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·30 Juni 2025

Buchrezension: „Wir waren Heldinnen“

Gambar artikel:Buchrezension: „Wir waren Heldinnen“

Übermorgen startet in der Schweiz die Europameisterschaft der Frauen. Das im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch erzählt Biographien vom mühsamen Weg bis zur Akzeptanz des Sports. Ronny hat es bereits gelesen.

Vom 2. Juli an läuft für gut drei Wochen der Ball über die eidgenössisch gepflegten Rasenflächen, wenn 16 Länderteams in acht verschiedenen Schweizer Städten die 14. offizielle UEFA-Fußball-EM der Frauen ausspielen. Seit 1984 existiert dieser Wettbewerb, auch wenn es zuvor bereits 1969 und 1979 zwei inoffizielle Europameisterschaften in Italien gegeben hatte. Was heute wie selbstverständlich erscheint, mussten sich Frauen über die Jahrzehnte aber erst mühevoll erkämpfen – insbesondere auch in der Bundesrepublik Deutschland. Denn hierzulande wurde es Frauen – man mag es kaum glauben – von 1955 bis 1970 sogar seitens des DFB offiziell untersagt, in den dem DFB zugehörigen Vereinen gegen den Ball zu treten. Vereinen, die sich dem widersetzen wollten, wurde mit empfindlichen Strafen gedroht – bis zum Ausschluss ihrer Herrenteams aus dem Ligabetrieb.


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Doch auch dieses sexistische Dekret hielt viele fußballbegeisterte Frauen nicht davon ab, sich ihre sportlichen Freiräume zu erkämpfen. Denn auch die holde Weiblichkeit war mit Deutschlands WM-Sieg der Männerfußballer 1954 in der Schweiz auf den Geschmack gekommen und wollte unbedingt auch selbst gegen die Lederkugel treten. Die von Torsten Körner aufwändig recherchierte Hardcover-Publikation „Wir waren Heldinnen“ erzählt von den am Ende bekanntlich erfolgreichen Kämpfen dieser Frauen und Mädchen und beschreibt deren Engagement anhand einzelner Lebensläufe von seinerzeit wichtigen Protagonistinnen des gepflegten Tretsports. Die erzählten Biografien und Geschichten beginnen in den frühen 1950er-Jahren und reichen bis zum ersten offiziellen Länderspiel am 10. November 1982 in Koblenz (5:1 gegen die Schweiz).

Biographien und Geschichten

Christa Kleinhans beispielsweise, 1937 in Dortmund geboren und dort auch aufgewachsen, ist eine dieser ganz außergewöhnlichen Persönlichkeiten, die den Frauenfußball im patriarchalisch geprägten Nachkriegsdeutschland wesentlich mit vorangebracht hat. Zwar zählte Kleinhans nicht zu jenen Debütantinnen, die am 23. September 1956 in Essen das erste Fußballländerspiel der deutschen Frauen bestritten (2:1-Sieg gegen Holland), aber bereits beim zweiten Länderkick am 16. März 1957 in München war sie dabei und erzielte vor 18.000 Zuschauenden als Rechtsaußen beim 4:2 über Westholland auch gleich zwei Treffer. Auf um die 150 Länderpartien brachte es Kleinhans in ihrer Karriere. Doch der fußballerische Alltag bestand damals selbstredend nicht nur aus diesen damals noch inoffiziellen Länderpartien, sondern bedeuteten jeweils nur die Kür nach oft zermürbenden Pflichtprogrammen. Und diese bestanden zunächst aus der immer wieder neuen Suche nach geeigneten Sportplätzen oder zumindest bespielbaren Rasenflächen, wo die bewegungsfreudigen Ladys allerdings nicht selten von der Polizei, aufgebrachten Landwirten oder weiteren Lordsiegelbewahrern der männlichen Fußballordnung vertrieben wurden.

