Das große db24-Interview mit MagentaSport-Kommentator Oliver Forster: 1860 braucht einen wie Bruchhagen! | OneFootball

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·13 September 2024

Das große db24-Interview mit MagentaSport-Kommentator Oliver Forster: 1860 braucht einen wie Bruchhagen!

Article image:Das große db24-Interview mit MagentaSport-Kommentator Oliver Forster: 1860 braucht einen wie Bruchhagen!

Treffpunkt München, Cafe Glockenspiel. Herausragender Blick auf den Marienplatz, auf den Rathaus-Balkon, auf dem der TSV 1860 in den 90er Jahren das ein oder andere Mal stehen durfte und Zehntausenden zujubelte. Längst Geschichte fürs Panini-Album, vor einigen Jahren haben die Blauen Platz vier auf dem Dach des Löwenstüberls gefeiert - mehr Kontrast geht nicht. Mittlerweile quälen sich die Löwen durch die Dritte Liga. Vor dem Heimspiel gegen den Tabellendritten Dynamo Dresden (Samstag, 14.03 Uhr, db24) haben wir uns mit MagentaSport-Kommentator Oliver Forster getroffen. Der 56-Jährige, der sonst über Champions League und Bundesliga spricht, kommentiert die Partie im ausverkauften Grünwalder Stadion (ab 13.45 Uhr). Forster, der in München-Bogenhausen lebt, hat eine der markantesten Stimmen im deutschen Fußball. Sein Hauptarbeitgeber ist Sport1, seit über einem Jahr ist er auch für MagentaSport als Kommentator aktiv. Forster tippt für db24 ein 2:2 in diesem Duell. Das db24-Interview:

db24: Herr Forster, wie bereiten Sie sich auf dieses Traditionsduell 1860 gegen Dresden vor? Mehr Tradition, mehr Wucht geht nicht in der Dritten Liga…


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OLIVER FORSTER: Ganz wichtig ist für mich tatsächlich: Die Blaue24! Deswegen weiß ich über Sechzig unglaublich viel Bescheid. Ich habe 1860 in dieser Saison schon auf meinem Raster, weil ich schon zwei Spiele kommentiert habe - das gegen den VfB Stuttgart 2 und Viktoria Köln. Und bei Dynamo Dresden habe ich mich längst eingelesen. Ich kenne den Thomas Brendel, den Sport-Geschäftsführer, sehr gut. Ich habe lange in Frankfurt gelebt - wie er auch. Und ich habe natürlich auch Gespräche mit den beiden Trainern und den Pressesprechern, damit ich, wenn ich den Verein zum ersten Mal in dieser Saison kommentiere, auch über jeden einzelnen Spieler etwas erzählen kann. Und natürlich kümmere ich mich auch um die Historie: Das ist bei 1860 und Dresden natürlich einfacher - weil die nah ist. Und dann wirfst dich rein und badest in dem Spiel. Geht’s noch geiler? Das ist für Dritte Liga mega. Ich kommentiere Champions League, 1. Liga, 2. Liga und Pokal - aber 1860 gegen Dresden ist mit Sicherheit ein Highlight-Spiel.

Nein, überhaupt nicht! Ich finde das hoch angenehm - weil es keinen VAR gibt. Das ist für den Kommentator einfach gut. Der Ball ist im Tor, das Stadion jubelt. Das Tor zählt. Es steht 1:0 oder 2:0. Es geht keiner her im Kölner Keller und kuckt 3,5 Minuten, ob einer kurz davor mit der Fußspitze im Abseits gestanden hat. Ich habe das Gefühl, dass in der Dritten Liga die Fehlerquelle überschaubar ist und wenn sie da ist, kann ich sie als Kommentator relativ schnell auflösen. Und außerdem spielen unglaublich viele Traditionsvereine in der Dritten Liga: Saarbrücken, Mannheim, Rostock, Dresden oder 1860. Mir macht das einen riesen Spaß, auch wieder über Sechzig zu reden. Trotz dieser Abwärtsspirale, in der sich 1860 befindet, ist der Verein in dieser Stadt immer noch ein Faktor.

db24: Warum mobilisiert dieser Verein immer noch so viele Herzen?

