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Rund um den Brustring

·19. Juli 2021

We can’t stop here. This is Vogt-Land!

Artikelbild:We can’t stop here. This is Vogt-Land!

Die VfB-Mitgliederversammlung 2021 ist vorbei, alle Ämter im e.V. sind neu besetzt. Claus Vogt ist der alte und neue Präsident. Aber auch wenn die Versammlung trotz der Länge recht harmonisch verlief: Ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

In einem Büro im Zentrum Hamburgs sitzen drei Männer, die bei einer der angesehensten Zeitungen Deutschlands arbeiten…nee, ich fang anders an, denn ich weiß nicht, ob man in der Buceriusstraße Schokolade riecht oder Hafenluft. Es ist auch eigentlich irrelevant. Also nochmal:


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Wenn man einen Blog startet, so heißt es, dann sollte man über das schreiben, was einen bewegt, was einem wichtig ist und mit dem man sich auskennt. Wer sollte das besser wissen als Oliver Fritsch, Journalist bei Zeit Online, Mitverfasser von “House of Stuttgarts” und nach eigener Aussage schon Blogger zu einer Zeit, als es das Wort noch nicht gab. Nun gut. Was mich bewegt? Der VfB Stuttgart und guter Journalismus. Ich nehme dabei nicht für mich in Anspruch, Journalist zu sein, auch wenn ich früher Praktika in dem Bereich gemacht habe und in meinem beruflichen Umfeld ein Volontariat absolviert habe, welches sich auch mit journalistischen Inhalten und Darstellungsformen beschäftigt. Weswegen ich auch meine, in der Lage zu sein, Journalismus kritisch einordnen zu können und in Bezug auf den VfB Stuttgart das Subgenre Sportjournalismus. Es gibt ganz ausgezeichnete SportjournalistInnen, die über den Tellerrand der täglichen Clickbait-Hatz hinausblicken und sich nicht in abgedroschenen Phrasen ergehen. An denen versuche ich mich zu orientieren. Oli Fritsch ist so jemand. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir ihn einmal bei uns im Podcast zu Gast hatten, nicht nur weil ich seinen Journalismus schätze, sondern weil er wie ich als VfB-Fan im Hessischen aufgewachsen ist. Als mir zugetragen wurde, dass der letzte große mediale Angriff der Mitgliederbescheißer im VfB-Umfeld nicht von der Bild kam, sondern von der Zeit und speziell von Fritsch und Marc Brost, ebenso VfB-affin und schon beim BrustringTalk zu Gast, war ich erstmal überrascht bis fassungslos. Weniger ob des Inhalts, den ich da noch nicht kannte, als vielmehr aufgrund des Timings. Ein Artikel, nein, wie sich Donnerstagabend herausstellen sollte, eine ganze Serie zum “Machtkampf” beim VfB Stuttgart, drei Tage vor der Wahl und damit quasi viel zu kurz, um sich auf dessen Grundlage eine fundierte Meinung zu bilden, was ja eigentlich auch Aufgabe des Journalismus ist. Nach einer, wie sich herausstellen sollte, monatelangen Recherche, die mit Sicherheit nicht erst am Donnerstagabend beendet war. Kann man machen, hat aber ein Geschmäckle, wie so vieles in der Vergangenheit beim VfB.

