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·15 juin 2024

Beispielloser Erfolg, jähes Ende

Image de l'article :Beispielloser Erfolg, jähes Ende

Der Wechsel von Fabian Hürzeler nach Brighton kommt für den FC St. Pauli überraschend schnell, aber verwundert wohl niemanden und lässt auch nicht alles zusammenbrechen.(Titelbild: Peter Boehmer)

„Genießt die wohlverdiente Pause – wir sehen uns zum Saisonauftakt“ – das ist der letzte Satz, den Fabian Hürzeler unter einem seiner Instagram-Postings, gespickt mit vielen emotionalen Bildern der letzten Saison, stehen hat. Kurze Zeit danach ist klar: Zum Saisonauftakt wird man Hürzeler beim FC St. Pauli nicht sehen. Er wechselt zu Brighton & Hove Albion. Das schmeckt ganz schön bitter.


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Vor allem die Geschwindigkeit erstaunt. Die Worte auf Instagram stammen vom 26. Mai. Noch am Mittwoch, den 05. Juni, deutete nichts auf einen Wechsel von Fabian Hürzeler zu Brighton & Hove Albion hin. Einen Tag später ploppte das Gerücht um eine Shortlist in Brighton auf, Hürzelers Name befand sich darauf. An dem Tag aber freute man sich beim FCSP jedoch erstmal über die Nachricht, dass Robert Wagner und Ben Voll zukünftig am Millerntor auflaufen werden. Wieder einen Tag später, am Freitag, wurde dann berichtet, dass sich besagte Liste auf zwei Namen verkleinert hatte. Die Sache schien ernst zu werden.

Gerücht ist keine Woche alt

Freitagabend folgte dann die Nachricht, dass es Kontakt zwischen der Hürzeler-Seite und Brighton gab – Uff. Früh am Samstag hörte der MillernTon dann bereits: Der 31-jährige ist sich mit seinem neuen Arbeitgeber einig geworden, will unbedingt wechseln (Zum Nicht-Scheitern verurteilt). Es folgten Ablöseverhandlungen zwischen Brighton und dem FC St. Pauli. Und die Berichterstattung über den Stand der Verhandlungen zeigten sehr deutlich, welche Medien von welcher Seite (FCSP oder Berater/Brighton) Infos erhielten. Einige schrieben davon, dass die Verhandlungen am Montag beendet waren und spekulierten auf eine zeitnahe Verkündung. Doch da wurde die Rechnung vermutlich ohne Andreas Bornemann und den FC St. Pauli gemacht. Die Ablöseverhandlungen zogen sich in die Länge.

Nun aber die offizielle Verkündung: Fabian Hürzeler wechselt vom FC St. Pauli zu Brighton & Hove Albion. Das passt nur wenig zu seinen Worten auf der Meisterfeier, als er erklärte, wie sehr er sich auf die kommende Saison freut – mit dem FC St. Pauli. Die Aussagen von Hürzeler kurz nach Saisonende und die Entwicklung der letzten Tage, sie passen nicht zusammen. Ein falsches Spiel des 31-jährigen? Eher nicht. Vielmehr scheint er vom Angebot aus Brighton ebenso überrascht gewesen zu sein wie alle anderen auch. Sicher ist: Die fantastische Erfolgsgeschichte von Hürzeler und dem FCSP endet jäh.

Der FC St. Pauli und Fabian Hürzeler haben es gemeinsam in die Bundesliga geschafft. Die Dankbarkeit für und der Respekt vor dieser Leistung des 31-jährigen ist riesig. Genau das wird auch für immer an ihm haften bleiben, egal auf welche Weise diese Geschichte nun endet. Gerade aufgrund dieses Aufstiegs und der vorherigen Vertragsverlängerung gab es zumindest Hoffnung, dass diese Erfolgsgeschichte auch kommende Saison weitergeschrieben wird. Diese Hoffnung wich nun innerhalb weniger Tage der Enttäuschung. Ein ziemlicher Dämpfer für die Vorfreude auf die erste Bundesligasaison seit 2010/11. Gerne hätte man gesehen, wie Fabian Hürzeler und der FC St. Pauli gemeinsam versuchen die Bundesliga aufzumischen. Daraus wird nun nichts.