Es gibt Vereine in Deutschland, die geben dir diese Vibration. Ich habe 15 Jahre in Frankfurt gelebt. Ich habe den Niedergang von Eintracht Frankfurt erlebt. Ich bin im Dezember 1992 an den Main gezogen, um meine erste große Radiostelle anzutreten. Ich war mit 24 bei FFH der jüngste Sportchef in Deutschland. Damals war die Eintracht kurz vor der deutschen Meisterschaft - und dann haben sie Jupp Heynckes als Trainer eingekauft. Das ist gnadenlos schiefgegangen. Er war nicht immer hochdekoriert, das sollte man wissen. Erst auf seine alten Tage bei Bayern hatte er als Trainer-Moderator Erfolg. Und dann ging’s mit großen Namen 1996 in die Zweite Liga. Und um die Parallelen zu 1860 zu finden: Dann sind da immer mehr Menschen aufgetaucht, die du selbst als Journalist gar nicht kanntest. Da hat man sich gefragt: Wo kommen die her? Die kamen aus allen Löchern gekrochen. Da gab es einen Präsidenten von der AOK aus Erfurt, der irgendwann in Frankfurt gelebt hat. Diese Menschen wollten sich alle in den Vordergrund spielen und sich in der Sonne des Adlers ablichten lassen. Und dann ist dieser Verein mehr oder mehr runtergesackt, er hatte über Jahre größte Probleme. Und dann kam ein Move.

db24: Was genau?

Verschiedene Investoren und Finanziers hatten den Gedanken, Heribert Bruchhagen zu verpflichten. Das war die Rettung für Eintracht Frankfurt. Von diesem Tag an ging es nur nach oben. Und genau das wünsche ich auch 1860. Für mich war das ein unglaubliches Learning, dass man so nicht weiterkommt. Du brauchst gestandene oder fähige Leute, die so einer Aufgabe und diesem permanenten Gegenwind gewachsen sind. Das ist für 1860 der einzige Weg, wieder nach oben zu kommen. Dieser Verein müsste also einen installieren, der über den Dingen steht. Gibt man so einer Kategorie zwei Jahre Zeit, ist die Tür geöffnet. Und dann kannst du mit Träumereien anfangen. Und das ist möglich, wenn es 1860 gelingt, so eine Persönlichkeit zu finden.

db24: Haben Sie einen Vorschlag?

1860 hat einen entscheidenden Vorteil: Der Verein ist in einer der populärsten Städte Deutschlands beheimatet. Es ist nicht nur etwas Luft nach oben, sondern unendlich Luft nach oben. Du kannst dich mit ganz vielen Projekten noch populärer machen, deine Bekanntheit steigern. Wenn wir uns jetzt zwei, drei Stunden hinsetzen würden, hätten wir zwei, drei Namen, die das Format für 1860 hätten. Es gibt so viele große Köpfe mit einem bekannten Namen. Wenn ich mir jetzt zwei Namen in der Dritten Liga anschaue: Olaf Janßen oder Pavel Dotchev. Die machen das sensationell. Die bringen Stabilität und Kommunikation, die halten Gegenwind aus. Da fängt es schon an. Du brauchst einen erfahrenen Chef in der ersten Reihe. 1860 braucht einen, der das kann, der das schon mal unter Beweis gestellt hat. Es gibt Menschen, die das können. Die zweite Prio: du brauchst eine gute Stadion-Lösung. Keine verklärte Sicht auf dieses Thema.

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db24: Guter Punkt. Was schwebt Ihnen vor?

Als Zugroaster - wie man hier sagt, gibt es in München eines der schönsten Stadien der Welt. Das Olympiastadion. Das hätte man längst für 1860 kompatibel machen können. An diesem tollen Ort - und dann strahlst du das blau an und der Großteil der Löwen-Fans freut sich. Und dann gehst du mit der Familie des verstorbenen Architekten deine Sehnsüchte durch. Natürlich kannst du ein Glasdach über die Gegengerade ziehen, dann nimmst du die Konzertveranstalter an die Hand. Dieses Stadion ist Weltgeschichte. Warum soll das nicht gut genug sein für 1860? Ich verstehe das nicht. Du baust das Stadion auf 60.000 Plätze mit 18 Blöcken um. Dann wird jeder sagen: Okay. Und dann spielst meinetwegen im Sommer ein Vorbereitungsturnier im Grünwalder Stadion, um die Traditionalisten abzuholen.

db24: Ein Freund des Grünwalder Stadions scheinen Sie nicht unbedingt zu sein.

