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Max von Stuckrad-Barre·17. Februar 2023
Was haben sie diesem Mann in den Kuchen getan?

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Max von Stuckrad-Barre·17. Februar 2023
Der Weg zum Fitnessstudio ist längst vergessen, der Küchenschrank quillt vor lauter Süßkram über und die Zigarette schmeckt auch schon wieder: Wir haben Mitte Februar, das Neue Jahr ist längst nicht mehr neu, und so allmählich dürften bei den meisten von uns auch die letzten guten Vorsätze über Bord gegangen sein. Wie immer wirft der Bauch, der nach den Weihnachtstagen keine Chance bekam, sich wenigstens vorübergehend zurückzuziehen, die Frage auf: Woran hat’s gelegen?
Oft ist das Problem bei nicht eingehaltenen Vorsätzen der fehlende externe Druck. Trainer, Life Coaches und dämliche, in Kalendersprüchen mit uns kommunizierende, Instagram-Accounts raten deshalb, unbedingt so viele Mitmenschen wie möglich in das eigentlich zum sicheren Scheitern verurteilte Vorhaben einzuweihen. Insofern machte Ralf Fährmann alles richtig, als er im November letzten Jahres gelobte: „Ich werde in Zukunft keinen Kuchen mehr essen.“
Aber natürlich sagte der damalige Schalker Ersatzkeeper diesen als öffentliches Statement eines Fußballers so wunderbar absurd daherkommenden Satz nicht allein, um möglichst viele Mitmenschen um sich zu wissen, die ihm im Zweifel den Bienenstich aus der Hand schlagen. Viel mehr sah Ralf Fährmann sich wegen Kritik aus dem eigenen Verein tatsächlich dazu gezwungen, sich zu seinem Verhältnis zu süßen Backwaren zu äußern.
Nachdem Schalke-Boss Peter Knäbel ihn Berichten der ‚Bild‘ zufolge eindringlich darum gebeten haben soll, es zu unterlassen, „vor dem Spiel und während der Halbzeitpause in der Kabine Kuchen zu essen“, erklärte der 34-Jährige: „Es ist so: Bei uns in der Kabine steht Kuchen, genau wie Power-Riegel oder auch ein Obstkorb. Ich habe dieses Angebot angenommen und versucht, damit professionell umzugehen.“
Was genau das nun heißt und wie viele Stücke vor einem Spiel „professionell“ sind, ist nicht ganz klar, doch eines wissen wir über die Zeit des Schalker Kuchen-Gates mit Sicherheit: Nachdem der Kuchen gegessen war, musste Fährmann jedes Mal wieder auf der Bank Platz nehmen.
Drei Monate später allerdings steht er nicht nur nach langer Zeit wieder als Stammkeeper im Schalker Tor, sondern auch stellvertretend für das kleine letzte bisschen Hoffnung, das S04-Fans noch auf der Klassenerhalt haben. Alle drei bisherigen Bundesligaspiele mit Fährmann zwischen den Pfosten endeten ohne Gegentor. Und wieder die Frage woran hat’s gelegen?
Steht auf Schalke seit drei Spielen die Null, weil Fährmann ohne Kuchen jetzt wieder auf Bundesliga-Niveau hält, beweist die neue Nummer Eins, dass Ernährung überbewertet ist oder haben sie ihm auf Schalke schlicht was in die Backmischung gemischt?
Auch wenn ein zu großer Fokus auf die Kuchenfrage hier sicher nicht zielführend sein kann, ist die Mischung durchaus das richtige Stichwort. Denn in der Schalker Defensive war in den letzten drei Spielen eine Gemengelage zu erkennen, die tatsächlich so etwas wie Hoffnung auf den Klassenerhalt machen kann.
Mit Neuzugang Moritz Jenz hat Abwehrchef Maya Yoshida endlich einen festen Partner in der Innenverteidigung, mit dem die Abstimmung gut funktioniert und wenn doch mal etwas nicht klappt, wissen die beiden einen Keeper hinter sich, auf den Verlass ist. Und genau das war dem bisherigen Stammtorhüter nicht so. Denn während Alexander Schwolow zwar ab und zu mal eine richtig gute Parade zeigte und in Sachen Reflexe womöglich sogar etwas stärker als Fährmann einzustufen ist, hatte er in der Hinrunde zu viele Aussetzer aus der „den hätte ja meine Omma gehalten“-Kategorie.
Da wiederum liegt Fährmanns große Stärke: Alles, was kein Hexenwerk ist, wird pariert. Jeder Ball, den die Omma gehalten hätte, ist bei ihm sicher. Schalke bekommt mit Ralf Fährmann in diesen Tagen die immer gleiche stabile Leistung, die solang die Verteidigung nicht andauernd Unhaltbare zulässt, regelmäßig die Weste weiß halten kann. Zudem hat die einstige „Hand Pottes“ merklich an seiner Technik mit dem Ball am Fuß gearbeitet. Längst nicht mehr jeden Rückpass bolzt Fährmann genauso volley wie unkontrolliert nach vorne – und damit in Richtung Ballverlust – wie noch vor Monaten.
Doch zurück zum Kuchen. Was bedeutet die neue Schalker Stabilität für Fährmanns Pre-Match-Routine? Sollte der Kabinen-Kuchen jetzt wieder erlaubt sein? Müsste er eigentlich, denn was zählt, ist doch schließlich immer noch auf’m Platz. Als Serge Gnabry kürzlich zur Fashion Week nach Paris jettete, forderte Trainer Julian Nagelsmann ja auch lediglich, dass da „die Leistung auf dem Platz stimmen“ müsse.
Analog dazu sollte eigentlich sicher sein: Wenn Ralf Fährmann weiter die Null und letztlich Schalke in der Liga hält, dürfte er Serge Gnabry mit einer Schwarzwälder Kirschtorte unterm Arm auf die Fashion Week begleiten und Peter Knäbel würde ihm noch die Gabel reichen.