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·16 Juli 2025
Nach Gruppenphase der Frauen-EM 2025: Die Enttäuschungen des Turniers

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·16 Juli 2025
Die starken Französinnen, die Gastgeberinnen aus der Schweiz oder Polen, die sich bei der ersten EM gut präsentierten: Sie alle dürfen sich als Gewinnerinnen der EM-Gruppenphase fühlen. Aber wo sich manche freuen, muss es auch Enttäuschungen geben - so auch bei der EM 2025. Diese Teams konnten in ihren drei Gruppenspielen nicht überzeugen.
Hup, Holland, Hup: Die niederländischen Fans sind für ihre robusten Stimmbänder und ihre Partylaune bekannt. Beim letzten Gruppenspiel gegen Frankreich jedoch konnten sich die Oranje-Fans trotz klarer zahlenmäßiger Überlegenheit akustisch nicht gegen die mitgereisten Französinnen und Franzosen durchsetzen. Statt "Hup, Holland, Hup" schallte es mehr "Allez les Bleues" durch den an diesem Tag erneut ausverkauften Basler St. Jakobs-Park.
Den niederländischen Fans sei es verziehen, denn die Ausgangslage vor dem Spiel war auch nicht gut. Einen Sieg mit drei Toren Abstand brauchten sie, um ins Viertelfinale einzuziehen. Das gelang nicht, nach einer starken ersten Hälfte mit 2:1-Führung ging Oranje mit einem 2:5 vom Platz. Die niederländischen Fans mussten sich zum Ende hin auch noch "Delphine, Delphine"-Gesänge anhören, womit die glänzend aufgelegte Doppeltorschützin von Frankreich gefeiert wurde.
Für die 2:5-Niederlage gilt ebenso wie für diese ganze EM der Niederlande: Das Scheitern an sich war nicht überraschend, aber die Art und Weise warf viele Fragen auf. Andries Jonker, der niederländische Trainer, ließ die niederländische Rekordtorschützin Vivianne Miedema über 90 Minuten auf der Bank schmoren und wechselte stattdessen im Rückstand lieber defensiv.
Jonker selbst stand über weite Strecken des Turniers mehr im Vordergrund als seine Spielerinnen, was meist ein schlechtes Zeichen ist. Der Bondscoach war lange schon vor dem Turnier geschasst worden, aber durfte die EM dennoch begleiten. Das Ergebnis: Ein Trainer mit gekränktem Ego, der nicht müde wurde, zu betonen, dass er die Entscheidung des Verbands ganz und gar nicht nachvollziehen konnte, und Spielerinnen, die offensichtlich ebenfalls ein gewisses Ego haben und ihrem Unmut Luft machten, wenn sie nicht in der Startelf standen.
Auf dem Rasen führte das, zusammen mit fragwürdigen taktischen Entscheidungen, zu neun Gegentoren gegen England und Frankreich. Diese Todesgruppe nicht zu überstehen, ist die eine Sache - aber dermaßen zerfleddert zu werden, ist die andere. Die Niederlande erschienen nach dem 2:5 wie ein gerupftes Hühnchen, während Frankreich lautstark krähend triumphierte.
Für Jonker-Nachfolger Arjen Veurink stellen sich viele Fragen: Wie geht man mit einer Vivianne Miedema um, die jahrelang beste Spielerin der Elf war, aber inzwischen ihre Brillanz nur noch in wenigen Momenten zeigen kann? Ist die 35-jährige Sherida Spitse als Stammspielerin und Kapitänin wirklich noch die beste Lösung?
Veurink hat nun die Chance, einen radikalen Umbruch durchzuführen und jungen Talenten wie Wieke Kaptein und Esmee Brugts mehr Chancen zu geben, als sie unter Jonker bekamen. Jonker stellte gegen Frankreich die älteste Startelf in der Geschichte des Nationalteams auf, aber offensichtlich hilft nur Routine auch nicht. Victoria Pelova gab gegen Frankreich ein klares Empfehlungsschreiben ab, eine der neue Führungsspielerinnen der Niederlande zu sein. Ansonsten braucht es nun wohl ein offenes Casting und viel Mut, um bald wieder ein lauteres "Hup, Holland, Hup" ertönen zu hören.
