SV Werder Bremen
·12. Dezember 2024
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Mit vier Tagen Vorlaufzeit bis zur Saisonvorbereitung nahm Micha Alexander die Aufgabe als Cheftrainer der 2. Frauen an (Foto: WERDER.DE).
Vom Praktikanten zum Cheftrainer. Kaum ein Lebenslauf steht so sinnbildlich für den Werder-Weg, wie der von Micha Alexander, Trainer der 2. Frauen und Nachwuchskoordinator im Juniorinnenbereich. Als ausgebildeter Lehrer für Sport und Wirtschaft fand Alexander bei Werder im Frauenfußball Halt. WERDER.DE spricht mit dem gebürtigen Eckernförder über seine Doppelfunktion seit Juli diesen Jahres und den Traum vieler Spielerinnen vom Übergang aus dem Jugend- in den Lizenzmannschaftsbereich.
WERDER.DE: Moin Micha, als Spieler in der Oberliga und Landesliga hast du dich mit dem Rasen von so manchem Verein in Schleswig-Holstein und Niedersachsen vertraut gemacht. Was gibt dir deine Vita als Spieler für Coachingqualitäten?
Micha Alexander: Moin, man profitiert davon, in vielen verschiedenen Situationen schon selbst gewesen zu sein. Also zum Beispiel auf einer neuen Position oder vor vielen Menschen zu spielen. Wenn man länger selbst gespielt hat, entwickelt man dieses Gespür immer besser. Auch, wenn es darum geht, eine Bindung mit Spielerinnen aufzubauen, ist das nützlich. Das ist mir als Trainer sehr wichtig.
Ich möchte nicht der Guardiola sein, der jeden Pass orchestriert und immer genau vorgibt, wann eine Spielerin welchen Raum besetzen muss.
Micha Alexander
WERDER.DE: Der Schritt zum Cheftrainer der 2. Frauen im Sommer war ein logischer, der gut in die Chronologie deiner Karriere passt. Birte Brüggemann, Abteilungsleiterin Frauenfußball, bezeichnete die neue Aufgabe als den „nächsten Entwicklungsschritt“ in deiner Trainerlaufbahn. Würdest du da mitgehen?
Micha Alexander: Ja, da würde ich mitgehen. Vielleicht war meine erste Trainerstation bei Werder sogar die unlogischste, weil ich direkt als Co-Trainer beim ersten Frauenteam in der Bundesliga angefangen habe, als ich gerade fertig mit dem Studium war. Während meines Praktikums in der Fußballschule habe ich das scheinbar ganz ordentlich gemacht. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch relativ limitierte Trainererfahrung und dann kam dieser hohe Einstieg. Es ging daraufhin erstmal wieder einen Schritt zurück, zuerst als Landesauswahltrainer der U14 beim Bremer Fußballverband und bis zum Sommer Co-Trainer der U17-Juniorinnen. Seit Juli bin ich jetzt Cheftrainer der zweiten Frauen. Das ist definitiv ein neuer Entwicklungsschritt, der mit bestimmten Herausforderungen verbunden ist, die man als Co-Trainer nicht hat.
WERDER.DE: Würdest du vielleicht sogar sagen, dass man als Co-Trainer zugänglicher war zu seinen Spielerinnen und eben nicht „der Frontmann“?
Micha Alexander: Es ist eine total andere Rolle. Als Co-Trainer bist du ein ständiger Vermittler und kannst aus der Ferne beobachten. Man wirkt eher im Hintergrund. Die Verbindung mit den Spielerinnen ist auch eine andere. Jetzt ist man der erste Ansprechpartner. Man ist sicherlich mehr in der Schusslinie und der finale Buhmann, wenn es unbequeme Entscheidungen zu treffen gibt.
In den Fächern Sport und Wirtschaft absolvierte Alexander sein Referendariat (Foto: Indorf Sportfotographie).
WERDER.DE: Wie blickst du auf das erste halbe Jahr zurück?
