50 Jahre Frauenfußball: Die Geschichte in Bochum | OneFootball

50 Jahre Frauenfußball: Die Geschichte in Bochum | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: VfL Bochum 1848

VfL Bochum 1848

·29. Oktober 2020

50 Jahre Frauenfußball: Die Geschichte in Bochum

Artikelbild:50 Jahre Frauenfußball: Die Geschichte in Bochum

Am 31. Oktober 1970 traf der Deutsche Fußball-Bund eine weitreichende wie überfällige Entscheidung und kippte ein selbst ausgesprochenes Verbot aus dem Jahre 1955, nur ein Jahr nach dem WM-Triumph der Männer beim Wunder von Bern: Der Frauenfußball wurde offiziell wieder legalisiert, auch weil befürchtet wurde, die Damen würden sich in einem eigenen Verband selbst organisieren. Seither hat sich einiges getan, am 31. Oktober 2020 feiert der Frauenfußball hierzulande sein 50. Jubiläum. Und wie es der Zufall will, steht der Frauenmannschaft des VfL Bochum 1848 genau an diesem Tag, gute zehn Jahren nach der Übernahme der Abteilung des TuS Harpen, das bisher größte Spiel der Historie gegen den VfL Wolfsburg bevor. Wir haben uns vor dem Highlight mit dem Frauenfußball-Koordinatoren-Duo Willi Wernick und Regina Müller über die Entwicklung des Frauenfußballs in Bochum und beim VfL unterhalten.

Die Anfänge

Zunächst ein geschichtlicher Exkurs: In Bochum dauerte es nach der Erlaubnis des DFB nicht lange, ehe der Ball auch bei den Frauen rollte – auch wenn es Auflagen gab. Keine Stollenschuhe, reduzierte Spielzeit, kleinere Bälle, lange Winterpause wegen der vermeintlich „schwächeren Natur“. Schon zuvor wurden einige Partien zwischen Firmenmannschaften ausgetragen, die Aufhebung des Verbots brachte den Stein endgültig ins Rollen. Obwohl sich die Suche nach einem Verein, der ein Frauenteam aufnehmen wollte, als schwierig erwies, gab die Bochumerin Wilma Ratajczak, Gründerin der ersten Frauenmannschaft der Stadt, nicht auf und wurde schließlich nach etlichen Absagen belohnt – der TuS Harpen, allen voran der damalige Vorsitzende Manfred Ackermann, sagte zu. Auch die Anfänge waren von Widerständen geprägt. Zunächst gab es nur zwei Mannschaften in Bochum, die wenigen Zuschauer wollten sich eher belustigen lassen als tatsächlich Fußball schauen. Doch die Frauen ließen sich nicht mehr aufhalten, im Jahr 1972 waren es immerhin schon vier Mannschaften, die nun einen kleinen, regelmäßigen Spielbetrieb aufnehmen konnten. Für Willi Wernick spielte Ratajczak eine bedeutende Rolle: „Sie und ihre Mannschaft haben damals großen Mut bewiesen, denn es wurde ihnen nicht einfach gemacht – im Gegenteil. Daher kann man diese Pionierarbeit gar nicht hoch genug einschätzen.“


OneFootball Videos


Die Professionalisierung beginnt

Wernick selbst war zu diesem Zeitpunkt noch als Jugendtrainer in Harpen aktiv, bereits mit 15 Jahren startete er Ende der 1960er Jahre an der Seitenlinie und hielt dem Verein mit einer anderthalbjährigen Ausnahme die Treue. Er trainierte außer der Jugend bis 1988 die Herren des TuS, war im Vorstand aktiv und zudem Trainer der Kreisauswahl im Jugendbereich – wo er keinen Geringeren als VfL-Geschäftsführer Sport Sebastian Schindzielorz berufen konnte. Dann folgte der Wechsel in den Frauenfußball und das Traineramt beim TuS – den er im Jahre 1998 in die damals drittklassige Verbandsliga führte. Die Entwicklung der Frauenabteilung ging schon in den Jahren zuvor steil nach oben, in den 1980er Jahren gelangen drei Aufstiege, eine zweite Mannschaft wurde gegründet und die Frauen waren ins Vereinsleben integriert. Wernick: „Es war eine sehr schöne Phase für uns alle, das Niveau wurde besser und besser. In Harpen haben herausragende Persönlichkeiten wie Martina Scholz, Tanja Simon und Christa Lange tolle Arbeit geleistet. Auch großartige Spielerinnen wie die spätere Europameisterin Petra Landers, die türkische Nationalspielerin Fatma Kara oder die hochdekorierte Annike Krahn starteten bei uns ihre Weltkarrieren. In Tanja Schulte hatten wir auch eine spätere Bundesliga-Trainerin in unseren Reihen. Ich blicke gerne zurück.“

Und auch Regina Müller war mit von der Partie und erlebte den Aufschwung nicht nur, sondern gestaltete ihn auch mit. Zunächst als Torhüterin unter Coach Wernick, später als Co- und Torwarttrainerin. Wernick und Müller sind seit Ewigkeiten ein eingespieltes Team, doch die positive Entwicklung der Frauenabteilung brachte auch Probleme mit sich. Müller: „Das Niveau in Harpen wurde immer besser, alles wurde professioneller und die Infrastruktur war nicht mehr ausreichend. In Mirja Kothe konnte wir sogar eine Bundesligaspielerin für uns gewinnen. In Harpen gab es keinen Platz für uns, also mussten wir von Anlage zu Anlage wandern. Am Ümminger See mussten wir vor dem Training die Hasenlöcher schließen. Hordel und Werne haben uns zum Glück dann ihre Anlagen zur Verfügung gestellt. So konnte es aber nicht weitergehen, zumal auch in Harpen dann die Vorgabe kam, dass die Landesliga das höchste der Gefühle sein sollte. Das wollten wir aber nicht.“