Ist Fabian Hürzeler geldgeil und gewissenlos?

Nein. Aber spätestens nach dem Hick-Hack um die Vertragsverlängerung von Hürzeler wussten alle beim FC St. Pauli, dass es im Sommer so eine Situation wie die jetzige geben kann, vielleicht sogar geben wird. Damals wurde bereits deutlich, dass Hürzeler emotional weniger an den FC St. Pauli gebunden war, als man es sich vielleicht wünschte. Das bedeutet nicht, dass es ihm egal gewesen ist, mit welchem Verein er Erfolg hat. Seine Prioritäten sind aber wohl andere, als es sich das braun-weiße Herz vielleicht eingestehen wollte. Das Fußballbusiness sticht schlicht die Fußballromantik aus, wie so oft, hier aber als Extrembeispiel. Trotzdem: Fabian Hürzeler nun für das zu kritisieren, was Usus ist im Profifußball, ist nicht ganz fair. Schade ist es trotzdem. Weil man irgendwie irrational gehofft hatte, dass es da doch mehr als den Blick für Leistung und Erfolg gibt (Liebe und Verbundenheit vielleicht – ja, ich weiß, wie naiv…). Wirklich überraschend sind die jetzigen Vorgänge aber nicht.

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Zufriedene Blicke am Tag nach dem Aufstieg des FC St. Pauli. Einen Monat später ist Fabian Hürzeler aber nicht mehr Trainer des FCSP // (c) Peter Boehmer

Umso wichtiger ist die Vertragsverlängerung zwischen Fabian Hürzeler und dem FC St. Pauli gewesen, aus wirtschaftlicher Sicht nämlich. Bei einem Verzicht auf eine Vertragsverlängerung, die Hürzeler im Sommer in eine bessere Verhandlungsposition gebracht hätte, würde der FC St. Pauli nun mit komplett leeren Händen dastehen. Zwar muss man sich wenige Wochen vor Start der Vorbereitung nun einen neuen Trainer suchen. Aber die Ablöse im einstelligen Millionenbereich (die Summe soll bei mindestens 5 Millionen € liegen, zzgl. Boni, die teilweise fast sicher fällig werden) sorgt dafür, dass man auf dem Transfermarkt doch nochmal etwas anders agieren kann.

Hürzeler verlässt gemachtes Nest

Bleibt die Frage, warum Fabian Hürzeler unbedingt wechseln wollte. Klar, Gehaltseinbußen wird er bei Brighton nicht hinnehmen müssen, das Gegenteil ist sicher der Fall. Hürzeler ist aber eher dem Erfolg, vor allem dem Fußball und dem Leistungsniveau als dem Geld gefolgt. Er ist getrieben von gutem Fußball, getrieben vom Ehrgeiz, will schnellstmöglich so hoch wie möglich kommen. Dieser Antrieb, dieses bedingungslose Hinaufklettern der Karriereleiter führt zwangsläufig dazu, dass Weggefährten zurückbleiben. Enttäuschungen sind da fast vorprogrammiert. Nun erreicht er mit bereits 31 Jahren eine Liga, von der viele Profitrainer ihre ganze Karriere lang träumen. Es war eigentlich klar, dass der FCSP irgendwann für ihn zu klein werden würde. Zu groß, zu offensichtlich Hürzelers Talent und seine Qualität als Cheftrainer. Nicht wenige würden sogar behaupten, der FCSP war bereits zu klein. Auf eine weitere Saison hatten trotzdem viele gehofft.

Und die Hoffnung war auch nicht unbegründet. Weil es für die Entwicklung Hürzelers sinnvoll erschien noch länger beim FC St. Pauli zu bleiben. Eine Erklärung dafür, warum sowas sinnvoll ist, lieferte Xabi Alonso, als er die Gründe nannte, warum er auch kommende Saison Leverkusen-Trainer sein wird („Das ist meine erste komplette Saison bei einem Verein als Trainer. Ich muss mich auch erst noch reinfühlen, mir Sachen beweisen, Erfahrungen sammeln“).

