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·16 January 2025
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Welche positiven Impulse nimmt der Amateurfußball aus 2024 mit? Wo [...]
Welche positiven Impulse nimmt der Amateurfußball aus 2024 mit? Wo müssen wir 2025 ansetzen, um die Situation zu verbessern?
Fragen, die man sich zum Jahreswechsel stellte. Zur ersten muss man die gestiegene Zahl der Mitglieder unter dem DFB-Dach nennen. Zwar gibt es einen leichten Rückgang der Vereine (0,6 %), aber einen deutlichen Anstieg der Mitglieder von 2,7 %. Besonders erfreulich: Der Zuwachs findet überproportional bei Kindern und Jugendlichen statt, vor allem bei den jüngsten Mädchen und Jungen. Auch wenn die demografischen Merkmale günstig sind: Der Amateurfußball boomt trotz Playstation und massiver Nutzung von Social Media.
Ebenfalls zu begrüßen ist die Kinderfußballreform, die gegen den Willen einiger Altvorderen (Watzke, Baumgart, Hamann) durchgesetzt werden musste. Auch wenn sie den Vereinen an der Basis organisatorisch einiges abverlangt, es wird Druck aus dem Kessel genommen, gibt mehr Ballkontakte, die Durchlässigkeit wird erhöht. Der in England ausgebildete Musiala und die vielen spanischen Talente zeigen zudem, dass die Reform auch der Spitze zugutekommt.
Obendrein erhalten Vereine, deren ehemaligen Jugendspieler den Sprung in die Profiwelt schaffen, eine bessere Ausbildungshonorierung. Auch wenn eine Portion Glück dazu gehört: Eine breite und gut aufgestellte Jugendarbeit in den Vereinen erhöht die Chancen, belohnt zu werden. Zudem erkennen einige Profivereine, dass sie bei den Kleinsten lieber mit den Amateurklubs kooperieren sollten, als ihnen schon Siebenjährige abzujagen. Spät ist nicht zu spät, wobei das Modell längst noch nicht überall angekommen ist.
Dennoch bleibt der Eindruck, als würde die Lobby des Amateurfußballs weiter sinken. Nicht nur dass Kanzlerkandidat der Union den Fußball als Ort der Gewalt ausgemacht hat und tatsächlich in einem Atemzug mit dem rechtsextremen Attentat in Magdeburg nennt. Parteiübergreifend sucht man vergeblich nach klugen und offensiven Vorstößen aus der Politik, den Amateurfußball in der gesellschaftlichen Wahrnehmung aufzuwerten. Auch bei unseren Verbänden würde ich mir diesbezüglich deutlich mehr Leidenschaft wünschen.
Dabei wäre es einfach, wenn man nur wollte. In kaum einer Sonntagsrede fehlt eine Bemerkung über die integrative Kraft des Fußballs. Nur haben die warmen Worte keinerlei Konsequenzen. In Berlin haben zuletzt Kultur, soziale Organisationen, Bildungsträger und Wissenschaft gegen die Sparorgie der Landesregierung protestiert. Ein Aufruf der Sportverbände für die Verbesserung der Bedingungen im Amateursport blieb aus. Gleichzeitig erhöhen sie ihre Mitgliedsbeiträge, werden auch andere finanzielle Rahmenbedingungen für die Vereine schwieriger. Hinter vorgehaltener Hand monieren sogar Präsidiumsmitglieder die Zurückhaltung der eigentlich doch als Interessensvertreter des Sports gewählten Vertreter.
Eine Umfrage unter rund 100 Expertinnen und Experten aus dem Fußball kommt immerhin zum Ergebnis, dass sich das Image des DFB verbessert hat, was wohl nicht zuletzt mit dem von Hrubesch und Nagelsmann verbreiteten Geist in den Nationalteams zu tun hat. Gleichwohl gibt es eine weitere unmissverständliche Forderung der Fachleute: Es muss mehr für den Amateurfußball getan werden.
