FC Schalke 04
·12 Mei 2023
Frank Lehmann: Immer auswärts

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·12 Mei 2023
Spiele zwischen dem FC Schalke 04 und der SG Dynamo Dresden sind für ihn so, als hielte man ihm zwei Weihnachtsgeschenke hin, von denen er sich nur für eins entscheiden darf. Der 1971 auf der Insel Rügen geborene Frank Lehmann ist ein polyamoröser Fußballfan, der beide Vereine gleichermaßen liebt.
Die Leidenschaft zum ehemaligen DDR-Oberligisten packt ihn früh, als er 1981 die beiden Europapokalspiele gegen Feyenoord Rotterdam sieht. Gleich nach seinem ersten Stadionbesuch, einem 1:1 im Februar 1986 gegen den 1. FC Magdeburg, avanciert er zum Vielfahrer. „Ich kenne jedes Stadion der damaligen Oberliga, war mit meiner Zaunfahne ‚Rügen‘ überall und nahezu an jedem Wochenende unterwegs“, berichtet der später als Zugbegleiter für die Reichsbahn arbeitende Fan.
Ein Westpaket seiner Oma aus Frankfurt am Main, in dem sich ein Schalke-Shirt mit der Aufschrift „Vizemeister 1977“ befindet, macht ihn auch zum Königsblauen. Als „ewiger Vizemeister“ hinter „Stasi-Club“ BFC Dynamo denkt er sich: „Cool, die sind wie wir und können auch nur Vize.“
Fortan trägt er eine Kutte mit gewöhnungsbedürftiger Farbzusammenstellung: Schwarz-Gelb auf der einen, Blau-Weiß mit S04-Aufnähern vom Schwarzmarkt auf der anderen Seite. Nach der Wende bucht er das Komplettpaket, hat Dauerkarten fürs Parkstadion und weiterhin auch in Dresden, sieht nicht selten beide Vereine an einem Wochenende live und nimmt zusätzlich die europäischen Paarungen der Knappen mit.
2009 zieht Lehmann nach Schneverdingen in die Lüneburger Heide, hat also weiter nur Auswärtsspiele. „Irgendwann war es meiner Frau zu viel und sie trennte sich, weil sie das Gefühl hatte, dass ich die beiden Clubs mehr liebe als sie“, gesteht er. Der heute 50-Jährige schafft es sogar als einer der elf größten Dynamo-Fans in die DDR-Fernsehsendung „Wennschon, dennschon“, anschließend darf er vor 8000 Zuschauern im Rudolf-Harbig-Stadion gegen eine Traditionself der Dresdener spielen – und schießt prompt ein Tor.
Bei allen bisherigen Spielen zwischen seinen Lieblingsvereinen ist er nach dem Mauerfall im Stadion, doch sein Spiel des Lebens sieht er 2014 in der ersten Runde des DFB-Pokals. „Es ist für mich deshalb so besonders, weil ich ewige 20 Jahre nach dem letzten Aufeinandertreffen warten musste. Zudem war es ein K.-o.-Spiel und ich wusste lange nicht, zu wem ich halten soll“, erinnert sich Lehmann.
Dann fällt er eine pragmatische Entscheidung: „Ich war bei diesem Spiel mehr für Dynamo, weil das Geld für den Verein wichtiger war. Sie waren finanziell am Ende, hatten sogar ihre Markenrechte verkauft, spielten in der 3. Liga. Nicht nur das Weiterkommen gegen Schalke, auch der Sieg gegen Bochum in der nächsten Runde und das knapp verlorene Spiel gegen die falschen Schwarz-Gelben danach half bei der Entschuldung sehr.“
Wie immer bei dieser Begegnung steht der heute als Teamleiter für die Deutsche Bahn arbeitende Lehmann nicht in einem der Fanblocks und jubelt bei keinem der drei Tore. „Es ist schon skurril, weil ich die Lieder beider Fanlager mitsumme. Aber jubeln für den einen heißt ja auch jubeln gegen den anderen. Und das kann ich nicht.“