Die digitale Elite in der Echokammer

Den Artikel selber hat Steffen auf Bruddelei schon ziemlich gut filetiert. Aber natürlich ist Steffen, der lange Interviews mit Vogt und Steiger führte, befangen, wie wir am Freitag lernen durften. Denn schließlich hat “eine starke Twitter- und Podcast-Community ihr Urteil schon gefällt (…): Vogt ist der Gute und daran ist nicht zu kratzen. Aber mein Eindruck ist, dass viele VfB-Fans und Blogger die anderen Seiten gar nicht mehr hören.”, wie Fritsch auf seiner Facebook-Seite schreibt. Und im Artikel schreiben er und seine Kollegen, die vielfältige Twitter-, Blogger und Podcaster-Szene beim VfB sei “über die Jahre eine kleine digitale Elite geworden. Vogt findet bei ihr Gehör und umgekehrt, sie ist Teil seiner Machtbasis.” Ein “Kenner der Szene” verortet etwa 100 Twitter-Nutzer, die den “Machtkampf” zwischen Vogt und Hitzlsperger entschieden hätten. Quasi ein Teil von “Vogt-Land”, ein Begriff, der angeblich innerhalb des Vereins gebraucht wird und den Fritsch und Brost – und ich nenne nur die beiden, weil ich Arne Storn nicht kenne und nicht im VfB-Kosmos verorten kann, wahrscheinlich weil er damit nichts zu tun hat – damit in die Öffentlichkeit tragen. Und damit komme ich auch gleich zur Mitgliederversammlung, zu deren Anlass dieser Artikel ja scheinbar geschrieben wurde.

Zunächst sei mir aber ein kleiner Exkurs gegönnt. Wenn im Kontext des VfB von Bloggern und Podcastern gesprochen wird, fühle ich mich angesprochen. Sollte ich damit nicht gemeint sein, möge man mir das mitteilen. Vor gar nicht allzu langer Zeit, nämlich im Sommer 2019, lobte Fritsch auf Twitter die “wache Gegenöffentlichkeit”, die rund um den VfB entstanden sei. Aus dieser wachen Gegenöffentlichkeit ist in der Zwischenzeit eine in Selbstbestätigung und Echokammern gefangene Elite geworden, die vereinsinterne Machtkämpfe entscheidet. Und warum? Weil Fritsch und seine Kollegen Sachen herausgefunden haben, die uns bislang unbekannt waren oder von denen wir zwar gehört hatten, aber ohne Belege und dazu von Leuten, die in Bezug auf Claus Vogt ihre eigene Agenda haben und dabei in der Vergangenheit nur wenig Respekt vor den Mitgliedern hatten. Aber, so Fritsch auf Facebook, man müsse die Fans ja verstehen, wenn sie sich über den Zeit-Artikel schon vor Veröffentlichung echauffieren. Schließlich stelle dieser “ihren Liebling in Frage”. Ich habe es schon am Samstag geschrieben: Bislang konnte mir niemand überzeugend erklären, warum eine Wiederwahl Vogts den Untergang des VfB bedeuten würde. “House of Stuttgarts” versucht nach eigenen Angaben aufzuklären, stellt aber diejenigen, die man aufklären will, erstmal als unkritischen Vogt-Kult hin. Wenn Du Vogt bisher für einen tadellosen Präsidenten gehalten hast, bist Du der Dumme, bevor du überhaupt gelesen hast, warum er es angeblich nicht ist.

