Cavanis Friseur
·28. Oktober 2022
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·28. Oktober 2022
In der dreiteiligen Serie zu den diesjährigen Toptalenten Südamerikas befassen wir uns mit insgesamt 15 extrem spannenden Spielern, die in diesem Jahr ihren Durchbruch in den Ligen Südamerikas feiern konnten – Fußballer, die einen schweren Weg hinter sich haben und eine vielversprechende Zukunft vor sich.
Wer ist der zukünftige beste brasilianische Dribbelkünstler? Welcher junge argentinische Zehner spielt besonders modernen Fußball? Und welcher uruguayische Mittelstürmer steht bereit, um schon bald in die Fußstapfen von Edinson Cavani zu treten? Hier erfahrt ihr es schon jetzt.
Der große Rio de la Plata, eine Meeresmündung des Atlantischen Ozeans, trennt zwei der größten Fußballstädte der Welt – Buenos Aires in Argentinien und Montevideo in Uruguay. Das kleine Land mit ca. 3,5 Millionen Einwohner ist einmalig in seiner Dichte von Talenten und seiner einhergehenden konsequenten Ausbildung.
Daniel Bramkamp hat sich zwei herausragende Spieler angeschaut, die genau die Positionen besetzten, für deren Weltklasse Ausbildung Uruguay bekannt ist – einen Mittelstürmer und einen Innenverteidiger. Argentinien steht dem selbstverständlich in nichts nach.
Obwohl die Liga aktuell den Anschluss an Brasilien, den Primus in Südamerika, verliert, ragten auch in diesem Jahr wieder hoffnungsvolle und hochtalentierte Talente heraus.
Traditionell ist die Fußballhauptstadt dieser Welt, Buenos Aires, mit seinen Topklubs die große Brutstädte der spannenden, junge Kicker des Landes. Doch spätestens seit Lionel Messi kennt jeder Fußballfan die nicht mal 300 Kilometer nördlich gelegene argentinische Stadt Rosario. Hier beginnt unsere Suche nach den fünf Newcomern des Jahres aus Argentinien und Uruguay
34 Spiele – 4 Tore – 2 Vorlagen – 2.072 Spielminuten
Es war nicht das Jahr von Rosario Central. Sowohl in der Anfang des Jahres ausgetragenen Copa de la Liga und dem regulären Ligensystem in der zweiten Jahreshälfte sprangen nur Platzierungen in der unteren Tabellenhälfte hervor.
Im Juni kam es dann zu einer rein namentlich spektakulären Trainerverpflichtung. Carlos Tevez durfte nur kurz nach seinem Karriereende erstmals ein Traineramt übernehmen. Die Entwicklung der Mannschaft ist seit der Amtsübernahme überschaubar. Am Ende belegte Rosario Platz 20 von 28.
Doch eine signifikante Änderung nahm der Coach vor. Er macht den erst 17-jährigen Facundo Buonanotte zum Stammspieler. Tevez förderte das Talent, das in der ersten Jahreshälfte nur zu Kurzeinsätzen kam.
Seit August spielte Buonanotte jedes Spiel von Beginn an und fast immer über 90 Minuten. Denn Tevez, Rosarios Fans und eigentlich das ganze Land fanden großen Gefallen am Talent des Youngsters.
Die Grundlagen seiner Stärke sind ein grandiosen Ballgefühl und eine ebenso gute Technik, die er in verschiedene Situation mit viel Spielintelligenz und Spielwitz einbringt. Schon jetzt ist der Teenager der Fixpunkt im Angriffsspiel von Central.
Dabei spielt es keine Rolle, ob er im zentralen offensiven Mittelfeld oder Rechtsaußen ins Spiel geht. Seine wesentlich erfahreneren Mitspieler suchen denn Mann aus Pérez aktiv. So hat der Jungspund fast 50 Ballaktionen pro Partie. Kein Wunder, denn Buonanotte ist extrem gefährlich im letzten Drittel.
Mit 2,5 erfolgreichen Dribblings pro Spiel und einer Erfolgsquote von 52% ist er der mit Abstand der beste seines Fachs im Kader von Rosario. Sogar ligaweit ragt er heraus. Nur vier Spieler in Argentinien weisen mehr erfolgreiche Dribbelaktionen pro Partie vor.
