einem maximal zu hörenden inneren und verzweifelten Kopfschütteln vortrug, dass es zumindest allen nicht direkt Beteiligten doch ein Lächeln hervorzauberte.
Abschließend noch ein großes Dankeschön an das Team für den Aufstieg. Denn dieser bedeutet nebenbei auch, dass wir nächste Saison, wenn wir denn am 34. Spieltag ein Auswärtsspiel haben, den Zug schon am Samstag nutzen dürfen und ihn nicht wieder vom Vortag in nur notdürftig gereinigtem Zustand von einer anderen Fanszene übernehmen müssen.
Und jetzt noch ein paar Gesänge für den Hinterkopf auf dem Weg zur Demo und/oder dem Spielbudenplatz: „Der Meister kommt vom Millerntor – dudei, dudei…“ //„FC St. Pauli ist Meister – und Rostock steigt ab – dödöp, dödöp, döpöp, dödöp!“ //„St. Pauli hat die Bombe Schale – nana na nana!„
Schöne Sommerpause!// Maik
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