Micha Alexander: Es macht mir extrem viel Spaß. Ich hatte eigentlich nur vier Tage Zeit, bevor wir in die Vorbereitung gestartet sind. Zum Glück haben mich Sebastian Grunert, mein Vorgänger als Nachwuchskoordinator, und vor allem Alexander Kluge, Trainer der U17-Juniorinnen, sehr unterstützt. Der Start war sicherlich erstmal rucklig. Bestimmte Dinge mussten angepasst werden. Wir machen jetzt immer wieder Videoanalysen, dazu kommt eine zusätzliche Trainingseinheit. Die Spielerinnen müssen mehr investieren, wir als Trainerteam investieren gleichzeitig auch sehr viel. Dazu kommt noch meine Tätigkeit als Nachwuchskoordinator, der Beginn meiner Trainer A-Lizenz und die Heirat im Juli. Ein sehr ereignisreiches halbes Jahr also. Rückblickend bin ich absolut zufrieden, was die Entwicklung der Mannschaft angeht. Im Vergleich zum Juli hat sich wirklich viel Positives bewegt.
WERDER.DE: Der Erfolg gibt dir zuletzt Recht. Dein Team ist seit vier Spielen ungeschlagen in der Frauen-Regionalliga Nord. Wie würdest du dein Trainerprofil beschreiben? Taktikfuchs, Laptoptrainer, Medizinballfetischist?
Micha Alexander: Was ich immer versuche, ist, ein empathischer und zugänglicher Trainer zu sein, der einen klaren Plan hat, den er vermittelt. Gleichzeitig will ich meine Spielerinnen mit einbeziehen und Verantwortung übertragen. Ich möchte nicht der Guardiola sein, der jeden Pass orchestriert und immer genau vorgibt, wann eine Spielerin welchen Raum besetzen muss. Ich bin selbst ein Mensch, der sich immer frei entfalten möchte und das will ich auch meinen Spielerinnen ermöglichen.
Meistens ist ein freies Wochenende trotzdem mit viel Fußball bestückt. Normalerweise spielt ja immer mindestens eines der Frauenteams. Sprich: Meine Couch wird dann zum Spielfeldrand.
Micha Alexander
WERDER.DE: Warum ist die Kombination aus Trainer der zweiten Frauen und Posten als Nachwuchskoordinator so reizvoll?
Micha Alexander: Dieser zeitliche Übergang ist für mich einfach spannend. Ich war ja bereits U14-Landesauswahl-Trainer und kenne viele Spielerinnen von damals noch. Die spielen jetzt in der U17 oder der zweiten Frauenmannschaft. Auch die Trainer*innen in den einzelnen Trainerteams kenne ich schon länger. Es macht großen Spaß mit allen handelnden Personen zusammenzuarbeiten. Als Trainer der zweiten Frauenmannschaft bin ich ein Stück weit das Bindeglied zwischen Lizenzmannschaft und Jugendbereich. Aus Trainerperspektive ist es mir sehr wichtig, dass die Spielerinnen in eine gewisse Richtung ausgebildet werden und ein klares Konzept dahinterliegt.
In der Regionalliga-Nord steht das Team von Micha Alexander momentan auf Rang sechs (Foto: Indorf Sportfotographie).
Was sollen unsere Spielerinnen am Ende können? Was für Positionsprofile gibt es? Wie wollen wir als Werder Bremen überhaupt Fußball spielen? Das Gesamtsystem muss passen, damit wir immer wieder an diese Zielsetzung herankommen, Spielerinnen aus dem Jugendbereich in die erste Frauenmannschaft zu überführen. Ich bin dieser Kontaktpunkt in beide Richtungen. Da ist es natürlich hilfreich, dass ich mich entsprechend stark in die Gestaltung des Jugendbereichs einbringen kann und nah dran bin. Auch damit alle Parteien dieselbe Sprache sprechen. Ich selbst bin gelernter Lehrer und genieße es, Menschen bei ihrer Entwicklung zu begleiten. Durch meine Rolle bin ich an der Entwicklung in vielen Bereichen beteiligt.
