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Antonia Hennigs·9. April 2020
Was wäre eigentlich, wenn Schalke 2001 Meister geblieben wäre?

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Antonia Hennigs·9. April 2020
Es war wohl die Saison mit der spektakulärsten Meisterentscheidung, die es im deutschen Fußball je gegeben hat. Die Bundesliga 2000/01 hätte dramatischer kaum enden können.
Bayern München hatte am letzten Spieltag drei Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten aus Schalke. Nur wenn Bayern gegen den HSV verlieren und Schalke Zuhause Unterhaching bezwingen sollte, stünde S04 aufgrund der besseren Tordifferenz am Ende auf Platz eins. Königsblau gewann furios mit 5:3 und auch der HSV traf in der 89. Minute tatsächlich zur Führung gegen den FC Bayern.
Premiere-Kommentator Hansi Küpper verkündete: „Der Deutsche Meister im Jahre 2001 heißt Schalke 04.“ Abpfiff, Feuerwerk, tausende Schalke-Fans auf dem Rasen. Niemand hatte mehr mit Patrik Andersson gerechnet, der einen indirekten Freistoß der Bayern in der Nachspielzeit eiskalt verwandelte und die Schalker Meisterfeier damit nach vier Minuten und 38 Sekunden wieder beendete.
Aber was wäre gewesen, wenn die Bayern nie ausgeglichen hätten?
Am 19. Mai 2001 stand Mathias Schober im Tor des HSV, als dieser gegen den Rekordmeister ran musste. Schober war zu diesem Zeitpunkt von Schalke 04 ausgeliehen und wusste, dass er mitverantwortlich für die langersehnte Meisterschaft der Knappen sein würde, wenn er das Hamburger Tor an diesem Tag sicher bewachte. Risiken zu vermeiden, hatte daher gerade in der Nachspielzeit absolute Priorität.
Nach einem wilden Gestocher von Kollege Tomáš Ujfaluši und Bayerns Paulo Sergio, entstand ein Pass in Richtung Schober und der überlegte nicht lange und drosch die Kugel sicherheitshalber auf die Tribüne. Die Partie plätscherte noch einige Sekunden vor sich hin, Oliver Kahn auf der anderen Seite brüllte sich die Lunge aus dem Hals und Schiedsrichter Markus Merk pfiff die Partie ab.
Das letzte Spiel im Schalker Parkstadion endete so in einer wahnwitzigen Siegesfeier, an die Ebbe Sand und Gerald Asamoah keine Erinnerungen mehr haben. Auch dabei war ein 15-jähriger Balljunge mit dem Namen Manuel, der an dem Tag das erste Bier seines Lebens trank. Spät am Abend traf auch Mathias Schober bei der Feier ein. In seinem Kofferraum hatte sich zur Überraschung aller Markus Merk versteckt. Der Schiri wollte sich die Feier nicht entgehen lassen und wusste zufällig, wo Schobers Auto stand.
Da der damals 39-jährige Markus Merk die hitzige Partie im Hamburg fehlerlos und besonnen leitete, wurde er in seiner zukünftigen Karriere von den Schalke-Fans als „Schiri-Gott“ gefeiert. Die königsblauen Anhänger bedachten ihn als einzigen Schiedsrichter der Geschichte regelmäßig mit Standing-Ovations und eigens kreierten Sprechchören: „Bayern ist ein Fußballzwerg, tausend Dank dem Markus Merk!“
Passend zu einer neuen Ära, die im Ruhrgebiet beginnen sollte, ließ S04 das Parkstadion hinter sich und veranstaltete von nun an seine Spiele in der Veltins-Arena. Man nahm sich ein Beispiel an der Meisterbanner-Tradition im Basketball und schmückte die neue Spielstätte, in optimistischer und ebenso realistischer Voraussicht, auf das was kommen würde.
Wir springen sechs Jahre weiter und schreiben nun das Jahr 2007. Schalke stand in den letzten Jahren jedes Mal auf einem Champions-League-Platz und stellte einen der stärksten Kader der Liga, was Breite und Qualität anging. Vor der Saison hatte man Konkurrent Werder Bremen den brasilianischen Spielmacher Diego sowie Innenverteidiger Per Mertesacker vor der Nase weggeschnappt und stellte alle Zeichen auf Meisterschaft.
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Diego und der erfahrene Torjäger Ailton, der schon 2004 vom SVW geholt worden war, verstanden sich blind auf dem Platz und wurde schnell als „Samba-Sensation“ mit dem Kosenamen Dielton gefeiert.
Felix Magath, der schon zwei Jahre zuvor als Trainer nach Gelsenkirchen kam, hielt seinen selbst vorgegeben Plan ein und holte 2007 den Meistertitel mit Schalke 04. Unvergessen bleibt dabei das letzte Saisonspiel gegen Energie Cottbus, in dem Kevin Kuranyi fünf Tore innerhalb von neun Minuten schoss, sich damit unsterblich machte und im Nachgang höchstpersönlich das neue Meisterschaftsbanner aufhängen durfte.