Eine Frechheit

Ob man damit wirklich der Dumme ist, sei mal dahingestellt. Aber Bloggern und Podcastern und anderen aktiven VfB-Fan zu unterstellen, sie seien, ich verkürze, blinde Vogt-Fans, ist, gelinde gesagt, eine Frechheit. Natürlich gibt es auf Twitter und auch bei den anderen Blogs und Podcasts eine starke Sympathie für Vogt und manch einer auf Twitter ist vielleicht wirklich sehr einseitig. Der Vorwurf geht aber dahin, man stelle eine Person über den Verein – ein ziemlich ungeheuerlicher Vorwurf an Menschen, die sich seit Jahren dafür engagieren, dass mit VfB-Mitgliedern respektvoll umgegangen wird. Dass der VfB nicht nach Gutsherrenart geführt wird wie unter Wolfgang Dietrich. Die wache Gegenöffentlichkeit von 2019 hat sich nicht verändert, die Personalsituation beim VfB hingegen schon. Dietrich ist nicht mehr Präsident. Aber man kann die Ereignisse der letzten sieben Monate nicht betrachten, ohne den Namen Wolfgang Dietrich mitzudenken. Wenn man über Wolf-Dietrich Erhard spricht, den ehemaligen Vorsitzenden des Vereinsbeirats, der den Präsidenten eigentlich kontrollieren und nicht Gefälligkeitsinterviews für ihn auf der Vereinswebseite geben sollte und der später den Mitgliedern das Recht verwehren wollte, über die Amtszeit von Claus Vogt zu urteilen. Wenn man über Dr. Bernd Gaiser spricht, dreieinhalb Jahre lang Präsidiumsmitglied unter Wolfgang Dietrich, der ihn mit seiner Amtsführung gewähren ließ während die wache Gegenöffentlichkeit Sturm lief während er bei Claus Vogt die Hände alles andere als in den Schoß legte. Wenn man über Rainer Mutschler spricht, der zwar erst kurz vor Dietrichs Rücktritt für Neu-Sportvorstand Thomas Hitzlsperger ins Präsidium aufrückte, aber als Projektleiter Ausgliederung schon ein ziemlich mieser Projektleiter gewesen sein muss, wenn er nichts von der Datenweitergabe und dem “Guerilla-Marketing” mitbekommen haben muss. Diese Kontinuitäten werden im Zeit-Artikel nicht nur übersehen, sie werden, wenn es um die Bewertung von Erhard, Gaiser und Mutschler geht, sogar ignoriert. So offensichtlich, dass man sich fragen muss, von wem überhaupt die ganzen Leaks stammen. Zum Beispiel steht im Artikel:

In einer Präsidiumssitzung in größerer Runde am 15. Januar 2020 will Vogt über die Expertengruppe abstimmen lassen, doch dazu kommt es nicht, wie sich mehrere Beteiligte erinnern.

Wer erinnert sich denn da nicht? Die Präsidiumsmitglieder Mutschler und Gaiser, eventuell der Vereinsbeiratsvorsitzende Erhard, der glaube ich auch qua Amt gelegentlich an diesen Sitzungen teilnimmt? Könnte es vielleicht sein, liebe Zeit-Journalisten, dass wir hinter der Kritik an Claus Vogt Zusammenhänge sehen, die Ihr überseht, weil ihr die Zeit vor und nach Wolfgang Dietrichs Rücktritt getrennt betrachtet? Vielleicht wäre an dieser Stelle etwas mehr Quellenkritik angebracht oder, wenn Eure Quellen andere sind, gründlichere Recherche, wie ich sie mir eigentlich von Euch, siehe oben, erwartet habe.

Nun aber zur Mitgliederversammlung. Nicht nur Claus Vogt, auch Christian Riethmüller und Rainer Adrion, werden gewählt, auch Vogts angebliches “Mastermind” André Bühler ist erneut im Vereinsbeirat. Wie der damit “für Höheres” bereitstehen soll und das bereits vor der Wahl, diese Erklärung bleiben die Zeit-Journalisten in ihrem sowieso von Vermutungen durchzogenen Artikel schuldig. Aber egal. Wer erst den Zeitungsartikel gelesen hat und dann die Mitgliederversammlung verfolgt hat, fühlt sich wahrscheinlich wirklich im “Vogt-Land” angekommen. Wo der “Fan-Präsident” den VfB nach seinem Gusto umbaut zum, wie es angeblich in Foren heißt “politisch vorbildlichen Zweitliga-Club”. Ein geschickter Schachzug derjenigen, die Fritsch und Kollegen diesen griffigen Ausdruck so gekonnt ins Ohr flüsterten, dass diese ihn mehrfach im Artikel aufgreifen. Dass Ämter, trotz des in der Tat problematischen, aber in der von Wolfgang Dietrich und seinen Getreuen zusammengeschusterten Satzung begründeten, Zirkelbezugs immer noch durch Wahlen und nicht per Ernennung von König Claus besetzt werden, fällt dabei völlig hinten runter. Abgesehen davon, dass Vogt auch nur eine Person im Wahlausschuss zum Vereinsbeirat ist. Aber egal. Wer wie die Protoganisten des in der Überschrift zitierten Films etwas eingeschmissen hat, sieht Fledermäuse, wer zu viel “House of Stuttgarts” gelesen hat, sieht ein Vogt-Land.

