MillernTon
·03 de maio de 2025
Wenn 50/50 eher ein 40/60 ist

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·03 de maio de 2025
Bei der 0:1-Niederlage des FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart stand vor allem Schiedsrichter Florian Exner im Mittelpunkt. Ein Kommentar.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Ein Kommentar von Tim
„Wir müssen so gut sein, dass der Schiedsrichter keinen Einfluss auf das Spiel nehmen kann.“ – gesagt hatte das einst Fabian Hürzeler und ich fand diesen Satz immer doof. Weil er einen Vorwurf beinhaltet (wenn man den Kontext – immerhin ist es Kartenjäger Hürzeler, der das sagte – beachtet): Der Schiedsrichter wird nicht für uns, er wird gegen uns pfeifen. Wiederholt wurde das von Spielern und Verantwortlichen des FC St. Pauli seitdem einige Male. Und nach dem 0:1 gegen den VfB Stuttgart, einem Spiel, welches von Schiedsrichter Florian Exner negativ beeinflusst wurde, sollte dieser Satz nochmal in Erinnerung gerufen werden.
Ja, die Brille durch die ich schaue, sie ist braun-weiß. Sehr sogar. Wenn ich mich bei den Spielen des FC St. Pauli über Schiedsrichter-Entscheidungen aufrege, dann muss ich deshalb immer einen Trick anwenden: Ich versuche mir immer vorzustellen, die Situation wäre andersrum. Macht das gerne mal selbst. Stellt euch vor, ein Spieler des FC St. Pauli schießt auf das Tor des VfB Stuttgart und ein Stuttgarter Innenverteidiger klärt den Ball, gewollt oder nicht, so mit der Hand wie es Siebe Van der Heyden in der 55. Minute getan hat. Ein elfmeterwürdiges Vergehen? Zumindest lassen sich für beide Arten der Entscheidung, Elfmeter oder nicht, Argumente finden. Oder? Ich möchte zumindest gar nicht wissen, wie sehr mein braun-weißes Herz kochen würde, wenn es ein VfB-Verteidiger gewesen und der Pfiff ausgeblieben wäre.
Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war Florian Exner das Spiel allerdings schon komplett entglitten, so wirkte es zumindest. Dabei gab es, abgesehen von der Gelb-Roten Karte für Nikola Vasilj in der Nachspielzeit (gleich mehr dazu) eigentlich keine Szenen, in denen man von klaren Fehlentscheidungen sprechen kann. Doch Fußballfans haben ein besonders sensibles Herz, wenn sie sich unfair behandelt fühlen. Zwei diskutable Entscheidungen in Folge gegen das eigene Team? Oft bereits genug, um Schiedsrichter*innen vorzuwerfen, dass sie ganz schlechte Spielleiter*innen sind.
So geschehen in der ersten Halbzeit beim Spiel des FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart, zumindest wenn man die Vereinsbrille auflässt: Die meisten 50/50-Entscheidungen fielen zu Gunsten der Gäste aus. Hauke Wahl wurde nach Abpfiff am Sky-Mikro ungewohnt deutlich: „Das Spiel hat durch den Schiedsrichter keinen Spaß gemacht. Das raubt einem Energie. Es ist extrem schwer, wenn gefühlt jede 50/50-Entscheidung gegen uns gepfiffen wird.“ FCSP-Cheftrainer Alexander Blessin, sowie eigentlich alle weiteren Spieler stimmten in diesen Chor mit ein.
Dieses Gefühl, dass es bei Schiedsrichter-Entscheidungen eben eigentlich ein 50/50 geben sollte, das Pendel aber faktisch eher in Richtung der Gegner auszuschlagen scheint, begleitet den FC St. Pauli schon die gesamte Saison. Und das ist wenig verwunderlich, wenn man sich wissenschaftliche Studien (nicht der Artikel selbst, sondern die Links darin) dazu anschaut. Kleinere Clubs werden strukturell von Schiedsrichter*innen benachteiligt. Und der FCSP ist in der Bundesliga eben ein sehr, sehr kleiner Club.
Fernab dieser immer wiederkehrenden Diskussion, die vermutlich nahezu alle kleinen Clubs führen (und mit Real Madrid auf äußerst peinliche Art und Weise ja auch ein sehr großer), gab es dann beim Spiel gegen den VfB Stuttgart eine Situation, die sich auch ohne Vereinsbrille brutal falsch anfühlt: Nikola Vasilj, erneut mit einer Top-Leistung auffällig geworden, sah für zu vehemente Beschwerde über das Stuttgarter Zeitspiel innerhalb kürzester Zeit die Gelb-Rote Karte. In dieser Szene zeigte sich Schiedsrichter Exner extrem unsouverän – und sorgt mit diesem völlig überzogenen Platzverweis hoffentlich nicht dafür, dass er entscheidend in den Abstiegskampf eingreift.
Hier muss ein Schiedsrichter souveräner agieren, sich auch den Emotionen der Spieler bewusst sein – und die eigenen herunterschlucken. Das hat der 34-jährige Exner, der erst seit dieser Saison Bundesliga-Spiele leitet, überhaupt nicht geschafft. Er hat es stattdessen vollbracht, dem FC St. Pauli in einer Situation, in der Stuttgart klar auf Zeit spielte, zwei Gelbe Karten zu zeigen. Und das nicht dafür, dass Vasilj ihn mit wüsten Worten beleidigte, sondern weil er den Daumen hob. Das mag regeltechnisch zwar als gelbwürdig durchgehen, ist in Sachen Spielführung und Fingerspitzengefühl aber komplett falsch.
Was das Millerntor überhaupt nicht geschafft hat, war in dieser Situation die Grenze nicht zu überschreiten. Gemecker, Gemotze, Pfiffe – alles (unangenehmer) Teil des Spiels, vor allem, wenn der Schiedsrichter sich so einen Quark zusammenpfeift. Exner aber beim Gang in die Kabine mit Salven von Becherwürfen zu verabschieden, ist total scheiße. Klar, Emotionen und so. Aber das ist eine Grenze, die nicht überschritten werden darf.
Zurück zum ersten Satz diese Kommentars („Wir müssen so gut sein, dass der Schiedsrichter keinen Einfluss auf das Spiel nehmen kann.“): Ganz bewusst steht dort, dass ich den Satz immer doof „fand“ – meine Meinung dazu hat sich nämlich geändert. Vereinsbrille hin oder her, die Saison bot bisher extrem wenig Anlass dazu anzunehmen, dass der FC St. Pauli bevorteilt wird. Wenn man die wissenschaftlichen Studien beachtet, dann dürfte das Gegenteil der Fall sein. Und das kann ganz ohne Vorwurf formuliert werden, weil es eben ein strukturelles Problem im Schiedsrichterwesen ist. Kein/e Schiedsrichter*in dürfte absichtlich Entscheidungen tendenziell eher gegen kleinere Clubs fällen. Das Problem ist aber leider weit verbreitet und so ist es eines, mit dem man beim FC St. Pauli wohl oder übel leben muss. Und deshalb muss man eben so gut sein, dass der Einfluss solcher Entscheidungen möglichst gering ist. Das ist dem FCSP am Samstag gegen den VfB Stuttgart nicht gelungen, das Team fand keine Lösungen mit dem Ball und ließ zu viele Chancen zu. Ganz ohne Einfluss des Schiedsrichters. Und diese Tatsache sollte im Vordergrund stehen, hier sollten Lösungen gesucht werden. Damit das Ziel Klassenerhalt nicht doch noch in Gefahr gerät.
// Tim
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