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·10 October 2024

378 lange Tage, „Herr Matthäus“ und Idol Klose – Das ist DFB-Neuling Jonathan Burkardt

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Jonathan Burkardt ist eines der neuen Gesichter im DFB-Kader. Der Mainzer ist nach einer langen Leidenszeit zurück im Rampenlicht.

DFB: Burkardt war schon vor der Katar-WM ein Thema

Eigentlich sollte es nur ein flapsiger Post der PR-Abteilung des 1. FSV Mainz 05 sein. Zum 3:0 beim FC St. Pauli steuerte Jonathan Burkardt zwei Tore bei, sein Verein teilte ein Bild des Stürmers mit der Überschrift „Danke für deinen Anruf, Julian.“ Wenig später klingelte das Telefon tatsächlich und Julian Nagelsmann nominierte den Kapitän der 05er anstelle des angeschlagenen Kai Havertz für die DFB-Elf nach.


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Ob sich der Bundestrainer nach dem X-Beitrag aufgefordert sah, der Bitte Folge zu leisten, ist nicht bekannt. Jonathan Burkardt wird es herzlich egal sein. Der Angreifer war begeistert: „Ich konnte nicht mehr richtig zuhören, als ich nachnominiert wurde.“ Nach vielen Rückschlägen, einer langwierigen Verletzung und Fast-Abstiege ist der treffsicherste Deutsche der laufenden Saison erstmals im Kreis der Nationalmannschaft dabei und will Eindruck hinterlassen. Ein Aufstieg über Umwege.

Schon vor mehreren Jahren wurde der heute 24-Jährige als Kandidat für die Nationalmannschaft ins Gespräch gebracht. Im Sommer 2021 wurde er mit der U21 Europameister und übernahm anschließend das Kapitänsamt bei den DFB-Junioren. In der folgenden Saison 2021/2022 traf Burkardt elfmal und stand in allen 34 Bundesliga-Spielen auf dem Platz. U21-Nationaltrainer Antonio di Salvo traute dem Nachwuchsangreifer sogar eine Teilnahme an der WM 2022 zu: „Ich würde ihm wünschen, dass es für Katar reicht. Falls nicht, ist es für mich nur eine Frage der Zeit, wann er oben ankommt.“

Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis der Bundestrainer am anderen Ende der Leitung sein sollte. Auf den Durchbruch folgte eine lange Leidenszeit. Die Spielzeit 2022/2023 wurde zur Seuchensaison und warf das Talent weit zurück. Schon zu Beginn rissen ihn kleinere Blessuren und Infekte aus dem Rhythmus und verhinderten, dass der Mainzer sich für den WM-Kader in Position bringen konnte.

Am 13. November 2022 stand er gegen Eintracht Frankfurt noch auf dem Platz, es sollte seine letzte Partie für über ein Jahr bleiben. Ein Knochenmarködem machte dem 45-maligen Juniorennationalspieler zu schaffen, der sich zwei Operationen unterziehen musste. Mit Anfang 20 verlor er ein ganzes Jahr in seiner Entwicklung.

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Eric Smith kommt zu spät: Jonny Burkardt erzielt sein zweites Tor gegen St. Pauli. (Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Nach 378 Tagen Zwangspause: Burkardt wird zum Garant im Abstiegskampf

378 Tage später gab das Eigengewächs endlich sein umjubeltes Comeback. Mitten im Abstiegskampf kehrte Burkardt zurück und fand sich mit seinem Klub am Tabellenende wieder. Nach der Hinrunde hatten die 05er nur einen Sieg auf der Habenseite, es drohte der Absturz in die zweite Liga.  Dass in Mainz auch in der aktuellen Saison Erstligafußball gespielt wird, hängt unmittelbar mit drei Neuzugängen im Winter 2023/2024 zusammen.