Darüber hinaus haben sein Selbstbewusstsein und die – im positiven Sinne – jugendlich anmutenden Unbekümmertheit einen positiven Effekt auf das Spiel von Central. Buonanotte hat Spaß am Spiel und einen großen Zug zum Tor. Durchschnittlich zweimal pro Ligabegegnung sucht er den Torabschluss.
Im Ligavergleich liegt er damit, in der von Mittelstürmern dominierten Statistik, in den Top 30. Zuletzt wurde sein Mut endlich belohnt. Gegen Meisterschaftsanwärter Atlético Tucumán fasst sich der 1,74 große Buonanotte ein Herz und zeigte seine großartige Schusstechnik, die wir in Zukunft sicher noch öfter zu sehen bekommen werden.
Die Qualität des Kreativspielers ist eindeutig. Was seine Leistungen zusätzlich aufwertet, ist die Tatsache, dass der Offensivakteur in einer kaum funktionierenden Mannschaft aufläuft.
Dennoch spielt Facundo Buonanotte frei und scheinbar unbeeindruckt von der Unsicherheit seiner Nebenleute auf. Die Ruhe und Sicherheit am Ball durch seine feine Technik sind schon jetzt auf einem sehr hohen Level.
Im Sommer klopfte bereits Premier League Klub Brighton an, die zuletzt vermehrt in Südamerika scouteten und ein gutes Auge bewiesen. Auch in diesem Fall ist das Gespür der Engländer zu loben. Denn der 17-jährige Facundo Buonanotte ist ein ganz besonderer Spieler.
Prognose: Champions-League-Niveau!
44 Spiele – 19 Tore – 7 Vorlagen – 3.697 Spielminuten (von Daniel Bramkamp)
Das Stürmer-Toptalent von River Plate Montevideo, da klingelt bei vielen Fans des südamerikanischen Fußballs etwas: Das ist doch dieser kleine Stürmer, dieser Matías Arezo, der vor einem Jahr in Granada unterschrieb.
Das ist natürlich nicht falsch, aber wenn heute ein junger Stürmer aus Rivers Jugend in Uruguays Vorauswahl für die WM steht, dann ist es nicht Arezo, es ist: Thiago Borbas, Jahrgang 2002, Torschützenkönig der uruguayischen Liga.
Borbas ist wie Arezo ein echtes Eigengewächs, seit der U14 spielt er bei den Darseneros aus Uruguays Hauptstadt. Während beim fast gleichaltrigen Arezo immer alles unglaublich schnell ging – schon mit 16 Jahren war er Stammspieler in der ersten Mannschaft – stand der sieben Monate ältere Borbas immer etwas in Arezos Schatten.
Als Borbas im September 2020 sein Debüt bei den Profis feierte, wurde er passenderweise für Arezo eingewechselt. Auch positionell musste Borbas zurückstehen: Während sein Kollege die Paradeposition im Sturmzentrum bekleiden dürfte, musste er meist als Rechtsaußen oder hängende Spitze die Laufarbeit erledigen. Borbas machte das gut und lieferte zuverlässig Scorerpunkte, doch herausragend waren seine Leistungen nicht.
Das änderte sich, als Arezo Anfang 2022 nach Spanien wechselte und den Platz im Sturmzentrum räumte. Rivers Trainer Chavo Díaz schenkte das Vertrauen nicht etwa dem erfahreneren Mauricio Affonso, sondern Borbas.
Eine Entscheidung, die er nicht bereuen musste. 18 Tore und 7 Assists später heißt der Torschützenkönig der uruguayischen Liga Thiago Borbas. Kein U23-Spieler in ganz Südamerika kommt 2022 auf ähnliche Zahlen.
Borbas zeigt dabei ein sehr komplettes Stürmerportfolio. Gegen den Ball arbeitet er hart und energisch, mit dem Ball ist er auf fast beliebige Weise anspielbar. Oft setzt er sich etwas nach außen oder hinten ab, um Gegenspieler herauszuziehen.