Das ist nicht richtig, aber: Wenn ich in meiner Reporterkabine sitze, dann sehe ich nicht mal die Trainer, weil die Dächer vergilbt sind. Das ist irre. Da gibt es keine anständigen Toiletten. Das ist vorbei, das Thema ist durch. Ich glaube, dass du viele Fan-Interessen unter einen Hut bekommst, wenn du im Sinne des Fußballs handelst. Ein Fortschrittsgedanke kann sehr wohl im Sinne des Fußballs sein. Ich glaube, du bekommst die Leute ins Boot, wenn es dir aufrichtig darum geht, Dinge zu bewegen.

db24: Auf der 1860-Seite hast du solche Funktionäre im operativen Geschäft und im Präsidium nicht, die das anpacken können.

Ich will den Leuten nicht zu nahe treten: Ich kannte Marc-Nicolai Pfeifer von den Stuttgarter Kickers: Er war dort zunächst Marketingmann und dann Geschäftsführer, die Kickers waren Fünfte Liga - und wird dann Boss bei 1860. Und dann folgen Oliver Mueller, der schon wieder weg ist, und Dr. Christian Werner, der sicher sein Bestes gibt. Als erfahrener Journalist bist du dann erst einmal skeptisch. Mein Eindruck ist, dass durch die Widrigkeiten im Klub in den letzten Jahren viele Kompromisse geschlossen wurden - und das ist ein Problem.

db24: Lassen Sie uns über den Sport bei den Löwen reden.

Wenn die Mannschaft anfangs der letzten Saison ein Spiel weniger gewonnen hätte, weiß ich nicht, wo 1860 heute spielen würde. Möglicherweise wieder in der Regionalliga Bayern. Es ist die allererste Pflicht, die diese Saison für 1860 zählt: Man muss den Abstieg abwenden! Man sagt mir, dass die Atmosphäre besser sei, dass man Agis Giannikis sehr schätzt. Und dann gab’s gleich drei Rückschlage zu Saisonbeginn. Ich sehe 1860 natürlich gefährdet, wenn du so startest. Das kann sich stabilisieren. 1860 ist so ein Verein, der gegen einen Großen wie Dynamo Dresden eher gewinnt als gegen den SC Verl. Allererste Pflichtaufgabe ist den Abstieg abzuwenden und eine starke Persönlichkeit mit Ahnung und Erfahrung und Stallgeruch zu finden. Ich meine nicht Münchner Stallgeruch, sondern Fußball-Stallgeruch.

db24: War es richtig, dass Agis Giannikis sein Wunsch-System, das 4-2-2-2, wieder in die Tonne gekloppt hat?

Absolut! Meine Erfahrung ist, dass sich Spieler in der Dritten Liga im 4-2-3-1 am wohlsten fühlen. Für das 4-2-2-2 brauchst du Zeit, und 1860 hat keine Zeit.

db24: Wie kam in der Außenwelt die Planeten-Präsentation an, als der Verein verkündete, bis 2029 die Nummer 2 in Bayern sein zu wollen.

Wenn es nicht unterfüttert wird, ist es schlecht. Ich frage mich: Warum gibt es keinen bei 1860, der den Anschieber gibt. Warum gehst du nicht ins Olympiastadion, wo Coldplay oder Taylor Swift Konzerte geben? Da ist doch kein Bayern-Branding mehr, das wäre dann das Sechzger Stadion. Du musst die jungen Leute mit ins Boot nehmen. 1860 muss sich entwickeln und modern werden. Von 1860 sieht man in der Stadt nicht mehr viel. Je länger man in dieser Situation verharrt, desto schwieriger wird es, wieder nach oben zu kommen.

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