OneFootball
Annika Becker·11. April 2023
In partnership with
Yahoo sportsOneFootball
Annika Becker·11. April 2023
Um 18:00 Uhr trifft die deutsche Nationalelf im Max-Morlock-Stadion in Nürnberg auf Brasilien, über 30.000 Zuschauer*innen werden erwartet. Was sportlich die Vorbereitung auf Kolumbien in der Gruppenphase der WM sein soll, ist gleichzeitig der Abschied von einer der besten Fußballerinnen sein, die je für Deutschland gespielt haben. Denn Dzsenifer Marozsán beendet nach ihrem dann 112. Länderspiel ihre internationale Karriere.
Sie möchte eigentlich nicht so sehr im Vordergrund stehen, das sagte Dzsenifer Marozsán vor ihrem letzten Spiel für das deutsche Nationalteam. Vielleicht liegt es auch daran, dass die 30-jährige in ihrer Karriere immer dann am besten war, wenn sie ihre Mitspielerinnen in den Mittelpunkt stellen konnte, sei es durch einen Schnittstellenpass oder einen Lauf, der anderen Wege öffnet.
Sie selbst ist technisch am Ball so versiert wie kaum eine Zweite ihrer Generation, zurückgeworfen wurde sie in ihrer Karriere allerdings immer wieder durch Verletzungen. So auch im letzten Jahr durch einen Kreuzbandriss auf dem Weg zur EM.
Schon vor ihrem Abschied kommt die Deutsch-Ungarin allerdings ums Rampenlicht nicht herum, zu herzlich sind die Worte ihrer Mitspielerinnen, zu schwärmend und melancholisch die Beiträge auch in der internationalen Presse über sie, die den Fußball ganz leicht aussehen lassen kann. Sie, die noch eine ganz andere Karriere hätte haben können, wenn nur die Gesundheit mitgespielt hätte. Nach einer doppelseitigen Lungenembolie im Jahr 2018 verschob sich ihr Blick auf das Leben und den Sport.
„Wenn man in solch einer Situation ist, merkt man erst, wie wichtig es ist, jeden Tag zu genießen, denn es kann jeden Tag etwas Schlimmes passieren. Also bin ich jetzt ganz ruhig. Wenn ich eine kleine Verletzung erleide, sage ich mir: Es gibt viele schlimmere Dinge. Bleib ruhig und es wird dir bald wieder besser gehen. Jetzt genieße ich einfach jeden Moment“, sagte sie dazu im Jahr 2019. Und sehr zufrieden mit ihrer bisherigen Karriere ist sie auch, wie sie vor ihrem Abschiedsspiel sagte: „Es hat sich deutlich mehr erfüllt, als ich erwartet habe.“
Für Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kam der Rücktritt Dzsenifer Marozsáns vor einigen Wochen überraschend, aber es ist müßig zu spekulieren, wie sehr die offensive Mittelfeldspielerin bei ihr mit Blick auf die WM eingeplant war. Sie hätte Deutschland eine fehlende Qualität wieder zurückgeben können: Spielerische Kreativität und Genauigkeit, wenn gegen tief stehende Gegnerinnen das Pressing und die Flanken allein nicht ausreichen.
Klar ist aber: Ihr genesenes Knie zwickt. Und sie möchte so lange Fußball spielen wie nur irgendwie möglich, dafür muss sie aber die Belastung insgesamt reduzieren. Unklar ist hingegen, bei welchem Verein es für sie ab Sommer weitergehen soll, es gebe Gespräche mit Lyon, aber auch mit anderen Klubs, so Marozsán.
In der Startelf gegen Brasilien stehen wird sie allerdings nicht, stattdessen soll sie im Laufe der zweiten Hälfte eingewechselt werden und dann nach dem Spiel eine Ehrenrunde bekommen. Außerdem, so verriet Lina Magull, habe das Team eine Überraschung für die ehemalige Kapitänin vorbereitet.
Vorher soll aber das Spiel im Vordergrund stehen, fehlen werden der Bundestrainerin dabei die frühzeitig abgereiste Marina Hegering, Nicole Anyomi (Fußverletzung) und Merle Frohms (Rückenprobleme), ganz so einspielen wie gewünscht kann ihr Team sich also nicht.
Eine andere Große dieses Sports fehlt Brasiliens Trainerin Pia Sundhage in dieser Länderspielpause, obwohl sie eigentlich dieses Jahr im Verein ihr Comeback nach langer Verletzungspause gegeben hatte: Marta (37, Orlando Pride) – mit 17 Treffern die beste WM-Torschützin aller Zeiten – ist genauso wie Debinha (31, KC Current) wegen einer kurzfristigen Verletzung nicht im Kader, Ludmila (28, Atlético Madrid) fällt mit einem Kreuzbandriss aus.
Im neu geschaffenen Finalissima, bei dem EM-Siegerinnen auf Copa-América-Siegerinnen treffen, zwang Brasilien die Engländerinnen ins Elfmeterschießen. Ella Toone hatte England in der 23. Minute in Führung gebracht, aber Andressa Alves erzielte am Ende der Nachspielzeit (90.+3) den Ausgleich, nachdem Welttorhüterin Mary Earps ein Fehler unterlaufen war. Im Elfmeterschießen setzten sich dann allerdings die Lionesses durch, sie gewannen mit 4:2.
Den Brasilianerinnen war trotzdem etwas gelungen, dass es schon länger nicht mehr zu sehen gab, denn England hatte in der zweiten Halbzeit zwischenzeitlich richtige Probleme. Pia Sundhages Seleção war untypisch mit einem 5-3-2 statt dem üblichen 4-4-2 ins Spiel gestartet, die Schwedin wollte ihr Gegenüber Sarina Wiegman überraschen.
Das gelang ihr zwar auch, allerdings schwächte Brasilien sich dadurch im Prinzip selbst, deswegen gab es nach der Pause die Umstellung aufs gewohnte System und infolgedessen ein sehr hohes und aggressives Pressing, aus welchem die Engländerinnen sich jetzt nur noch schwer befreien konnten, sie machten untypisch viele Fehler.
Unter Sundhage konnten die Brasilianerinnen in der letzten Zeit einige achtbare Ergebnisse einfahren, so zum Beispiel Siege gegen Kanada, Norwegen und Japan und eine nur sehr knappe Niederlage gegen die USA, es hat allerdings gedauert, bis Sundhages Arbeit sich so richtig bemerkbar machte. Das liegt auch daran, dass die Schwedin einerseits einen Generationenwechsel moderieren und viele junge Spielerinnen entwickeln muss. Dazu gehört zum Beispiel die 20-jährige Lauren von Madrid CFF.
Andererseits war die Entwicklung im Hintergrund vor ihrem Amtsantritt 2019 ins Stocken geraten und es gibt erst seitdem wieder ernsthafte Bemühungen, zum Beispiel um den Ausbau der Jugendteams und die Stärkung der eigenen Liga. Für Deutschland stellt die Seleção auf dem Weg zur WM einen echten Härtetest dar – wiedersehen könnten sich beide dort recht früh. Dann nämlich, wenn Deutschland (Gruppe H) und Brasilien (Gruppe F) ins Achtelfinale einziehen, aber nicht auf dem gleichen Tabellenplatz in der Gruppe.
Deutschland gegen Brasilien wird um 18:00 Uhr angepfiffen, die ARD überträgt ab 17:45 Uhr im Fernsehen und im Livestream der Mediathek.
Live
Live