Dann dient er als Anspielstation sowohl für lange Bälle, die er mit seinem überragenden Kopfballspiel und seiner Wucht oft festmachen kann, oder für kurze Pässe, die er sicher verarbeiten kann. Generell ist sein Passspiel gut, eignet sich aber (ebenso wie sein eher raumgreifendes als filigranes Dribbling) eher für direkte Angriffe.
Sein Hauptaugenmerk gilt allerdings dem Lauf in die Tiefe. Mit seinem explosiven Antritt und seinem Riecher für Räume ist er in diesen Situationen schwer kontrollierbar, kein anderer Stürmer in Uruguay generiert so viele Tiefenläufe. Sein Torabschluss ist dabei makellos, meist schließt er relativ früh und so wuchtig wie platziert ab.
Wird der Gegner tiefer in den Strafraum gedrängt, zeichnet sich Borbas durch sein herausragendes Kopfballspiel und seine perfekte Körperbeherrschung aus. Egal ob per Kopf oder per Direktabnahme, Borbas verwertet fast jede sich bietende Gelegenheit und ist dabei ein echter Strafraumstürmer: Alle seine 18 Tore erzielte er aus dem Sechzehner.
Dabei ist Borbas auch in eine gut funktionierende Offensivstruktur eingebunden, die ihm das Leben deutlich erleichtert.
Der Zwischenlinienspieler Pablo López, der agile Flügelflitzer Matías Ocampo, der häufig eingewechselte Wühler Nicolás Sosa: Sie alle stiften Unruhe, damit am Ende Borbas in die Abschlussposition kommt.
Die Rolle von Borbas ist es dabei, als Anspielstation für lange Bälle zur Verfügung zu stehen, die Verteidiger zu binden und sich im richtigen Moment abzusetzen. Man könnte Borbas‘ Stil und den Fokus des Teams vielleicht mit Robert Lewandowskis beim FC Bayern vergleichen: Ein sehr starker Abschlussspieler mit hervorragender Körperbeherrschung, bei dem auch hinter den vielen „einfachen“ Toren oft mehr steckt als man auf den ersten Blick wahrnimmt – aber ein bisschen bleibt auch die Frage, wie es denn in einer weniger stark auf ihn ausgerichteten Offensive aussähe.
Die zahlreichen Tore von Thiago Borbas bleiben natürlich auch den größeren Klubs nicht verborgen. Jüngst waren Späher von Benfica Lissabon bei einem Spiel von River zugegen.
Nach allem, was man weiß, war der Gegenstand ihres Interesses Borbas. Sie sahen: Einen von Borbas herausgeholten und verwandelten Foulelfmeter, einen perfekten Steilpass fast aus dem Mittelkreis auf den Torschützen Ocampo, ein lockeres Finish aus dem Rückraum und einen 5:0-Auswärtssieg. Keine schlechte Visitenkarte.
Prognose: Europa-League-Niveau!
40 Spiele – 8 Tore – 2 Vorlagen – 2.331 Spielminuten
Noch spielt der bekannteste Mensch mit dem Namen Carlos Alcaraz Tennis. Das könnte sich aber in den nächsten Jahren ändern. Denn in der Mannschaft von Argentiniens Vize-Meister Racing aus Avellaneda kickt der gleichnamige Mittelfeldspieler – Carlos Jonás Alcaráz.
Mit 19 Jahren hat der Mann aus La Plata insgesamt bereits 68 Spiele als Profi absolviert. Schon im letzten Jahr zeigte das Talent sein Können. Unter Fernando Gago ging der Youngster jedoch wie im Grunde die ganze Mannschaft einen bedeutenden Entwicklungsschritt.
Der 1,83 Meter große Zentrumspieler wirkt in der argentinischen Liga Professional im ligainternen Vergleich eher großgewachsen, aber auch etwas schlaksig. Doch dieser Eindruck täuscht. Alcaráz ist extrem beweglich und pfeilschnell.
Die technisch herausragende Ballführung und Ballbehauptung machen ihn sehr wertvoll für die Spielidee von Fernando Gago. Mit viel Ballbesitz und einer entsprechend hohen Passfrequenz durch die schnelle Ballzirkulation, kann der Youngster seine Stärken sehr gut ins Spiel von Racing einbringen.
