OneFootball
Annika Becker·3. Juli 2022
In partnership with
Yahoo sportsOneFootball
Annika Becker·3. Juli 2022
Nach fünf Jahren in der Bundesliga wechselt Lineth Beerensteyn in diesem Sommer vom FC Bayern München als erste Niederländerin zu Juventus Turin. Sowohl in Verein als auch im niederländischen Nationalteam steht sie immer etwas hinter den ganz großen Namen, dabei hat sich längst zu einer festen Größe entwickelt.
Angefangen hat für Lineth Beerensteyn alles beim DC Delft und mit Vorbild Ronaldinho, dessen Tempo und technische Skills sie als Kind bewunderte. Nach einem Wechsel in die Jugend von ADO Den Haag wurde sie dort schon nach nur einem Jahr ins erste Team hochgezogen. Zwei niederländische Pokalsiege später landete sie über Twente Enschede im Jahr 2017 schließlich in der Bundesliga beim FC Bayern München.
Parallel durchlief sie alle niederländischen Nachwuchsnationalteams und feierte 2016 ihr Debüt für die A-Nationalelf. Bei dem EM-Sieg der Niederlande 2017 kam Beerensteyn nur zu Kurzeinsätzen, 2019 spielte sie beim Erreichen des WM-Finales eine größere Rolle und war in jeder der Partien involviert. Bei der EM 2022 gehört die inzwischen 25-Jährige aller Voraussicht nach zum Stammpersonal.
Das niederländische Nationalteam ist gespickt mit internationalen Stars wie Vivianne Miedema, Daniëlle van de Donk oder Dominique Janssen. Da gerät schon mal in den Hintergrund, dass Lineth Beerensteyn sich in den letzten Jahren zu einer echten Größe entwickelt hat. Mit ihren Qualitäten könnte Beerensteyn bei dieser EM wichtig für die Niederlande werden.
Meistens wird sie als offensive Flügelspielerin auf der rechten Seite eingesetzt. Wenn über Beerensteyn geschrieben oder gesprochen wird, wird oft ihre Physis hervorgehoben und ihre Entscheidungsfindung infrage gestellt. Es stimmt, dass sie sehr schnell ist – eine derartig eingrenzende Zuschreibung entspricht aber auch einem rassistischen Bias, das bis heute häufig in der Sportberichterstattung zu finden ist: Schwarze seien physisch und Weiße intelligent. Das führt zu schlichtweg falschen Beschreibungen, wie im Falle von Beerensteyn.
Die Angreiferin hat nämlich einen sehr analytischen Blick dafür, wann und wie sie im Pressing anzulaufen hat. Sie wählt den Winkel ihres Laufes sehr bewusst jedes Mal so, dass der Ball möglichst zu einer ihrer Mitspielerinnen prallen kann, falls sie selbst ihn nicht sofort kontrollieren kann. Bayerns Ex-Trainer Jens Scheuer erkannte diese Stärke und setzte Beerensteyn vor allem in Champions League Partien entsprechend ein.
Manchmal spielte Beerensteyn dann auch auf der linken Seite, sodass sie mit ihrem stärkeren rechten Fuß direkt nach innen ziehen konnte. Joe Montemurro, ihr neuer Trainer bei Juventus Turin, hat bereits angekündigt, diese Flexibilität ebenfalls nutzen zu wollen.
Über die letzten fünf Jahre hat Beerensteyn wettbewerbsübergreifend pro Spiel durchschnittlich 4,6 Defensivzweikämpfe geführt und davon knapp über 60 Prozent gewonnen. Ihr gelangen rund 4,4 Balleroberungen pro Spiel, 68,5 Prozent davon in der gegnerischen Hälfte. Was sich nur schwer in Zahlen ausdrücken lässt, ist Beerensteyns Fähigkeit durch den von ihr erzeugten Druck zwar nicht selbst sofort den Ball zurückzuerobern – ihre Gegenspielerin aber zu einem Fehlpass zu zwingen.
Die Niederlande versuchen immer wieder Pressing-Situationen auf dem Flügel und im Halbraum zu erzeugen, die zu einem unter Druck gespielten Pass ins Zentrum führen. Dort kommen dann eine Jackie Groenen oder Sherida Spitse dem Ball entgegen und fangen ihn ab.
Wenn Beerensteyn dann in die Offensive umschaltet, ist sie auch mit Ball sehr schnell und schafft es mit ihrer Technik häufig, sich im Eins-gegen-Eins durchzusetzen, sie gewinnt 51 Prozent ihrer Dribblings. Eingeschränkt ist sie in ihren Offensivaktionen, weil sie nicht beidfüßig ist. Mit ihrem besseren rechten Fuß kann sie entweder von der rechten Seite auf die kopfballstarke Miedema flanken, oder wie schon beschrieben von links nach innen ziehen und den Abschluss suchen. Das ist für das andere Team auf Dauer vorhersehbar und kann verteidigt werden.
Ihr Passspiel ist gut, aber nicht herausragend. Beim FC Bayern München möchte man sich in Richtung eines dominanten Ballbesitzspiels weiterentwickeln und Beerensteyn wollte mehr Spielzeit, ihr Vertrag wurde entsprechend nicht verlängert. Für Juventus Turin und die Niederlande ist sie mit ihren Fähigkeiten aber eine wichtige Spielerin, die es in beiden Kadern so sonst nicht gibt.
Live
Live