Fabian Hürzeler hat sich dagegen entschieden länger beim FCSP zu bleiben. Er verlässt nun das gemachte Nest, in dem er sich in etwas geschützterer Atmosphäre hätte weiterentwickeln können und seine Ideen klar das Zentrum aller Überlegungen gewesen sind. In Brighton ist dieser Fokus zwar auch vorhanden, aber es dürfte sicher nicht mehr in diesem hohen Maße der Fall sein. Das Risiko eine Stufe zu früh genommen zu haben, ist für Fabian Hürzeler vermutlich gestiegen. Auf St. Pauli wurden und wären vermutlich auch weiterhin Fehler von Hürzeler eingepreist. In Brighton dürfte der persönliche Leistungsdruck ungleich höher sein.

Risiko für alle Seiten – zu dem Brighton bereit ist

Auch für Brighton ist das Risiko hoch. Immerhin holen sie einen Trainer, der bisher noch nicht auf Topniveau trainiert hat. Und jemanden, für den es in den letzten Jahren nur eine Richtung gab. Seit Hürzeler Cheftrainer des FC St. Pauli ist, hat er noch keine wirkliche Phase mit ausbleibendem Erfolg erlebt. Wer sich daran erinnert, wie emotional angefasst Hürzeler nach den Niederlagen kurz vor Saisonende gegen den KSC und Elversberg war, dürfte sich fragen, wie er bei längeren Phasen ohne sportlichen Erfolg arbeitet. Es ist ihm persönlich zu wünschen, dass man es nicht herausfinden muss. Für seinen neuen Arbeitgeber stellt das aber ganz sicher ein schwer kalkulierbares Risiko dar.

Umso bemerkenswerter ist dieser Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt. Brighton ist dabei sicher genau das eine Team, welches nicht zu den 15 besten Clubs Europas gehört, bei dem Hürzeler aber trotzdem schwach wurde. Nicht nur, weil dort mit Roberto de Zerbi ein sehr interessanter Trainer arbeitete, von dem er sich auch inspirieren ließ (Aussagen, dass de Zerbi sein „Idol“ sei und Brighton der „Club seiner Träume“, sind genauso übertrieben, wie die gesamte Berichterstattung rund um diesen Transfer). Sondern auch, weil die Arbeit in Brighton etwas anders gemacht wird und das sehr erfolgreich. Der Club ist berühmt für sein (datengetriebenes) Scoutingsystem, einen besonders ausgeprägten Leistungsfokus und die Bereitschaft zu mutigen Entscheidungen. Daher ist es in der Premier League am ehesten Brighton zuzutrauen gewesen, dass sie einen 31-jährigen aus der 2. Bundesliga verpflichten – Wer zur Hölle ist Brighton & Hove Albion?!

Was bleibt beim FC St. Pauli?

Bevor sich der Blick nun endgültig nach vorne richtet, bleibt noch die Frage was von Fabian Hürzeler beim FC St. Pauli übrig bleibt. Denn zwar ist er selbst nicht mehr da, aber von seinem Wissen und seiner Arbeitsphilosophie sollte etwas haften bleiben. Wichtig für den FCSP ist auf jeden Fall, dass die beiden Co-Trainer, Marco Knoop und Peter Nemeth, nicht mit nach Brighton wechseln. Denn viele erfolgreiche Dinge waren auch auf diese beiden Personen zurückzuführen. Sowieso basiert der Erfolg des FC St. Pauli nicht allein auf Fabian Hürzeler. In den letzten Jahren griffen immer mehr und mehr Rädchen ineinander. Hürzeler war eines davon – zugegeben, ein sehr großes. Aber eben bei Weitem nicht das einzige.