Mit 0,8 „key passes“ ist er einer der Spieler, die durchschnittlich die meisten Chancen kreieren.
Dazu ist Alcaráz einer Spieler der ständig eine Idee hat. Sein vielleicht wertvollstet Skill sind gefühlvolle Bälle hinter die Abwehrreihen. Mit diesen bedient er regelmäßig Racing Stürmer Enzo Copetti, der wiederum in seiner Spielweise als umtriebiger und wuchtiger Angreifer der perfekte Abnehmer ist.
Auch seine Torgefahr sticht heraus. So hat der junge Alcaráz die besten Werte der Liga, was die durchschnittlichen Tore pro Spiel betrifft (ohne Elfmetertore) und einen der besten xG-Wert des Landes unter den zentralen Mittelfeldspielern.
Seine Distanzschüsse führt er je nach Bedarf wuchtig, gefühlvoll oder aus einer Mischung von beidem aus. Ansehnlich wird dieses Gefühl für die richtige Schusstechnik anhand eines Freistoßes, den der Teenager Anfang des Jahres gegen Atlético Tucumán spektakulär verwandelte.
Coach Gago formte Alcaráz von einem offensiven Mittelfeldspieler zu einem Box-to-Box-Spieler. Die relativ klassische Zehn, die im südamerikanischen glücklicherweise immer noch in vielen Spielsystem von großen und kleinen Vereinen vertreten ist, entspricht nicht dem modernen Ansatz des Cheftrainers.
Die Stärken des dynamischen Alcaráz liegen eher in der Offensive. Dennoch nimmt er die Rolle des allgegenwertigen Mittelfeldmotors an, ohne dabei seine kreativen Elemente zu vernachlässigen.
Dieser durch Fernando Gago angestoßene Entwicklungsprozess bereitet Carlos Alcáraz schon jetzt hervorragend auf größere Aufgaben und eine Karriere in Europa vor.
Denn Gago ist trotz seines Standing als modernster Trainer in Argentinien gleichzeitig ein Disziplinfanatiker. So gab es Anfang Oktober Aufregung um eine Nicht-Nominierung von “Charly” Alcaráz für das Spiel gegen Defensa y Justicia.
Angeblich soll das Juwel durch den wöchentlichen Fitnesstest gefallen sein, weill er 500 Gramm zu viel auf die Waage brachte. Auch diese Erziehungsmaßnahme kann Alcaráz am Ende nur helfen. In den anschließenden Wochen stand er wie gewohnt im Kader und auf dem Feld.
Prognose: Champions-League-Niveau!
29 Spiele – 4 Tore – 2 Vorlagen – 1.462 Spielminuten
Die Boca Juniors sind argentinische Meister 2022. In einem Herzschlagfinale sicherte man sich mit paralleler Hilfe von Erzfeind River Plate den nächsten Titel der langen Historie.
Ein Spieler, der dabei nur zuschauen durfte, ist Exequiel Zeballos. Der 20-Jährige riss sich Anfang August in der Copa Argentina gegen Zweitligist Argentino Agropecuario das Syndesmoseband an. Das beendete seine Saison leider vorzeitig.
Bis dahin war der Dribbelmeister der große Lichtblick in der Bombonera. Denn trotz der Meisterschaft überzeugte Boca rein spielerisch eher selten.
Die „Xeneizes“ traten stets mit einem Selbstverständnis und einer bemerkenswerten Mentalität auf, sodass man förmlich spürte wie die Gegner nach und nach einknickten. Darüber hinaus ist die Qualität des Kaders insgesamt sehr gut.
Für viele spielerische Elemente gab es in dieser Spielzeit dennoch kaum Platz in La Boca. Die Genialität und Spielfreude von Exequiel Zeballos stach deutlich heraus. Mit technischer Brillanz und einer großartigen Ballführung auch im Vollsprint haben alle Verteidiger des Kontinents Probleme mit dem leichtfüßigen Zeballos.
In der Liga gewann das Toptalent unglaubliche 72% seiner Dribblings. Zeballos macht Spaß! Auch auf engstem Raum lässt der Künstler die gegnerischen Abwehrspieler, mit Hilfe von kleinen Finten und effektiven Tricks, reihenweise stehen.
