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OneFootball·6. März 2024
Wie Thomas Müller gestern eine Hochzeit ruinierte

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OneFootball·6. März 2024
Noch ist unsere Gesellschaft vielleicht nicht so weit, aber in einer nicht allzu fernen Zukunft wird es ganz normal sein, dass man sich auf deutschen Standesämtern die Verehelichung mit Torerfolgen beurkunden lässt. Der Druck wird irgendwann schlicht zu groß werden: Immer wieder wollen Leute, so bekunden sie es zumindest regelmäßig in sozialen Netzwerken, ein Tor heiraten.
Dabei ist die Heirat eines Tores keineswegs als Ausweg für von der menschlichen Liebe enttäuschte Seelen zu verstehen. Denn genau wie Menschen, ganz egal wie groß die Liebe einmal war, einen plötzlich aus dem Nichts im Stich lassen, können auch Tore uns verlassen oder wir uns von Toren entlieben.
Manchmal geht es ganz schnell, wenn der VAR die Ehe schon nach kürzester Zeit für ungültig erklärt. Dann könnte man zwar eigentlich weiter zusammenbleiben, doch es macht ja keinen Sinn mehr und spätestens beim nächsten Tor merkt man, dass es im Leben immer weiter geht.
Deutlich schlimmer ist es natürlich, wenn ein Tor einen erst nach langer Zeit verlässt. Zum Beispiel, wenn der Torschütze zum Rivalen wechselt und sich all die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit plötzlich irgendwie falsch anfühlen. Doch am allerschlimmsten ist immer noch: Die Liebe, die nicht erwidert wird.
Gestern Abend, da verliebten wir uns in ein Tor von Matthijs de Ligt. Kurz vor der Pause im CL-Achtelfinal-Rückspiel gegen Lazio passierte es, als de Ligt sich beim Stand von 1:0 mal kurz nicht so sehr um Physik, normale Bewegungsabläufe und den Fakt, dass er ja eigentlich ein niederländischer Innenverteidiger und nicht Zinédine Zidane ist, scherte.
Als Lazios Ciro Immobile eine Guerreiro-Ecke von der linken Seite per Kopf verlängerte, landete der Ball dort, wo Matthijs de Ligt gerade noch gewesen war und darum geht es ja vor allem: Gleichzeitig lief er rückwärts, schoss aber vorwärts und jagte die Kugel aus 15 Metern ins Netz. Ein Traumtor! Beziehungsweise: Ein Tor, mit dem man getraut werden möchte.
Sofort wollten wir es heiraten, ja, es war so schön, dass wir uns schon unser Leben mit diesem Tor ausmalten. Wir würden es für immer lieben, für es alles machen. Wir würden uns um dieses Tor kümmern, ihm jeden Wunsch von den Lippen ablesen.
Wir würden mit diesem Tor auch in eine schreckliche Doppelhaushälfte in einem ätzenden Vorort ziehen, damit unsere Kinder auf gute Schulen gehen könnten, es ihnen an nichts fehlen würde und sie selbst irgendwann mal zu schönen Toren werden. Natürlich niemals so schön wie das Mutter-Tor, aber das wäre ja auch gar nicht nötig, denn wir hätten es an unserer Seite, bis der Tod uns scheiden würde. Dachten wir.
Doch dann tauchte Thomas Müller auf und nahm uns alles. Er musste nur kurz den Schädel reinhalten, unser geliebtes Tor nur ganz leicht touchieren und schon war es weg. Es verschwand mit Thomas Müller Richtung Eckfahne und war plötzlich sein Tor, als hätte es uns nie gegeben.
Einen Tag später, mit etwas Abstand, fragen wir uns nun: Was bleibt von diesem Tor, das am Ende gar keins war? Haben wir uns die Liebe nur eingebildet? Oder haben wir uns vielleicht einfach nur darin geirrt, wen wir da heiraten wollten? Denn womöglich wird es irgendwann in der Zukunft, wenn Hochzeiten mit Toren längst Gang und Gäbe sind, ja auch möglich sein, die eigene Liebe zu einer Vorlage standesamtlich beglaubigen zu lassen.
Denn dass ikonische CL-Aktionen, in die man sich verliebt, kein Tor sein müssen, ja nichtmal in einen Torerfolg münden müssen, hat Matthijs de Ligt schon einmal bewiesen.
Diese Rettungsgrätsche auf der Linie, damals am 8. März gegen PSG. Was waren wir verliebt. Hoffen wir, dass es in Zukunft ganz egal ist, was für eine Aktion man heiraten darf. Denn nichts Schöneres könnten wir uns vorstellen als eine Dreiecksbeziehung mit Matthijs del Ligts Rückwartsvorlage und seiner Rettungsaktion gegen PSG.