Das zweite Bier seines Lebens trank an diesem Tag Manuel Neuer, und zwar nach seiner ersten Saison als Stammkeeper und dem sofortigen Gewinn der Meisterschaft. Neuer wurde zu einer Art Ziehsohn von Felix Magath und entwickelte sich prächtig. Gründe für einen Abgang hatte Magath keine, obwohl er mit seiner Frau weiterhin im entfernten München lebte.
Dort war zu der Zeit ein gewisser Jürgen Klinsmann als Trainer angestellt, der Magath mit seinen Fragen nach einer erfolgreichen Mehrwertsteigerung ein wenig auf die Nerven ging. Da Magath ihm sein Rezept nicht im Traum verraten hätte, schwärmte er gegenüber Klinsmann von Luftballons vor, die sie im Training statt altmodische Gymnastikbälle häufig einsetzen würden. Die Zauberworte seien Gefühl und Empathie.
Viele Jahre später veröffentlichte eine deutsche Boulevardzeitung geheime Notizen von Mark van Bommel, der unter Klinsmann in München spielte. Darin kam erstmals heraus, dass der Fokus der Bayern-Einheiten in dieser Zeit deutlich auf Gymnastik- und Tanz-Übungen lag, welche die Spieler in ihrer Fitness eher zurückwarfen. Franck Ribéry verließ aus diesem Grund nach nur einem Jahr wieder den Verein. „Ich habe gedacht, wo bin ich denn hier gelandet? Beim FC Bayern oder auf nem Kindergeburtstag?“, äußerte er sich im Nachhinein über die Zeit.
2010 war Bayern München am Tiefpunkt angekommen und verpasste die internationalen Plätze deutlich. Magath und sein Team wiederum hatten wenig Probleme, die dritte Meisterschaft in weniger als zehn Jahren klar zu machen. In drei Jahren als Stammtorhüter hatte Manuel Neuer nun bereits zwei Mal die Schale in den Himmel strecken dürfen. Eine Titelgarantie wie auf Schalke würde er sonst nirgends finden. Neuer schwor dem Verein ewige Treue.
Dem FCB blieb daraufhin keine andere Möglichkeit, als von Null anzufangen. Das halbe Team verließ den inzwischen im Volksmund „FC Bollywood“ genannten Klub aus Süddeutschland, der mittlerweile nur noch wie eine billige Kopie seiner selbst wirkte. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge waren gefragt. Einen Coup landeten sie mit der Verpflichtung des 18-jährigen Torhüter Talents Marc-André ter Stegen, der sich in den nächsten Jahren in München zu einem Weltklasse-Torhüter entwickelte.
Im DFB-Team musste sich ter Stegen allerdings hinter Manuel Neuer einreihen. Ein Unding, fand Uli Hoeneß, der in den Medien zur Attacke blies: „In der Nationalmannschaft muss es immer einen größtmöglichen Konkurrenzkampf geben“, forderte er. „Es darf einfach keine Stammplätze geben, die gibt es beim FC Bayern auch nicht!“ Auch von der westdeutschen Presse würde er sich mehr Unterstützung für ter Stegen wünschen, so der FCB-Präsident.
Sollte es keinen offenen Konkurrenzkampf im deutschen Tor geben, stellte Hoeneß klipp und klar fest: „Dann werden wir keine Nationalspieler mehr abstellen!“ Auch wenn die Umsetzung dieser Drohung zu diesem Zeitpunkt kein allzu schwerer Verlust für Bundestrainer Michael Skibbe gewesen wäre, kam es nie zu diesem Szenario.
Felix Magath beendete 2014 seine Karriere und hinterließ eine Mannschaft, die den Beginn der 2000-Jahre wohl am stärksten geprägte hatte. Die Gelsenkirchener Erfolge waren nicht nur in aller Munde, sie dienten auch als Grundlage für den Film „Neun Minuten im Mai“ von Sönke Wortmann, dessen Titel sich auf die Torgala des heutigen Dynamo Moskau Präsidenten Kevin Kuranyi bezieht.
Während der engen Zusammenarbeit in der Entstehung dieses Filmklassikers, entdeckte Felix Magath seine Leidenschaft für den Film und verliebte sich in die Branche. Gerade für seine Interpretationen als Regisseur von „Asterix und Obelix“-Verfilmungen mit der neu kreierten Figur des strengen Amphitheater-Betreibers „Quälix“, machte er sich einen Namen.
Schalke 04 wiederum hatte sich einen Weg geebnet, der noch lange auf der Erfolgsspur weiterführen sollte. Der Einbruch erfolgte dann aber 2017, als Borussia Dortmund im Revierderby gegen Schalke einen 0:4-Rückstand aufholte und noch zum 4:4 ausglich. Das verkraftete der Verein bis heute nicht und Medienberichten zufolge, gäbe es mittlerweile sogar Überlegungen, die Meisterbanner in der Veltins-Arena abzuhängen, da der Verein zu sehr den alten Zeiten nachhänge.
Dieses Format soll dich in regelmäßigen Abständen in ein Paralleluniversum der Fußballwelt entführen. Du darfst dich also auf weitere Teile einer Serie von unterhaltsamen, lustigen oder sogar absurden Texten freuen.