Hauptsache, es bleibt was hängen

Dass die Wahl verloren war, muss jenen Leuten, die die Zeitjournalisten mit Infos versorgten, schon lange klar gewesen sein. Es ging quasi nur noch darum, Vogt, um im Fußballjargon zu bleiben, wenigstens den Rasen kaputt zu treten. Den jeder Wahlsieg, der seinem Lager zugeordnet wird, jede so deutliche Nicht-Entlastung von Dietrich, Mutschler und Gaiser, das überdeutliche Wahlergebnis für Vogt, all das zahlt ein auf das Narrativ, dass Vogt und seine “Mitstreiter” jetzt endgültig den Verein übernommen haben. Damit wird wie schon eben erwähnt, eine trotz geringer Wahlbeteiligung demokratische Wahl im Nachhinein in moralischen Zweifel gezogen: Vogt hat sich erst durch Tricks an der Macht gehalten und diese dann mit Hilfe willfähriger Fans ausgebaut. Dass es die mit wenigen Ausnahmen und trotz der Länge wahrscheinlich seit langem harmonischste Mitgliederversammlung der letzten Jahre war, lag auch daran, dass bei der Aussprache keiner Partei für Pierre-Enric Steiger ergriff, der angeblich mit seinem Zukunftskonzept schon so viele Menschen überzeugt hatte. Man braucht jetzt also nicht so zu tun, als wäre mit dem Wahlsieg von Claus Vogt endlich Schluss mit Manipulation und Mitgliederverarsche. Genauso wenig, wie 2019 mit dem Rücktritt von Wolfgang Dietrich Schluss war damit. Es war ein Fehler, damals den Mantel der Versöhnung über bestimmten Leuten auszubreiten. Ein Fehler, den wir kein zweites Mal begehen sollten. Wilfried Porth hat angekündigt, dass er sich im Falle einer Wiederwahl aus dem Aufsichtsrat zurückzieht und ich erwarte, dass er diese Ankündigung auch in die Tat umsetzt. Gleichzeitig erwarte ich auch von den neu gewählten Gremienmitgliedern, dass sie in ihrer Arbeit das Wohl des Vereins über ihre eigenen Interessen stellen. Sollte das nicht der Fall sein, werde nicht nur ich, sondern auch andere Blogger und Podcaster und Twitternutzer ein waches Auge darauf haben. Auch bei Claus Vogt.