Der in Santiago del Estero geborenen Profi trifft des Weiteren auch in Abschlusssituation sehr oft die richtige Entscheidung. Zeballos weiß instinktiv, in welchen Situationen er seine Mitspieler anspielt und wann er selbst den Torabschluss sucht.
Die positive Bewertung dieser Spielintelligenz kommt bei spektakulären Spielern wie Zeballos in der Regel zu kurz. Zu sehr ziehen sie die Aufmerksamkeit mit ihrer Spielweise auf ihre sehenswerten Einzelaktionen.
Doch ohne das richtige Spielverständnis sind auch die feinsten Techniker nur durchschnittliche Fußballspieler. Zeballos versteht es auf eindrucksvolle Weise seine Kreativität am Ball in den geeigneten Situationen einzusetzen.
„Schlitzohr“ – eine eher altertümlich anmutende Beschreibung für besondere Spieler. Doch Bocas aufregendes Talent wird dieser Einordnung gerecht.
So überraschte das Talent Anfang des Jahres in einem Vorbereitungsturnier mit einem Freistoß von der linken Seite, der mutmaßlich nur als Flanke in den Strafraum gelangen konnte.
„Changuito“ zog den Freistoß gewollt etwas länger, sodass sich der Ball über Freund und Feind in die hintere rechte Ecke senkte. Kein Zufall, sondern eine gewollte und perfekt ausgeführte Aktion.
Diese Überraschungsmomente machen ihn zu einem interessantere, talentierteren und am Ende besseren Fußballspieler als seinen Mitspieler und Konkurrenten Luca Langoni. Der Angreifer profitierte von Zeballos Verletzung. Spielte, traf und hatte großen Anteil an der Meisterschaft der Boca Juniros.
Sollten beide Spieler im nächsten Jahr gemeinsam in der Bombonera auflaufen, könnte sich die Spielweise von Boca ändern, sodass der Fußball im Hafenviertel nicht nur effektiv und erfolgreich, sondern endlich wieder auch ansehnlich ist. Dann sollte perspektivisch auch im internationeln Geschäft wieder mehr möglich sein – dank Zeballos.
Prognose: Europa-League bis Champions-League Niveau!
24 Spiele – 2 Tore – 2 Vorlagen – 1.796 Spielminuten (von Daniel Bramkamp)
Defensor Sporting ist eine oft unterschätzte Talentschmiede des südamerikanischen Fußballs. Bei der WM 2018 hatten weltweit nur vier Klubs mehr Spieler ausgebildet als die Violetten aus Montevideo.
Allerdings gehören momentan nicht unbedingt die Stars aus der ersten Reihe zu den Absolventen der Jugendakademie. Das könnte sich bald ändern: Der 18-jährige Innenverteidiger Alan Matturro bringt das Rüstzeug für die Weltspitze mit. Er besticht mit Technik, Spielintelligenz und überragenden körperlichen Anlagen.
Auffällig an Matturro, der im Oktober 2022 seinen 18. Geburtstag feierte, ist zunächst seine Physis: 1,89 Meter ist er groß, das meiste davon besteht aus Muskulatur. Doch Matturro ist nicht nur eine Maschine – auf den Zetteln der ganz großen Klubs steht er vor allem wegen seiner Technik, Spielintelligenz und Geschwindigkeit.
Bei eigenem Ballbesitz besticht er vor allem durch seine intelligenten Dribblings, mit denen er gegnerische Pressinglinien in Verlegenheit bringt. Mit seiner guten Technik treibt er den Ball oft voran und wählt dann intelligente Passwinkel – sowohl in einer Dreierkette als auch, dann etwas konservativer, in einer Viererkette.
Häufig wählt Matturro auch ambitionierte lange Pässe, die zwar noch eine gewisse Streuung aufweisen, aber von einer hervorragenden Spielübersicht zeugen.
In der Defensive zeichnet sich Matturro durch ein enges Deckungsverhalten aus, mit dem er seine physische Überlegenheit ausspielen möchte. Insgesamt ist Matturro defensiv sehr präsent und kann an guten Tagen auch Gegenspieler von der Klasse eines Luis Suárez komplett abmelden – so geschehen beim jüngsten 1:1 vs. Nacional.
