Jude Bellingham – Real Madrids taktische Antwort, die der FC Bayern nicht fand | OneFootball

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·29 April 2024

Jude Bellingham – Real Madrids taktische Antwort, die der FC Bayern nicht fand

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Nach sechs Jahren ist Real Madrid wieder zu Gast beim FC Bayern München. Im Fokus bei den Gästen steht Jude Bellingham, der torgefährlichste Mittelfeldspieler Europas. Bellingham ist Carlo Ancelottis kreative Antwort, die seine Trainerkollegen Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel beim FC Bayern nach dem Lewandowski-Abgang nicht fanden.

Der FC Bayern ist groß, Real Madrid ist größer. Seit 2012 konnten sich die Bayern nicht mehr gegen den spanischen Rivalen durchsetzen. 20142017 und 2018 war Real Madrid jeweils Endstation für den FC Bayern in der Champions League.


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In der laufenden Saison erteilt Real Madrid dem FC Bayern eine weitere Lehrstunde: Real Madrid zeigt dem FC Bayern, wie ein Kader trotz Baustellen funktionieren kann. Während die Münchner die enttäuschende Saison 2022/23 hauptsächlich auf das Fehlen eines Mittelstürmers von Champions-League-Format zurückführen, zeigt Carlo Ancelotti, dass es anscheinend doch ohne Mittelstürmer geht.

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Ausgangslage: Real und Bayern ohne Weltklasse-Mittelstürmer

Lewandowski verlässt den FC Bayern 2022

Robert Lewandowski war als Mittelstürmer beim FC Bayern gesetzt. In 375 Spielen für den FC Bayern erzielte er 344 Tore. In seinen acht Jahren beim Club gewann er acht deutsche Meisterschaften und 2020 die Champions League.

2020 und 2021 wurde er zum FIFA-Weltfußballer gewählt. Lewandowski war einer der Eckpfeiler des Bayern-Teams der letzten Jahre. Im Alter von 33 Jahren wechselte er im Sommer 2022 für 45 Millionen Euro zum FC Barcelona.

Für die Offensive verpflichtete der FC Bayern den Weltstar Sadio Mané und den talentierten Mathys Tel.

Der FC Bayern verzichtete jedoch auf die Verpflichtung eines 1-zu-1-Ersatzes für Robert Lewandowski. Es wurde ein Übergangsjahr vor dem Megatransfer von Harry Kane.

Benzema verlässt Real Madrid 2023

Karim Benzema war als Mittelstürmer bei Real Madrid gesetzt. In 648 Spielen für Real Madrid erzielte er 354 Tore. In seinen vierzehn Jahren beim Club gewann er vier spanische Meisterschaften und fünfmal die Champions League.

2022 wurde er mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet. Benzema war einer der Eckpfeiler des Real-Teams der letzten Jahre. Im Alter von 35 Jahren wechselte er im Sommer 2023 ablösefrei zu Al-Ittihad nach Saudi-Arabien.

Für die Offensive verpflichtete Real Madrid Joselu, einen 33-jährigen Weltenbummler, der fast jährlich seine Vereine wechselt und bei Real als Back-up vorgesehen ist. Außerdem kehrte der 24-jährige Offensivallrounder Brahim Díaz nach seiner Leihe zum AC Mailand zurück nach Madrid. Auch er ist eher ein Spieler für die Kaderbreite.

Real Madrid verzichtete damit sowohl auf die Verpflichtung eines 1-zu-1-Ersatzes für Karim Benzema als auch auf die Verpflichtung anderer offensiver Spitzenspieler. Es sollte ein Übergangsjahr vor dem geplanten Megatransfer von Kylian Mbappé werden.

Vakuum im Sturm: Bayern ohne Antwort, Real mit Jude Bellingham

Nagelsmann und Tuchel finden keine nachhaltige Antwort

Julian Nagelsmann startete mit einem 4-2-2-2-System in die erste Saison nach Lewandowski. Serge Gnabry und Sadio Mané überzeugten als fluide Doppelspitze mit Unterstützung und Rochaden von Jamal Musiala und Thomas Müller.

Mit Leroy Sané und Kingsley Coman in der Hinterhand konnte man sich vorstellen, dass diese neue flexiblere Offensive des FC Bayern Spaß machen würde. Drei Siege in den ersten drei Spielen mit einem beeindruckenden Torverhältnis von 15:1 bedeuteten den besten Bundesligastart.

Als Gegner erste wirksame Anpassungen gegen die Doppelspitze fanden, ging Nagelsmann zum 4-2-3-1 zurück, in dem sich unter anderem Müller und Mané als Mittelstürmer versuchten. Ab Mitte Oktober spielte sich Eric Maxim Choupo-Moting als Mittelstürmer fest. Bis zur WM-Pause lief Choupo-Moting neunmal in Folge in der Startelf auf. Auch dank zehn Toren von “Choupo” gewann der FC Bayern alle neun Spiele.

Im neuen Jahr konnte Choupo-Moting die Herbst-Form nicht ganz halten, später verletzte er sich. Nagelsmann versuchte es noch partiell mit einer Dreierkette, schaffte es aber mit keiner Formation, die offensive Durchschlagskraft aus dem Sommer oder Herbst wiederzubeleben.

Nagelsmanns Nachfolger Thomas Tuchel setzte überwiegend auf den bayerische Standard 4-2-3-1 mit wechselnden Sturmspitzen. Serge Gnabry tat sich mit guten Auftritte im Sturm hervor.

In der Analyse der gemessen an den Ansprüchen des FC Bayern trotz Meistertitel eher enttäuschenden Saison reifte an der Säbener Straße und im Experten- und Fanumfeld schnell die Erkenntnis, dass es der entscheidende Fehler war, Robert Lewandowski ohne gleichwertigen Ersatz als Mittelstürmer ziehen zu lassen.

