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·9. August 2023
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·9. August 2023
Aitana Bonmatí ist aktuell die wohl beste Mittelfeldspielerin der Welt. Bei der WM glänzt sie in ihrer neuen Rolle als Anführerin und Ankurblerin mit Übersicht, Torgefahr und Technik. Bonmatí hat nicht die Kapitänsbinde am Arm, aber sie ist auch so das Herz des spanischen Teams.
Aitana Bonmatí kommt an den Ball, vier Gegenspielerinnen und die Torhüterin vor ihr. Bonmatí lässt sich davon nicht beirren, zieht nach rechts, eine Drehung, sie legt sich den Ball auf den linken Fuß, Schuss, Tor. 3:1 für Spanien im Achtelfinale gegen die Schweiz, das Spiel ist entschieden. Die Szene ist charakteristisch für den Spielstil von Bonmatí: die Ballkontrolle, die Ruhe, die Torgefahr.
Auch neben dem Tor war es eine herausragende Leistung von Bonmatí, die endgültig zum Dreh- und Angelpunkt dieses spanischen Teams avanciert ist. Drehpunkt, das passt auch gut, weil Bonmatí sich mit dem Ball so unglaublich geschmeidig bewegt. Schon als Jugendliche wurde ihr eine unglaubliche Eleganz bescheinigt.
Wie schon bei den anderen WM-Spielen wurden nach dem Achtelfinale viele "Aitana Bonmatí ballon d'or"-Rufe laut. Nach einer starken Saison für Barcelona inklusive Auszeichnung als beste Champions-League-Spielerin ist die 25-Jährige erste Anwärterin auf die prestigeträchtige Trophäe, bei der WM hat sie diesen Status nochmal untermauert.
Bonmatí weiß, wie wichtig diese WM für ihre Karriere sein könnte, denn ihre Anwesenheit in Australien ist nicht selbstverständlich. Sie war Teil von Las 15, der Gruppe von Spielerinnen, die im letzten Herbst zurücktraten, um gegen die Bedingungen beim Nationalteam und den umstrittenen Trainer Jorge Vilda zu protestieren.
Aber die genauen Forderungen der Gruppe waren nicht klar, gemeinsame Verhandlungen mit dem Verband liefen ins Leere. Die Perspektive fehlte: Wenn selbst der Ausfall von 15 der besten Spielerinnen den Verband nicht dazu bringt, die nötigen Veränderungen durchzuführen, wie soll es dann weitergehen?
So entschied sich Bonmatí, gemeinsam mit Ona Battle und Mariona Caldentey, zurückzukehren - obwohl die Ziele des Protests nicht erreicht wurden. Dafür musste die 25-Jährige viel Kritik einstecken, denn ihre Mitspielerinnen Mapi Leon und Patri Guijarro entschieden sich, selbst die WM für den Protest zu opfern. Hätte Bonmatí, die aktuell beste Spielerin des Teams, gefehlt, dann wäre es nochmal ein ganz anderes Zeichen gewesen.
Sie verteidigte ihre Entscheidung in einem Text auf The Players' Tribune: Bonmatí erklärte, dass sie sich persönlich mit dem Verband getroffen habe und ihr bestimmte Veränderungen für die Zukunft zugesichert wurden. Und sie erzählte, wie schwierig der Streik für sie und die anderen war: Ein Verzicht auf sehr viel Geld und Anerkennung, ohne viel Aussicht auf Erfolg. "You get killed in the press", schreibt sie über das Medienecho in Spanien. Bonmatí ist es kaum zu verübeln, dass sie die WM spielt, mit 25 ist sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und hat gerade die beste Saison ihres Lebens hinter sich.
Bonmatí ist eine typische Barça-Spielerin. Ihre Vorbilder? Xavi und Iniesta. Ihre Ausbildung? In La Masia. Ihre Stärken? Ballbehandlung, Übersicht, Passspiel. Bonmatí ist in der katalanischen Stadt Vilanova i la Geltrú aufgewachsen und schloss sich mit 13 Jahren Barcelona an. Ihr Talent war früh zu erkennen, sie spielte in allen Jugend-Nationalteams von Spanien und war oft Kapitänin und beste Spielerin.
Fast hätte Bonmatí als Jugendliche ihren Herzensklub in Richtung USA verlassen: Zu gering schienen ihr die Chancen, es ins erste Team zu schaffen und vor allem, dort professionell Fußball zu spielen. Heute ist Barça Femini für die Rekorde im Camp Nou und die unglaubliche Begeisterung der Fans bekannt, vor nicht allzu langer Zeit spielten sie aber noch auf Parkplätzen und miserablem Rasen. Für Bonmatí kam die Professionalisierung des ersten Teams genau zum richtigen Zeitpunkt, sodass sie in Spanien blieb.