Sein Stellungsspiel in der Abwehrkette ist gut, wobei er tendenziell eher aggressiv verteidigt und den ballführenden Gegenspieler bedrängt, sobald sich eine Möglichkeit bietet.
Steht die Abwehr tief dauerhaft unter Druck, zeigen sich gelegentlich noch Schwächen in der Konzentration und Entscheidungsfindung. Dabei scheint er sich in einer Viererkette etwas wohler zu fühlen als in einer Dreierkette.
Sehr stark ist Matturro in Umschaltsituationen. Sein Mut, seine langen Beine, seine für einen Verteidiger hervorragende Ballführung und seine Spielübersicht ermöglichen es ihm oft, dem Gegner nicht nur den Ball schnell wieder abzunehmen, sondern auch den Ball dann zu kontrollieren und/oder direkt nach vorne zu spielen.
So löst er oft Situationen auf, in denen andere Innenverteidiger überfordert wären. Und geht mal etwas schief, verfügt er über eine bemerkenswerte (End-)Geschwindigkeit. Alles Kriterien, auf die besonders die Klubs der Weltelite achten.
Zu den verbesserungswürdigen Punkten gehört sein Kopfballspiel, insbesondere seine Präsenz bei Standards. Sowohl defensiv wie offensiv ist Matturro hier trotz seiner körperlichen Überlegenheit bislang nicht herausragend. Auch wenn er mal an den Ball kommt, wirkt seine Kopfballtechnik eher durchschnittlich.
Hier besteht noch erheblich Luft nach oben, seine starken physischen Voraussetzungen noch besser nutzen zu können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich das Niveau seiner Gegner: In der uruguayischen Liga ist das Spiel lange nicht so schnell wie in den großen europäischen Ligen, und insbesondere das gegnerische Pressing ist oft eher unkoordiniert oder zumindest passiv.
Bemerkenswert ist dennoch die Selbstverständlichkeit und Konstanz, mit der Matturro seine Leistungen abruft. Wer ein Spiel Defensors beobachtet, käme niemals auf die Idee, dass dieser Modellathlet mit dem großen Selbstvertrauen noch keine 30 Profispiele absolviert hat.
Dabei hatte Matturro wirklich keine leichte Zeit, seitdem er Anfang 2021 in den Profikader befördert wurde. Zunächst verletzte er sich langwierig, dann starb seine Mutter an einer Corona-Infektion. Erst Ende 2021 durfte er in der 2. Liga sein Profidebüt feiern.
Trotz der Verletzungsprobleme war er der drittjüngste Debütant der Vereinsgeschichte – und spielte direkt eine entscheidende Rolle in Defensors Schlussspurt, der noch zum Aufstieg reichen sollte.
Nach dem Aufstieg wurde das Pflaster wieder rauer. Defensor begann die Saison nicht gut, Matturro hatte erneut Verletzungsprobleme und musste hinter dem starken Innenverteidigerduo Rocha/Mallo zurückstehen.
Doch als Defensor zunächst einen neuen Trainer bekam und sich dann Matías Rocha verletzte, schlug Matturros Stunde. Seit Juli 2022 steht er fast durchgehend in der Startformation und rechtfertigt dies mit starken Leistungen.
Es ist davon auszugehen, dass er in seinen nur 30 Profieinsätzen – sowie natürlich den Einsätzen in der Jugendnationalmannschaft – viele Scouts der großen Klubs bereits von sich überzeugt hat.
Vermutlich wird er seinen Heimatklub Defensor daher bald verlassen. Ein besonders heißer Kandidat ist laut Medienberichten Ajax Amsterdam.
Das könnte ein perfektes Match sein: Matturro wird etwas Zeit benötigen, sich an den technisch saubereren europäischen Fußball zu gewöhnen und so an sich zu arbeiten, dass er seine physischen Vorteile perfekt ausspielen kann. Aber mit etwas Feinschliff steht Defensors Toptalent die Welt offen.
Prognose: Champions-League-Niveau!
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