Nun, aber zurück zu meinem zweiten Grund fürs Bloggen, nebem dem VfB: Sportjournalismus. Man könnte den Zeitartikel als typischen Fall von schlechtem Journalismus abtun, der für ein bisschen Aufmerksamkeit viel Wind um relativ wenig macht. Ich gehöre aber nicht zu denjenigen, die sofort “Lügenpresse” oder einen anderen, nicht nationalsozialistisch belegten Begriff schreien. Umso mehr ärgert es mich, wenn ich “House of Stuttgarts” lese und darunter die Namen von von mir geschätzten Journalisten. Das geht schon bei der Überschrift los, einer verunglückten Anspiel auf “House of Cards”, die aber nur phonetisch nicht aber inhaltlich Sinn ergibt. Überhaupt ist vieles überflüssig in diesem Artikel. Nicht nur die vielen Wiederholungen bereits genannter Inhalte, die nur sinnvoll sind, wenn man eine solche Serie über mehrere Wochen streckt, aber nicht, wenn man alle Teile gleichzeitig raushaut. Auch die blumigen Beschreibungen der Szenerie machen den Artikel unnötig lang. Dass es in Claus Vogts Wohnort nach Schokolade riecht oder dass seine Firma in Facility Management macht, hat inhaltlich keinen Mehrwert, höchstens dient letzteres als Framing, wie Steffen schon herausgearbeitet hat. Aber das sind Oberflächlichkeiten. Wenn die LeserInnen der Zeit derart lyrische Textpassagen gerne lesen – sei es drum. Vielleicht ist die reißerische Aufmachung des Trailers, die sich immer wieder im Text wiederfindet, auch notwendig, um mehr Abos zu verkaufen. Meinetwegen, ich bin der letzte, der der Meinung ist, das Journalismus kostenlos sein sollte. Es sind aber abgesehen von der Diffamierung von engagierten Fans und der bereits Ignoranz gegenüber den personellen Kontinuitäten der letzten Jahre vor allem die vielen inhaltlich zweifelhaften Passagen, die mich wütend machen. Wütend, weil ich so schlechten Journalismus nicht von so guten Journalisten erwartet habe. Wenn ich in den folgenden Zeilen das von Steffen bereits Kritisierte wiederhole: Verzeiht es mir und: Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Nachgefragt? Scheinbar nicht

Fritsch und Kollegen schreiben in Teil 1:

Dass es mit dem Neuen an der Vereinsspitze und den vielen Alten von Anfang an nicht funktioniert, hat aber wohl vor allem mit Vogt selbst zu tun, der schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit überfordert scheint und streckenweise, so schildern es Beteiligte, kaum eine Sitzung vernünftig leitet. In Besprechungen hat er wichtige Zahlen nicht parat, er verschleppt Entscheidungen oder kann sich hinterher nicht mehr an sie erinnern.

Wer sich mit dem VfB in den letzten sieben Monaten eingehend beschäftigt hat, dem sind die Vorwürfe nicht neu. Sie stammen teilweise von Thomas Hitzlsperger, teilweise wurden sie schon Ende 2o2o in den Stuttgarter Nachrichten zitiert von, natürlich, Carlos Ubina. Allein: Belege gab es dafür nicht. Aber die Zeit hat auch Beweise: Vogt habe nachträglich ein Sitzungsprotokoll verfälscht. Dies zeige “wie er arbeitet”. Vogt hat am Freitagabend noch entgegnet, er habe in der Tat um eine nachträgliche Änderung des Protokoll gebeten, dieses sei auf der nächsten Sitzung verabschiedet worden. Wohl kaum von Vogt alleine, entweder Gaiser oder Mutschler, wenn nicht sogar beide müssen diesem veränderten Protokoll ebenfalls zugestimmt haben. So wie es in solchen Gremien Usus ist. Ob das Protokoll abgestimmt wurde, erfährt man im Artikel nicht. Wahrscheinlich, weil niemand nachgefragt hat. Eine ganze Liste von Beschwerden schicken Gaiser und Mutschler schließlich an den Vereinsbeirat. Vogt, so die Schlussfolgerung, sei Gefahr gelaufen, dass er “womöglich nicht lange Präsident bleiben wird. Denn wenn die Vorwürfe stimmen, kann ihn der Vereinsbeirat kaum zur Wiederwahl vorschlagen.” Ich schließe gar nicht aus, dass Vogt am Anfang Fehler gemacht hat, aber auch hier stehen für mich die Absichten von Mutschler und Gaiser infrage. Nicht weil ich Vogt für fehlerfrei halte, sondern weil  Gaiser und keine unbeschriebenen Blätter sind. “Vielleicht”, schreiben sie in der Zeit “wäre Vogt – gemessen an den Vorwürfen, die seine Gegner zusammengetragen haben – heute nicht mehr VfB-Präsident.” Doch wäre er, weil seit damals bis gestern Abend keine Mitgliederversammlung stattgefunden hat. Denn nur diese kann den Präsident abwählen oder seines Amtes entheben. Rein theoretisch kann dies auch der Vereinsbeirat, indem er ihn nicht zur Wiederwahl aufstellt. Was auch versucht wurde, wie problematisch das ist, habe ich hier mehrfach ausgeführt. Für die Zeit-Journalisten aber scheinbar eine gangbare Option “gemessen an den Vorwürfen”.