Richtig unglücklich ist der Zeitpunkt des Wechsels. Klar, zwei Tage vor dem ersten Spieltag wäre es noch dramatischer und bis zum Trainingsauftakt ist es auch noch fast einen Monat hin. Der letzte Spieltag ist aber auch schon ein paar Wochen her, der Zeitpunkt hätte also optimaler sein können. Denn der Name Fabian Hürzeler ist natürlich auch ein gewichtiges Argument des FC St. Pauli in Verhandlungen gewesen, egal ob es dabei um mögliche oder aktuelle FCSP-Spieler ging. Weil in den letzten 18 Monaten deutlich wurde, wie sehr sich einige Spieler unter seiner Leitung verbessern können. Das taten viele allerdings auch schon, als Hürzeler noch nicht Chef- sondern noch Co-Trainer gewesen ist (für die individuelle Spielerentwicklung war damals übrigens Loïc Favé hauptverantwortlich).

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Knapp einen Monat ist dieses Foto von Fabian Hürzeler kurz nach dem geglückten Aufstieg mit dem FCSP alt. Nun ist der 31-jährige relativ plötzlich nicht mehr Trainer des FC St. Pauli. // (c) Stefan Groenveld

Gegen den Zerfall

Doch gerade im Hinblick auf weitere Transferverhandlungen ist die unklare Trainerpersonalie überhaupt nicht hilfreich. Spieler möchten natürlich wissen, wer sie trainieren wird, wenn sie zum FCSP wechseln. Diese Antwort kann man aktuell aber nicht liefern. Daher wäre es sehr wichtig, wenn die Nachfolge nun schnell geregelt wird. Und es ist zu hoffen, dass der Abgang von Fabian Hürzeler nun nicht einen Stein ins Rollen gebracht hat, der zum Zerfall des Aufstiegskaders führt.

Klar, der Verlust von Hürzeler wird schwer wiegen. Viel schlimmer wäre aber, wenn es dadurch weitere Abgänge geben würde. Und noch viel schlimmer wäre es, wenn man sich durch diesen Abgang die Lust und Vorfreude auf die kommende Saison nehmen lässt. Kurz ärgern, enttäuscht sein, dann aber fix Mund abwischen, weiter geht’s! So läuft das Geschäft halt. Fragt mal das Team, welches jetzt vermutlich einen Trainer verlieren wird. Die letzten fünf Jahre haben gezeigt: Nicht der Verlust eines Cheftrainers, sondern der des Sportchefs würde den FC St. Pauli wirklich ins Mark treffen.

Welche/r Trainer*in kommt zum FCSP?

Womit wir den Blick in die Zukunft wenden: Wer kann auf Fabian Hürzeler beim FC St. Pauli folgen? Sicher ist, dass medial nun ein ganzer Berg voll von Namen auf den FC St. Pauli zufliegen wird, dies ja bereits in den letzten Tagen passiert ist. Wichtig dürfte bei der Suche sein, wie gut der/die neue Cheftrainer*in zu Kader und Spielidee passt. Noch wichtiger ist, bevor man nun einzig anhand der häufig genutzten Spielsysteme der Kandidat*innen auf die Suche geht: Der Spielstil des FCSP könnte/wird sich durch den Aufstieg in die Bundesliga verändern. Die Spielidee von Hürzeler als Vergleichswert zu nutzen ist somit sicher nicht falsch, aber eine stumpfe Kopie sollte nicht der Ansatz sein. Das ist sowieso unmöglich, wie Hürzeler selbst bei uns im Podcast erklärte.

Klar ist, dass der FC St. Pauli mit Fabian Hürzeler den besten Trainer verloren haben dürfte, den er aus sportlicher Sicht jemals hatte. Diesen Verlust auch nur ansatzweise zu ersetzen, ist eine echte Mammutaufgabe. Aber der Transfer, auch wenn der ganze Prozess sehr schnell lief, dürfte niemanden mehr überraschen. Viel überraschender wäre es nun, wenn Andreas Bornemann & Co sich nicht auf diese Situation vorbereitet hätten. Die Hoffnung, dass der FCSP nun schnell eine/n Nachfolger*in präsentieren kann, sie dürfte berechtigt sein. Und damit richtet sich der Blick ab sofort konsequent nach vorne.

// Tim

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