Auch Dänemark ging mit einem Trainer ins Turnier, der nach dem Turnier, so viel war schon im Vorhinein klar, nicht mehr Trainer sein würde. Andree Jeglertz teilt außerdem auch seine Initialen mit Jonker (AJ), beide sehen sich sogar etwas ähnlich - sind wir da etwas Heißem auf der Spur? Jeglertz und Jonker einte jedenfalls auch, dass ihre Gesichter beim Betrachten der Spiele ihres Teams gerne die Position der hängenden Mundwinkel einnahmen.
Auch bei Dänemark war es keine große Überraschung, dass sie die Gruppenphase nicht überlebten. Dass es aber drei Niederlagen gab, darunter das 2:3 am letzten Spieltag gegen die EM-Debütantinnen aus Polen, das gab den Skandinavierinnen dann doch zu denken. Auch bei Dänemark stellen sich einige Fragen für die Zukunft.
Pernille Harder, die im letzten Gruppenspiel verletzt ausgewechselt wurde, soll für Dänemark in der Offensive alles richten, soll Tore schießen, vorbereiten und möglichst noch Standards rausholen. Eine Erwartungshaltung, die schwer zu erfüllen ist - und auch nicht erfüllt wurde, Harder kam in gute Schusspositionen, aber war nicht effizient genug. Einen richtigen Plan B, wenn die Münchnerin mal nicht so stark drauf ist, gibt es nicht.
Kathrine Kühl und Sofie Bredgaard, die vor wenigen Jahren als Dänemarks Supertalente gehandelt wurden, haben sich bisher weniger weiterentwickelt als erhofft. Amelie Vangsgaard, die zwischendurch mal Harder als Knipserin ergänzt hatte, scheint unter einem Torschussfluch zu leiden. Und Nadia Nadim, 37 Jahre alt und gegen Polen in der 62. Minute eingewechselt, kann auch nicht die Zukunft sein.
Auch bei Dänemark gibt es aber Hoffnung, primär in Form der zwei US-Legionärinnen Janni Thomsen und Josefine Hasbo sowie der Holmgaard-Zwillinge Sara und Karen. Jakob Michelsen, der neue Trainer (bisher bei einem norwegischen Erstligaklub der Männer mit dem sensationellen Namen Ham-Kam tätig) muss nun versuchen, eine Identität für das Team zu finden, die über Pernille Harder hinausgeht.
Island war ein starkes Turnier als Überraschungsteam von einigen zugetraut worden. Schließlich war die Gruppe mit der Schweiz, Norwegen und Finnland recht machbar, und Island hat mit Kapitänin Glodis Perla Viggósdóttir von Bayern oder Karolina Lea Vilhjalmsdóttir durchaus Talent im Kader. Island ging mit dem Plan ins Turnier, als robustes Team aus dem Norden die Gruppe aufzumischen, stellenweise mit individueller Qualität zu punkten und dann im letzten, entscheidenden Gruppenspiel ganz nah ans Viertelfinale zu kommen. Diese Rolle erfüllte dann auch tatsächlich ein Team aus Gruppe A - nur war das Finnland, nicht Island.
Schon das wenig berauschende Auftaktspiel verlor Island mit 0:1 gegen die Finninnen um eine starke Emma Koivisto, danach folgten zwei weitere Niederlagen. Immerhin: Beim 3:4 gegen Norwegen wurde es nochmal unterhaltsam, Island konnte mit einem späten Doppelschlag vielleicht etwas versöhnlich aus dem Turnier scheiden.
Mit den Isländerinnen muss man weniger hart ins Gericht gehen als mit den anderen Enttäuschungen des Turniers, denn die Voraussetzungen sind ganz andere. Nur 400.000 Menschen leben auf der Insel, trotzdem war Island zum fünften Mal in Folge bei der EM dabei. Der Anteil von Mädchen und Frauen, die Fußball spielen, liegt bei mehr als 5% - in Deutschland sind es weniger als 1%. Die Förderung ist also extrem gut, auch weil alle Vereine gemeinnützig sind und alle Mädchen ausbilden, die Lust auf Fußball haben. Sportlich gibt zumindest die Leistung gegen Finnland Stoff zum Nachdenken, aber schon die konstanten EM-Teilnahmen sind eigentlich ein Riesenerfolg.