Dass er trotzdem Präsident bleibt, liegt laut Fritsch und Kollegen am bekannt gewordenen Datenskandal – galant wird auch hier die Folge von VfB STR mit Andreas Schlittenhardt ignoriert, bei der nicht nur ich, sondern ehrlich gesagt auch Claus Vogt und Thomas Hitzlsperger hätten hellhörig werden müssen. Hier wird infrage gestellt, dass Vogt erst am 28. September, als der Artikel im kicker erschien, davon erfuhr und dass er erst zu diesem Zeitpunkt Esecon beauftragte. Das wird, mit den üblichen rechtssicheren Vermutungsformulierungen daran festgemacht, dass am Tag vorher ein Esecon-Mitarbeiter ohne Übernachtungsosten von Böblingen nach Filderstadt fuhr. Wie Steffen bereits herausgerarbeitet hat, ein ziemlich schwaches Indiz. Etwas stichfester soll ein Dokument sein, welches Donnerstagabend auch von VfB STR auf Twitter gepostet wurde, das eine Beauftragung Esecons durch Vogt am 28. Februar 2020 beweisen soll. Soll heißen: Vogt wusste schon länger Bescheid und Esecon war nicht neutral. Nun sieht die fragliche Zahl in der Tat mehr aus wie eine 2 als wie eine 9. Gleichzeitig frage ich mich, wie groß der Zufall sein kann, dass die angeblich richtige Beauftragung auf den Tag genau sieben Monate vorher stattgefunden haben soll. Hat sich von Euch keiner gefragt, warum es wirklich exakt sieben Monate vorher gewesen sein soll oder ob nicht auch die Option besteht, dass Vogt wirklich eine solche Sauklaue hat, die eine 9 aussehen lässt wie eine 2? Das Urteil der Journalisten ist in jedem Fall schnell gefällt. Wenn mir das mit den sieben Monaten komisch vorkommt, muss das wohl an meiner Echokammer liegen.

Esecon und die angeblich einseitige Berichterstattung

Was Esecon selber angeht, war ich auch skeptisch:

Nur: Weder im e.V. noch in der AG wird Vogt die Gremienmitglieder mit Waffengewalt gezwungen haben, dem Mandat zuzustimmen. Und die Ergebnisse wurden wiederum von mehreren Kanzleien geprüft. Was die Arbeitsweise angeht, steht  Aussage gegen Aussage (ich war nicht auf der Mitgliederversammlung und kann deshalb nicht sagen, was der Esecon-Vertreter an Gegenargumenten vorbrachte): Entweder verschlang Esecon zu viel Geld für zu wenig Ergebnis oder die Ermittlungen wurden durch mangelnde Kooperation unnötig in die Länge gezogen. Womöglich stimmt beides. Wo es aber wieder abenteuerlich wird: Wenn Fritsch und Kollegen die Gründung einer Esecon-Tochter in zeitlichen Zusammenhang mit der Wahl Vogts 2019 stellen. Wie darf ich mir diese Vermutung vorstellen? Vogt steht in Verbindung mit einer Firmengründung, bevor er überhaupt weiß, ob er VfB-Präsident wird, um dieser später Aufträge zuzuschustern in Angelegenheiten, von denen er als Außenstehender vor seinem Amtsantritt genauso viel Ahnung gehabt haben wird wie ich? Das ist es, was ich mit unsauberem Journalismus meine. Der Zusammenhang, der hier suggeriert wird, grenzt ans Absurde.

Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist die Kollegenschelte, die Fritsch und Kollegen betreiben, besonders absurd. “Die öffentliche Darstellung fällt stets eindeutig zu Vogts Gunsten aus” heißt es dort, eine Aussage, die allein ein Blick in die Archive der Stuttgarter Nachrichten oder der Bild-Zeitung widerlegt. Dass der Spiegel aus dem ihm zugespielten Zwischenbericht zitieren kann ist genauso unsäglich wie die Tatsache, dass auch anderen Medien solche Inhalte zugespielt werden. Genauso unsäglich wie der Aktenschrank, der in die Redaktionsbüros der Zeit geliefert worden sein muss. Aber eine eindeutige Berichterstattung zu Gunsten Vogts kann ich beim Besten Willen nicht erkennen, auch nicht in Bezug auf Gaiser und Mutschler. Dazu habe ich mich in den letzten sieben Monaten zu häufig aufgeregt. Nun ist Esecon, das glaube ich nach wie vor, ein ziemlich seltsamer Laden und mir wäre lieber gewesen, der VfB hätte mit denen nichts zu tun gehabt. Nur: Die Ergebnisse, wenn auch nicht der Vorwurf der Behinderung der Ermittlungen, wurde von anderen Seiten bestätigt.

“Was Esecon über die Stuttgarter Datenaffäre herausgefunden hat, hat die Öffentlichkeit im Detail nicht erfahren. Der Verein hat die Berichte nie veröffentlicht.”, heißt es in House of Cannstatt und dabei wird unterschlagen, dass das bislang vor allem aus rechtlichen Gründen der Fall ist, weil Oliver Schraft und Uwe Fischer gegen ihre Entlassung geklagt haben. Ob der Bericht noch veröffentlicht wird und wie, dazu schweigen sich Vogt und Hitzlsperger bis heute aus, warum es bislang nicht veröffentlicht wird, das erfährt man von Fritsch und Kollegen auch nicht. Obwohl es öffentlich erklärt wurde. Da waren sechs Monate Recherche offenbar nicht ausreichend, genauso wie bei einer weiteren ziemlich absurden Passage, bei der mich weniger die Autorenschaft von Politikredakteur Brost, als von Sportjournalist Fritsch erstaunt.

Gewagte sportliche Einschätzung

Abgesehen davon, dass es nicht fraglich, sondern eindeutig geregelt war, ob Hitzlspergers Kandidatur von der Satzung gedeckt gewesen wäre – ein Blick in die Einladung zur Mitgliederversammlung hätte Mitglied Marc Brost für diese Erkenntnis genügt – und dass der Freundeskreis zwar erwähnt, dessen Verlautbarungen aber nicht weiter kritisch hinterfragt werden. Nein es wird die Erzählung vom schlechten Reschke-Kader wiedergekäut – dem angesichts der aktuellen Leistungen von Borna Sosa oder dem Transfer von Nicolas Gonzalez vor allem ein vernünftiger Trainer fehlte. Und so richtig abenteuerlich wird es bei der der Personalie Mislintat und der Einschätzung der letzten Saison.

Sein Sportdirektor Sven Mislintat, über den Arsène Wenger spottete, als Mislintat kurz Scout beim FC Arsenal war, vermied im Frühjahr ein Bekenntnis zum VfB.  Und Rang 9 ist zwar ordentlich für einen Aufsteiger, aber nicht mehr. Allein in den letzten vier Jahren landeten drei Aufsteiger weiter vorne in der Tabelle, darunter der kleine Nachbar SC Freiburg. Glanz erhielt die vergangene Saison vor allem dank des 5:1 in Dortmund, dem Konfettisieg, als die gegnerische Mannschaft aus Dortmund ihren Trainer Lucien Favre erfolgreich loswurde. Die drei anschließenden Spiele gewann der VfB wieder nicht. Das war typisch: Die Mannschaft, angeleitet von Kräften, die zuvor noch nie auf diesem Niveau gearbeitet haben, spielt leidenschaftlich, aber instabil. Sie erinnert an eine A-Jugend.