WERDER.DE: Was macht die Zusammenarbeit mit den anderen Verantwortlichen im Frauenfußball bei Werder so vertrauensvoll und wie ist der Frauenfußball bei Werder für die rasante Entwicklung, die ihm zugesagt wird, gewappnet?
Micha Alexander: Ich kenne hier viele Personen über eine lange Zeit. Aus diesen Erfahrungen hat man Erkenntnisse gezogen und ein Vertrauensverhältnis zueinander aufgebaut. Wir haben Zeiten durchlebt, in denen die Unterstützung im Frauenbereich gesamtgesellschaftlich und deutschlandweit nicht so groß war, wie zum heutigen Zeitpunkt. Es war manchmal frustrierend zu sehen, dass nicht immer die Schritte gemacht worden sind, die in unseren Augen sinnvoll gewesen wären.
WERDER.DE: Das heißt konkret…
Micha Alexander: Wenn es damals um Trainingszeiten, Verpflegung, Zustände der Trainingsplätze oder Bezahlung von Spielerinnen ging, waren die Bedingungen bei weitem noch nicht so professionell, wie jetzt. Auch für die Spielerinnen war das schwierig. Wie sollte man von einer Spielerin, die morgens um 5.00 Uhr aufsteht und acht Stunden im Lager arbeitet, um 19.00 Uhr auf dem Trainingsplatz Höchstleistungen erwarten, die sie natürlich nicht abrufen kann? Ich habe aber das Gefühl, dass wir als SV Werder Bremen in den letzten Jahren sehr große Schritte nach vorne gemacht haben. Wir rudern mit noch mehr Power gerade in dieselbe Richtung und haben die nötige Unterstützung, um großes zu bewegen.
2018 war Alexander sechs Monate als Praktikant in der Werder-Fußballschule tätig (Foto: WERDER.DE).
WERDER:DE: Einige von den Spielerinnen, die du betreut und trainiert hast, haben den Sprung in den Lizenzmannschaftsbereich des Frauenfußballs geschafft. Nimmst du sowas als eine persönliche Auszeichnung wahr?
Micha Alexander: Mich freut es einfach total für sie. Nehmen wir mal das Beispiel Reena Wichmann. Sie gehört in der ersten Frauenmannschaft zum Stammpersonal und ich konnte sie auf ihrem Weg ein Stück begleiten und ein paar Impulse mitgeben. Das ist für mich aber keine persönliche Errungenschaft, weil am Ende extrem viele Personen in diesem Prozess involviert sind. Der wichtigste Faktor ist die Spielerin selbst. Eigenantrieb und Wille, sich jeden Tag verbessern zu wollen, sind ausschlaggebend. Gleichzeitig ist der Abstand größer geworden, dass dieser Sprung aus dem Jugendbereich in den Lizenzbereich gelingt. Das ist ein Auftrag für uns, das System so weiterzuentwickeln, um diese Durchlässigkeit weiterhin sicherzustellen.
WERDER.DE: Was unternimmt ein Micha Alexander, wenn er mal ein spielfreies Wochenende genießen kann?
Micha Alexander: Meistens ist ein freies Wochenende trotzdem mit viel Fußball bestückt. Normalerweise spielt ja immer mindestens eines der Frauenteams. Sprich: Meine Couch wird dann zum Spielfeldrand. Aber das ist ja Hobby und Beruf gleichzeitig und meine große Leidenschaft. Wenn ich mich mal komplett davon distanziere, spiele ich zum Beispiel sehr gerne Tennis und verbringe ansonsten Zeit mit meiner Familie – oder in anderen Worten – mit meiner Frau und meiner Katze.
WERDER.DE: Vielen Dank Micha, dass du Rede und Antwort gestanden hast und viel Erfolg für den Rest der Saison.