Auf die Idee, dass die Probleme der Saison nicht (nur) am fehlenden Mittelstürmer lagen, kam der FC Bayern nicht. Fast als logische Folge lag der Schwerpunkt des Transfersommers in der Verpflichtung von Harry Kane. Mit seiner Ankunft wollte man an erfolgreiche Lewandowski-Saisons anknüpfen.

Ancelotti macht Jude Bellingham zum Hilfs-Stürmer und es funktioniert

Im Vergleich zum FC Bayern ein Jahr zuvor war die Situation bei Real Madrid noch extremer. Im Kader finden sich nur drei nominelle Spieler für den Sturm, inklusive des Backups Joselu. Zu wenig Optionen für ein Team, das jahrelang auf eine Dreiersturmreihe im 4-3-3 setzte. Im Prinzip standen Ancelotti für seine offensive Stammformation nur Vinícius Júnior und Rodrygo zur Verfügung.

Gleichzeitig verfügte Real Madrid spätestens durch den Zugang von Jude Bellingham über eine Fülle an zentralen Mittelfeldspielern, die vom Potenzial und Anspruch in die erste Elf gehören. Neben Bellingham stehen Toni Kroos, Luka Modrić, Eduardo Camavinga, Federico Valverde und Aurélien Tchouaméni im Kader. Es war deshalb keine Überraschung, dass es kurz Gerüchte über potenzielle Abgänge gab, auch wenn diese nie konkret wurden.

Real verzichtete auf weitere Transferaktivitäten, sodass Ancelotti eine Lösung mit dem bestehenden Personal finden musste. Das tat er. Ancelotti setzt auf ein 4-Raute-2. Bellingham übernimmt in der Regel die offensive Position in der Raute, während Vinícius Júnior (1,76 Meter) und Rodrygo (1,74) als “Small-Ball”-Doppelspitze auflaufen.

Das spielstarke Duo besetzt häufig nicht die zentrals Mittelstürmer-Position, sondern weicht in die Halbräume aus. Das stellt die gegnerische Verteidigung vor Herausforderungen beim Zuordnen und Übergeben zwischen den Abwehrspielern. Kommen Vinícius und Rodrygo aus den Halbräumen in gute Positionen, versuchen sie durch Dribblings oder Kombinationen Chancen zu kreieren.

Bellingham wiederum stößt regelmäßig in die vakante Mittelstürmerposition – und erhöht die Abstimmungsprobleme für die Gegenspieler. Der Plan geht so gut auf, dass Bellingham Stand Ende April mit 21 Toren und zehn Torvorlagen sowohl Toptorschütze als auch Topscorer der Königlichen ist. Zum Vergleich: In 132 Spielen für Borussia Dortmund hatte Bellingham 24-mal getroffen.

Real gewinnt im zeitversetzten Fernduell um die bessere taktische Anpassung

Julian Nagelsmann hatte eine gute Idee für die Zeit nach Lewandowski, für ein System ohne dominanten Mittelstürmer. Ähnlich wie Ancelotti vier Startelfplätze für sechs Mittelfeldstars schaffte, war in Nagelsmanns System Platz für vier Startelfplätze für sechs Offensivstars des FC Bayern.

Nagelsmann wich nach ersten kleinen Rückschläger von seinem Experiement ab. Konnte oder durfte er nicht länger experimentieren?

Auch Thomas Tuchel und das Management mit ihm wagten nach der Entlassung von Nagelsmann keine weiteren kreativen Lösungen. Stattdessen setzte der FC Bayern mit dem Kauf von Harry Kane auf die Lösung mit der Brechstange.

Ancelotti hat mit seine Anpassung des Systems an den Kader mehrere Probleme gelöst: Seine Mittelfeldstars bekommen genug Spielzeit, die Offensive funktioniert auch ohne klassischen Mittelstürmer, Jude Bellingham wurde in kürzester Zeit zum absoluten Superstar des Weltfußalls.

Hätte Carlo Ancelotti einen Ruf als Taktikfuchs statt als Spielerfreund, wäre die Anerkennung für seine formativen Anpassungen sicherlich größer.

Reals Erfolg ohne Mittelstürmer ist keine Ausnahme – aber eine Lehre für den FC Bayern

Der bisherige Erfolg von Real Madrid ohne klassischen dominanten Mittelstürmer ist keine Ausnahme im Spitzenfußball. Manchester City etwa spielte unter Pep Guardiola den dominantesten und in der Premier League erfolgreichsten Fußball, bevor Erling Haaland verpflichtet wurde.

Jürgen Klopps Liverpool wurde englischer Meister und Champions-League-Sieger ohne echten Mittelstürmer. In der erfolgreichsten Phase bildeten Sadio Mané, Mohamed Salah und Roberto Firmino die offensive Dreierreihe.

Die Analyse des FC Bayern nach der Saison 2022/23, dass der Abgang von Robert Lewandowski der große singuläre Fehler war, greift also zu kurz. Der FC Bayern selbst hatte ohne Lewandowski offensiv ein gutes Jahr. Allein in der Bundesliga erzielte die Mannschaft 92 Tore.

Auch der direkte Vergleich zur Saison 2023/24 mit Harry Kane im Sturm zeigt klar, dass der fehlende Mittelstürmer nicht das entscheidende Problem war – schließlich spielt Kane eine herausragende Runde, der FC Bayern aber nicht.

Für den FC Bayern könnte es eine wichtige Lehre sein, dass einfache Antworten nicht immer die richtigen sind. Im Kader war und ist mehr Veränderung nötig als eine Rolle rückwärts zu einem Weltklasse-Mittelstürmer hin.

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