Bärbel Wohlleben, Jahrgang 1943 und ebenfalls wichtige Zeitzeugin in Körners Porträtreihe, hatte es da zunächst ein wenig besser. Wohlleben nämlich durfte als einziges Mädchen in ganz Rheinland-Pfalz mit Sondergenehmigung bis zur C-Jugend bei den Jungs mitkicken. Danach war dann jahrelang allerdings nur Freizeitbolzerei mit den eigenen drei Brüdern möglich, ehe sich Wohlleben 1969 dem TuS Wörstadt anschließen konnte, der kurz zuvor eine eigene Frauenfußballabteilung gegründet hatte, obgleich der DFB-Bann, der erst im Jahr darauf aufgehoben wurde, noch immer bestand. Wörrstadt gelang es dann 1973 sogar, die erste inoffizielle Deutsche Meisterschaft („Goldpokal“) durchzuführen, ehe dann im Folgejahr, nun mit dem Segen des DFB, die Meisterschaftsrunden offiziellen Charakter bekamen. Wörrstadt gewann nicht nur den Goldpokal, sondern, mittels eines 4:0-Endspielsiegs gegen DJK Eintracht Erle aus Gelsenkirchen, 1974 auch die erste offizielle Deutsche Meisterschaft im Frauenfußball. Drei der vier Tore schoss die erst 15-jährige Regine Israel, doch berühmt wurde durch diese Partie nicht Israel, sondern Bärbel Wohlleben, deren 3:0 von den Zuschauenden der ARD-Sportschau zum „Tor des Monats“ September gewählt wurde. Erstmals hatte eine Frau diesen Titel gewonnen, und es sollte ein Meilenstein auf dem Weg zur endgültigen Anerkennung Fußball spielender Frauen hierzulande sein.

Tor des Monats und erstes offizielles Länderspiel

Auch Anne Trabant-Haarbach, die einige Zeit gemeinsam mit Wohlleben in Wörrstadt gegen den Ball trat, findet Gehör im vorliegenden „Heldinnen“-Buch. Die später auch als erfolgreiche Trainerin tätige Akteurin gewann als Spielerin nicht nur elf Deutsche Meisterschaften, sondern führte zudem im November 1982 das Nationalteam als Kapitänin und Co-Trainerin von Gero Bisanz auf das Feld, als die deutschen Frauen ihr erstes offizielles Länderspiel bestritten. Bereits im Jahr zuvor gewann Trabant bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft in Taiwan mit ihrem Verein Bergisch Gladbach, den der DFB mangels eigener Deutschlandcrew als Nationalteam nach Taipeh entsandt hatte, überraschend den Titel. Danach konnte der DFB zu einem eigenen „echten“ Nationalteam nicht mehr nein sagen.

Kleinhans, Wohlleben und Trabant sind exemplarisch nur drei Beispiele für Pionierinnen, die nicht nur dem übermächtigen DFB die Stirn boten, sondern auch der strukturell patriarchalisch angelegten Gesellschaft der BRD. Einen Satz aus dem zweiten Kapitel dieses wirklich sehr guten Buches habe ich mir notiert, weil es wahrscheinlich punktgenau die Situation der (nicht nur Fußball spielenden) Frauen in Deutschland bis in der 1970er-Jahre hinein gut erfasst: „Das Frauenfußballverbot war im weiteren Sinne ein Glücksfindungs- und Emanzipationsverbot.“ Der Versuch also von (alten und alternden) Männern, die Machtstrukturen in der Gesellschaft so zu belassen, wie sie schon seit Jahrhunderten, Jahrtausenden existierten. Die von Körner liebevoll geschrieben aber auch kämpferisch erzählten Biografien zeigen auf, dass es sich immer lohnt aufzubegehren…

Ein letztes Lob sei abschließend noch dem sechsseitigen Personenregister gegönnt, dass ich aber – vielleicht bei der nächsten Auflage – sehr gerne auch um Sachbegriffe ergänzt sehen würde. Ansonsten: Unbedingte Kaufempfehlung! // Ronny

Torsten Körner: „Wir waren Heldinnen. Wie Frauen den Fußball eroberten“, Kiepenheuer & Witsch, 338 Seiten, ISBN 978-3-462-00480-9, 24,00 Euro (E-Book: 19,99).

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