Dass Mislintat ein Dortmunder Angebot damals reizvoll fand, wissen wir, gleichzeitig bekannte er sich im Nachhinein sehr wohl zum VfB. Dass man sich im Rechercheteam aber nicht mal die Mühe machte, in den Spielplan zu schauen, um zu sehen, dass die drei Gegner nach Dortmund, gegen die der VfB nicht gewinnen konnte, Union, Wolfsburg und Leipzig hießen – mal ganz abgesehen davon, dass man im dritten Pflichtspiel nach Dortmund eigentlich Freiburg aus dem Pokal warf, ist befremdlich. Wie man die Leistung der Mannschaft, die immer wieder nach Rückständen zurückkam, mit der einer A-Jugend gleichsetzen kann, erschließt sich mir nicht. Eine solch negative Einschätzung der Leistung des Aufsteigers haben die Autoren recht exklusiv.

Vielleicht ist da ein Halbsatz am entlarvendsten: “der kleine Nachbar SC Freiburg”. Im vierten Teil wird gemahnt, man dürfe bei der Frage, warum immer nur der FC Bayern Meister werde, den VfB Stuttgart nicht vergessen. Fraglos hat der VfB seine ordentliche Ausgangsposition, die er 2009 hatte, seitdem mehrfach im Klo runtergespült, wie schon mal aufgeschrieben habe. Nur: Dass er dem FC Bayern nicht mehr auf Augenhöhe begegnet, hat damit wenig zu tun. Genauso ist der SC Freiburg, eben auch wegen unserer Abstiege, längst kein kleiner Nachbar mehr. Er ist viel mehr Vergleichsmaßstab für den VfB als es der FC Bayern ist – finanziell sicher nicht, aber was die sportliche Leistung angeht – auch wenn das viele, inklusive Oli Fritsch, nicht hören wollen. Der schreibt stattdessen auf Facebook, er habe mit vielen Meisterspielen von 1984 – seinen Idolen – Kontakt, die sowohl Vogt als auch Hitzlsperger kritisch sähen. “Dem großen VfB Stuttgart, der einst den Bayern ein Konkurrent war”, schreibt Fritsch, könne eine Analyse nur gut tun.

Do your job so I don’t have to

Vielleicht ist das das Kernproblem dieses ganzen Artikels. Die Autoren sympathisieren zwar mit dem VfB, sind aber lange nicht so nah dran wie Lokaljournalisten oder eben Blogger. Egal ob Politikredakteur und Mitglied oder Sportjournalist und ehemaliges Mitglied: Ein bisschen weniger journalistischer Standesdünkel und ein bisschen mehr Vertrauen in die weiterhin wachsame Gegenöffentlichkeit würden neben gründlicherer Recherche vielleicht dazu führen, dass man bessere Artikel über den VfB schreibt und ich mich, aber das ist nur ein Randaspekt, weniger über Menschen ärgern muss, die diesen Ärger grundsätzlich nicht verdient haben.

Zurück zum Tagesgeschehen: Es ist natürlich noch gar nichts vorbei mit der Wiederwahl von Claus Vogt. Es scheint nur eine Frage der Zeit, und sei es eine unvermeidliche sportliche oder eine hoffentlich vermeidbare finanzielle Krise, die die Arbeitsebene, auf der sich Vogt und Hitzlsperger eingefunden zu haben scheinen, wieder aufgebrochen wird. Für diese Zeit wünsche ich mir für mich ein gutes Auge bei der Bewertung der Vorgänge –  und ernsthaften Sportjournalismus, damit Leute wie Steffen und andere nicht die Arbeit übernehmen müssen, für die sie weder bezahlt noch ausgebildet sind, sondern, wie ich nur aus Eigenmotivation und Herzblut für den Verein betreiben.

Titelbild: imago images

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