Es wurde eine Barça-Karriere wie aus dem Bilderbuch, die mit dem Champions-League-Finale 2021 gekrönt wurde. Barcelona gewann mit dem dominanten 4:1 gegen Chelsea zum ersten Mal das Turnier, angeführt von einer überragenden Aitana Bonmatí, die zur Spielerin des Spiels gekürt wurde. Mit 23 Jahren stand Bonmatí ganz oben - und dennoch ein wenig im Schatten einer zweiten überragenden Mittelfeldspielerin: Alexia Putellas.
Alexia Putellas überstrahlte lange alles - jetzt konkurriert sie mit Bonmatí um einen Stammplatz / Buda Mendes/GettyImages
Alexia Putellas, meist nur "La Reina" - die Königin - genannt, ist der Kopf hinter Barcelonas rasantem Aufstieg in die Weltspitze und auf den Fußball-Olymp. Ihre Rolle als Nummer 10 interpretierte sie in den Saisons 2020/21 und 2021/22 so genial, dass sie zweimal als Weltfußballerin ausgezeichnet wurde. Mit ihrer Torgefahr, Spielintelligenz und Technik wurde sie schnell zum Star und Gesicht des Teams.
Bonmatí spielte meist etwas hinter ihr, auf der Achterposition. Obwohl sie mit 1,62 recht klein ist, kann Bonmatí sich im Mittelfeld durchaus behaupten und arbeitet defensiv viel. An ihrer Physis hat sie sehr gearbeitet, besonders nach Barças traumatischer Niederlage im Champions-League-Finale 2019 gegen Lyon, wo sie chancenlos unterlagen. Bonmatí und Alexia Putellas harmonierten im Mittelfeld sehr gut und Bonmatí, in der Rolle der Schülerin, war offensiv etwas weniger involviert, aber glänzte mit Pässen in die Schnittstelle.
Dann kam zun unglücklichsten Zeitpunkt, der EM 2022, der Kreuzbandriss von Alexia Putellas, der alles veränderte. Barcelonas Mittelfeld musste sich umstellen, und Bonmatí nahm eine offensivere Rolle ein - früher Alexias Rolle. Sie machte ihre Sache exzellent, mit ähnlichen Qualitäten wie ihre verletzte Teamkollegin: Brillante Technik und Ballbehandlung in engen Räumen, Übersicht, präziser Schuss. Was Bonmatí aber auch auszeichnet, sind ihre Läufe in den offenen Raum, mit denen sie sich ständig in gefährliche Positionen bringt.
Jetzt ist Alexia von ihrer Verletzung zurück, aber noch nicht in Top-Form. Für Jorge Vilda ist es eine schwierige Entscheidung: Die beiden Spielerinnen sind sich sehr ähnlich, was ein Vorteil sein kann, denn sie verstehen sich blind. Gegen Japan funktionierte das Zusammenspiel aber gar nicht, zu oft wollten beide in denselben Raum laufen und standen zu nah beieinander.
Gegen die Schweiz saß Alexia, eigentlich Star des Teams, also auf der Bank, und Bonmatí lieferte in der Startelf eine Glanzleistung ab. Besonders ihr Zusammenspiel mit Alba Redondo in der Sturmspitze funktionierte perfekt und gab Jorge Vilda wenig Anlass, etwas zu ändern. Ob diese Konkurrenz langfristig zu Spannungen führt, wird sich zeigen - aktuell blüht Bonmatí in ihrer Rolle aber voll auf.
Bonmatí war aber auch schon in den vorherigen Spielen klar die Anführerin auf dem Platz, sie setzt das Tempo und leitet ihre Mitspielerinnen an. Von Jorge Vilda, so berichtet es das spanische Medium Relevo, fühlen sich die Spielerinnen auf dem Platz teils alleingelassen, besonders bei dem herben 0:4 gegen Japan. Bonmatí treibt ihre Mitspielerinnen dagegen immer wieder an, gibt dem spanischen Spiel Struktur. Nach dem Achtelfinale gegen Spanien sagte sie: "Ich habe versucht, manchmal nach vorne zu gehen, manchmal das Spiel zu verlangsamen, das war vor allem wichtig."
Bonmatí ist aber auch neben dem Platz längst aus ihrer Rolle als Schülerin von Alexia Putellas herausgewachsen. Sie stellt sich nach den Spielen den Fragen der Medien, während La Reina bisher immer schweigt.
Und sie setzt sich mit ihrer Stimme für vieles ein: Bonmatí engagiert sich bei einem UN-Programm für Flüchtlinge, das ihnen hilft, sich durch Fußballtraining zu integrieren. Sie setzt sich stark für Frauenrechte und bessere Bedingungen im Fußball ein, das Engagement wurde ihr in die Wiege gelegt: Ihre Eltern setzten sich dafür ein, dass sie den Nachnamen ihrer Mutter - Bonmatí - an erster Stelle tragen kann, was vorher nicht möglich war. Auch ohne die Kapitänsbinde am Arm ist sie längst die wahre Anführerin des spanischen Teams.