Begrüßenswert ist der Beschluss für den Safe-Sport-Code, der aber auch eine zusätzliche, wenn auch notwenige Herausforderung an die Vereine darstellt. Und tatsächlich hat sich der DFB gemeinsam mit dem DOSB durchgerungen, zehn Forderungen zur Bundestagswahl zu veröffentlichen. Die Forderung nach einem Sportministerium ist wahrlich nicht neu, aber natürlich ebenso richtig wie der Wunsch nach den Allgemeinplätzen „Reduzierung der Bürokratie“ und „Offensive für den Schulsport“. Positiv zu bewerten sind die Erwähnungen dieser Themen:
Bitter enttäuscht bin ich, dass es keine klare Stellungnahme in Richtung rechtsextremer und demokratiefeindlicher Parteien gibt. Auch die Forderung nach ausdrücklicher Akzeptanz und Stärkung von Vielfalt kommt nicht vor. Was Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungen bei Spielerinnen und Spielern anrichten, können Nichtbetroffene maximal erahnen. Hier hätte es ein klares Zeichen gebraucht. Schon jetzt haben weniger als 60 % aller Schüler keine persönliche Einwanderungsgeschichte.
Dabei sind die soziale Nachhaltigkeit sowie der viel beschworene Zusammenhalt und der Abbau von Diskriminierung Grundpfeiler des Amateursports. Es geht nicht um Verklärung, aber gerade im Fußball kommen Leute aus allen Milieus und Blasen zusammen. Das heißt nicht, dass sich alle permanent umarmen. Aber wo sonst begegnen sich so viele unterschiedliche Menschen?
In anderen Ländern werden längst präventive Konzept und integrative Ansätze gefördert. Hierzulande gibt es Studien und Fachbücher, wird der Amateursport aber in erster Linie als finanzielle Belastung angesehen. Wie viele Vorfälle zu Silvester hätte über aufgrund besserer Bedingungen für Sportvereine verhindert werden können?
Zu wenig Nachdruck bei der Politik – und den Medien – ist das eine. Fehlende Kreativität ist das andere. Wäre ich DFB-Vizepräsident für den Amateurfußball würde ich als Erstes eine große emotionale Kampagne initiieren, mit dieser die Aufmerksamkeit auf den Amateursport lenken. Und ich würde nach Verbündeten suchen. Jüngst gab es die Meldung, die Stiftung der Nationalmannschaft würde 50 x 1.000, — Euro für Amateurvereine bereitstellen. Donnerschlag! Das Tagesgehalt vieler Akteure liegt über dieser Summe! 50.000, — Euro geteilt durch die Anzahl der deutschen Fußballclubs sind sage und schreibe 2,07 Euro pro Verein. Merkt ihr selbst, werte Kollegen, oder?
Ich würde zudem eine „Stiftung Amateurfußball“ ins Leben rufen. In diese müssten alle Profivereine gerade einmal 0,1 % ihres Umsatzes einzahlen. Allein damit kämen 5,24 Mio. Euro zusammen. Wobei 1 Prozent der angemessenere Wert sein dürfte. Denn allein die Top 4 der Bundesliga (München, Dortmund, Leipzig, Leverkusen) gaben 2023 zusammen fast 110 Mio Euro nur für Spielerberater aus. Alles eine Frage der Prioritäten. Den Profikickern und ihren Ratgebern könnte man das eine Prozent abziehen, das würden die gar nicht merken.
Gleichzeitig könnte man Spenden für so eine Stiftung gewinnen, ob nun aus Unternehmen, anderen Stiftungen oder von den vielen vermögenden Menschen in diesem Land. Da es viele Milliardäre wie Hopp, Kühne, Kind oder andere mit einer engen Bindung zum Fußball gibt, sollte sich auch da etwas machen lassen. Zumal eine Win-Win-Situation entstünde. Bei besseren Bedingungen könnten die Amateurvereine auch besser ausbilden, was der Spitze zugutekäme.
Wie die Verteilung des Geldes der Stiftung im Detail gestaltet würde? Ich hätte durchaus Ideen, würde das aber partizipativ in der angemessenen Breite diskutieren wollen. Zum Beispiel auf dem Hartplatzhelden-Kongress, der im Mai in Berlin ausgerichtet wird. Hier wollen wir mit allen Interessierten aus Vereinen und Verbänden die Zukunft des Amateurfußballs diskutieren. Mehr dazu in Kürze.