Zwei Externen und einem Gefühlten. Mittelfeldmotor Nadiem Amiri kam aus Leverkusen und wurde gleich zum Unterschiedsspieler, Trainer Bo Henriksen brachte neuen Schwung und Ideen mit – und Jonathan Burkardt fand zurück zu alter Stärke. „Eine Verletzung ist in jeder Situation blöd. Umso stolzer bin ich, dass ich es geschafft habe, die Zeit hinter mir zu lassen“, blickte er am Adidas-Campus in Herzogenaurach auf die lange Zeit im Wartestand zurück. In der letzten Rückrunde steuerte er acht Tore zur Aufholjagd bei und feierte mit seinem Heimatverein den Klassenerhalt.

Auch sein Standing im Team hat sich mittlerweile geändert. Das Talent ist auf dem Sprung zum Führungsspieler. Im Sommer wurde „Jonny“ zum Vize-Kapitän hinter Silvan Widmer ernannt. Weil der Schweizer derzeit keinen Stammplatz innehat, führte der Stürmer seine Farben bereits in fünf Partien aufs Feld.

Der Start in die neue Saison verlief bei Burkardt und seinem Arbeitgeber bisher sehr positiv. Mainz steht auf einem soliden zehnten Rang, auch weil der Angreifer bereits fünf Tore in der Bundesliga erzielt hat. Nur Frankfurts Shootingstar Omar Marmoush traf öfter.

Drei seiner fünf Treffer erzielte Burkardt mit dem Kopf. Eine Qualität, die an Miroslav Klose erinnert, den der Blondschopf als sein Idol bezeichnet: „Er war körperlich auch nicht der Allerstärkste, aber unfassbar clever in der Box und sehr torgefährlich.“

Fußballerisch bringt auch der gebürtige Darmstädter alle Anlagen mit, die einen Top-Stürmer auszeichnen. Gutes Tempo, engagiert im Pressing, gefährliche Abschlüsse mit Kopf und Fuß. „Er ist eine Maschine und im Eins-gegen-eins und Strafraum sehr, sehr gut“, beschrieb auch sein Coach Bo Henriksen kürzlich die Stärken seines Schützlings und fügte augenzwinkernd an: „Deutschland muss die besten Stürmer der ganzen Welt haben, wenn Jonny nicht dabei ist.“

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Zwei junge Hoffnungen im DFB-Team: Angelo Stiller und Jonathan Burkardt. (Photo by Leonhard Simon/Getty Images)

„Ob ich auf dem Platz stehe, entscheidet jemand anderes“

Jetzt ist Jonny dabei und will im Kreise der Nationalmannschaft erst einmal „alles aufsaugen“. Der Havertz-Ersatz gibt sich zurückhaltend: „Das ist cool und fühlt sich einfach richtig gut an, dass auch ein Mainzer es schaffen kann, mal für die Nationalmannschaft nominiert zu werden. Ich will mich in erster Linie im Training gut präsentieren, mich in die Mannschaft integrieren, das ist mein allererster Fokus. Ob ich auf dem Platz stehe, entscheidet aber jemand anderes.“

Seine angenehme Bodenständigkeit bewies Burkardt erst am vergangenen Wochenende, als er nach dem Sieg über den FC St. Pauli betonte, wie sehr es ihn freue, dass er in der Expertenrunde um „Herr Matthäus“ von Bezahlsender Sky Rede und Antwort stehen dürfe. Als Rekordnationalspieler Lothar Matthäus ihm daraufhin höchstpersönlich das Du anbot, strahlte der Neu-Nationalspieler über das ganze Gesicht.

So überstrapaziert das Bild des „etwas anderen Fußballprofis“ genutzt wird, so gut trifft es auf den Rechtsfuß zu. Auf soziale Medien verzichtet er komplett und lässt sich damit eine enorme Vermarktungsmöglichkeit bewusst entgehen. „Ich möchte mich nicht ablenken lassen. Ich kann mir einfach nur vorstellen, wie viele Kommentare ich mir durchgelesen hätte, wenn ich jetzt Instagram hätte, über A-Nationalmannschaft und Sonstigem. Da möchte ich mir einfach meine realistische Einschätzung bewahren und mich nicht irgendwie beeinflussen lassen von der Scheinwelt, die Instagram, Twitter oder auch Facebook beinhaltet“, erklärte Burkardt schon 2021. Der Mainzer Torjäger will einfach nur kicken. Endlich auch mit dem Adler auf der Brust.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

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