Auf zum VfL

Also suchte man nach Alternativen und wurde im Jahr 2008 fündig, und zwar beim VfL Bochum 1848, wo es zunächst eine Kooperation gab. Da das Ruhrstadion auch bei der Frauen-WM 2011 genutzt wurde, war die Gelegenheit im Jahre 2010 dann für alle Seiten günstig, um endgültig die Abteilung unter dem Dach des Talentwerks in den Verein einzugliedern. „Das passte für alle Beteiligten wunderbar, da wir mittlerweile auch in die Regionalliga aufgestiegen waren. Es war bei der sehr guten Zusammenarbeit der logische nächste Schritt. Da war der Geschäftsführer der Nachwuchsabteilung, Timo Saviano, eine großartige Unterstützung. Aber auch Jürgen Heipertz, Dennis Brinkmann und der jetzige Cheftrainer Thomas Reis waren wichtige Ansprechpartner, die uns enorm geholfen haben“, blickt Wernick auf die Zusammenführung zurück. Auch Müller war froh über die feste Heimat: „Von einem kleinen Verein zu einem so großen zu kommen war erst eine Umstellung. Wir hatten Plätze, alles war professioneller und wir hatten plötzlich ein Büro und einen Computer. Das war neu für uns.“ Das eingespielte Duo Wernick und Müller übernahm die Koordination

Am 1. Juli 2010 war es dann so weit, durch die Übernahme der Spielrechte der SG Wattenscheid 09 und vieler Spielerinnen konnte weiterhin in der Regionalliga an den Start gegangen werden – mit vollem Erfolg. Nach zwei Vizemeisterschaften gelang 2013 der Aufstieg in die 2. Bundesliga, wo nach einem 6. Platz im ersten Jahr der Klassenerhalt geschafft wurde. In der Folgesaison 2014/15 folgte jedoch der Abstieg. Die überragenden Spielerinnen dieser Zeit: Kothe, Spielführerin Hue-Man Cao und eine der besten Spielerinnen, die je das VfL-Trikot überstreiften: Nathalie Bock, die von Beginn an dabei war und bei ihrem berufsbedingten Wechsel 2016 sogar vor der Ostkurve mit viel Beifall verabschiedet wurde.

Unbeugsam, wie es im Leitbild steht, stemmte sich die Abteilung gegen die angedachte Einstellung des Spielbetriebs im Jahr 2015 – mit einem Antrag bei der Mitgliederversammlung 2014 wurde dies verhindert. Wernick: „Das war natürlich keine schöne Phase, alles in allem kann ich aber nur Positives über die Zusammenarbeit mit dem Verein sagen – ob es die Geschäftsführung oder die Mitarbeitenden sind. Zuletzt wurde viel für uns getan, seit 2019/20 sind wir eine eigenständige Abteilung und nicht ans Talentwerk gegliedert. Die Wertschätzung und Akzeptanz wird immer größer, was auch die uns ermöglichten Spiele im Vonovia Ruhrstadion im DFB-Pokal zeigen. Auch das Interesse ist deutlich gestiegen.“

Neue Ziele

Es ging dennoch zurück in die Regionalliga. Müller blickt zurück: „Das war ein Neuanfang für uns, da viele Spielerinnen den Verein verließen. Wir sind aber stolz darauf, mit wie viel Herz sich so viele Menschen für uns eingesetzt haben. Mittlerweile haben wir uns sportlich wieder stabilisiert und streben danach, so schnell wie möglich in die 2. Frauen-Bundesliga zurückzukehren. Das ist das erklärte Ziel und der Verein unterstützt uns, wo er nur kann.“

Und momentan befinden sich die VfL-Frauen auf einem guten Weg zurück ins Unterhaus. In der Liga marschierte die Mannschaft von Trainer Paul Müller an den ersten fünf Spieltagen durch die Liga und fuhr bei einer Tordifferenz von 25:3 fünf Siege ein, was momentan Rang zwei hinter Siegen (schon sechs Spiele und ein Punkt mehr) bedeutet. Die erste Pokalrunde wurde mit einem 3:0 gegen den Nordostvertreter FC 1899 Viktoria Berlin souverän gemeistert.

Und nun steht pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum des Frauenfußballs und im Jahr des Zehnjährigen der VfL-Abteilung das absolute Highlight der bisherigen Historie an: Das Heimspiel in der 2. Hauptrunde des DFB-Pokals der Frauen gegen den VfL Wolfsburg, der zuletzt sechsmal in Serie das Double holte. Wernick: „Auch wenn es noch eine Runde auf sich hätte warten lassen können, sind wir unheimlich stolz, uns dieses Spiel verdient zu haben. Wir messen uns mit den Besten der Besten, da sind alle heiß drauf. Dass die aktuelle Lage keine Zuschauer zulässt, ist natürlich sehr schade, aber davon lassen wir uns die Freude nicht nehmen.“

Am Samstag geht es um 14 Uhr im Vonovia Ruhrstadion zur Sache, die Wolfsburger streamen die Partie live auf ihrem YouTube-Kanal.

Impressum des Publishers ansehen