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Justus Pludra·14 janvier 2025
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Justus Pludra·14 janvier 2025
Grundrezept Fußballikone: Fünf Esslöffel Traumtore, zwei Hände voll legendäre Momente, einen guten Schluck Vereinstreue. Für den Boden ein leidgeplagter Traditionsklub. Optional: gewonnene Titel. Wenn richtig abgeschmeckt, eine Mischung nach jedermanns Geschmack. Und doch wird vielen die folgende Premier-League-Legende kein Begriff sein. Zeit, das zu ändern.
Das 100. und letzte Tor von Matthew Le Tissier in der Premier League ist an Kitsch kaum zu überbieten. Vor heimischem Publikum, im Trikot des einzigen Profi-Klubs für den er je gespielt hat, traumhaft schön, Siegtreffer, das Stadion wird danach wortwörtlich abgerissen.
Ähnliches hätte der Mittelfeldspieler in den größten Fußballtempeln der Welt erleben können. Das Talent dafür attestierte ihm George Best schon in jungen Jahren. Angebote lagen vor. Doch die Szene spielte sich im Frühjahr 2001 im altehrwürdigen The Dell zu Southampton ab. Seine unerschütterliche Liebe zu der beschaulichen Hafenstadt ist ein Grund, weshalb die Meisten hinter 'Le God' eher den Beginn eines französischen Bibelverses vermuten.
Der Träger dieses heiligen Spitznames erblickte im Oktober 1968 auf der britischen Halbinsel Guernsey das Licht der Welt. Behütet, wie Le Tissier 2012 in einem Interview verriet, sei er aufgewachsen und mit einer wegweisenden Lehre: "Mir wurde beigebracht, dass es im Leben viel wichtiger ist, glücklich als reich zu sein."
Eine Einstellung, die ihn fußballerisch sexy, aber titelarm machen sollte. Das außergewöhnliche Können des schlaksigen Engländers blitzt früh auf. Schon zu Jugendzeiten soll er regelmäßig Ecken direkt ins Tor gedreht haben. Deshalb ließ sein Debüt bei den Saints auch nicht lange auf sich warten.
Mit 17 macht er sein erstes von 450 Pflichtspielen. Die Fans schließen den jungen Kerl schnell ins Herz. Aus seiner Abneigung gegen hartes Training und sportgerechte Ernährung macht Le Tissier nie einen Hehl. Schnell oder viel laufen liegt ihm fern. Auf dem Bierdeckel kann er trotzdem jeden Gegner vernaschen und scheint spielentscheidende Momente magisch anzuziehen.
Milan, Tottenham oder Chelsea wollen im Laufe seiner Karriere den Mann verpflichten, dem nach eigener Aussage ein Trick lieber misslang, als ihn nicht versucht zu haben. Doch der Spielmacher lehnt alles ab - er ist schließlich glücklich bei den 1885 gegründeten "Heiligen".
Southampton spielt, getragen von ihrer One-Club-Ikone, zwar stets erstklassig. Mehr als Platz neun springt in dieser Zeit aber nicht raus. Auf internationaler Bühne kann sich Le Tissier deshalb nie zeigen, was sich auch auf die Anzahl seiner Länderspiele auswirkt. Nur acht Partien macht er für die Three Lions. Gut, einen Titel hat er damit nicht verpasst. Mit ihm hätten sie aber vielleicht einen gewonnen.
Bei 49 Versuchen verschoss Le Tissier in seiner professionellen Laufbahn nur einen einzigen Elfmeter. Eine Qualität, die die Engländer bei der WM 1990 oder der EM 1996 gut hätten gebrauchen können.
📸 Stu Forster - 2024 Hulton Archive
Seine weit über 200 Scorer gab der feine Techniker deshalb ausschließlich im Southampton-Trikot zum Besten - und hob sich das größte Highlight bis zum Schluss auf.
Am bereits erwähnten 19. Mai 2001 wird 'Le God' spät eingewechselt, weil er angeschlagen ist. Seiner Genialität tut das keinen Abbruch. Zwei Minuten später trifft der Fußball-Prophet per krachendem Dropkick zum 3:2-Sieg gegen Arsenal. Das 103 Jahre alte Stadion beebt.
Bis weit nach Abpfiff feiern die Heim-Fans ein letztes Mal ihren Messias, der im Laufe der nächsten Saison verletzungsgeplagt die Schuhe an den Nagel hängen muss. Einem Titel war Le Tissier nie nahe, bereuen tut er trotzdem nichts: "Ich wusste, dass ich wahrscheinlich keine Trophäen gewinnen würde. Aber für einen so großen Klub zu spielen und 16 Jahre lang in der Premier League zu bleiben, hat mich genauso glücklich gemacht wie eine Medaille für irgendeinen anderen Verein zu gewinnen."
📸 Phil Cole