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·16. Oktober 2024
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Im Sommer 2023 wechselte Viktor Gyökeres mit verhältnismäßig wenig Aufruhr für 24 Millionen Euro vom englischen Zweitligisten Coventry City zum portugiesischen Spitzenklub Sporting CP. Seitdem verbreitet der 26-jährige schwedische Nationalstürmer Angst und Schrecken und spielt sich mit beeindruckenden Torquoten in die Notizbücher der europäischen Topklubs.
IF Brommakojporna, Brighton & Hove Albion, FC St. Pauli, Swansea City, Coventry City und Sporting – dieser Karriereverlauf hört sich nicht unbedingt nach absoluter europäischer Spitzenklasse an. Hinter diesen Stationen steckt aber der momentan beste Torjäger im europäischen Vereinsfußball. Viktor Gyökeres liegt mit zwölf Treffern in der Saison 2024/25 auf Platz 1 der Torjägerliste der Top-10-Ligen. Lediglich Robert Lewandowski hat zwar genauso oft getroffen, brauchte dafür aber neun Spiele, Gyökeres nur deren acht.
Damit macht Gyökeres genau da weiter, wo er letzte Saison in seinem ersten Jahr bei Sporting mit 29 Toren in 33 Ligaspielen aufgehört hat. Auch in seinen beiden kompletten Spielzeiten bei Coventry City in der englischen Championship erzielte der Schwede 38 Tore in zwei Jahren. In der letzten Saison stellte Gyökeres zudem in der Europa League mit fünf Treffern seine Treffsicherheit auf europäischer Bühne unter Beweis und natürlich traf er kürzlich ebenso bei seinem Champions-League-Debüt gegen Lille direkt.
In der schwedischen Nationalmannschaft hat sich der in Stockholm geborene Stürmer ebenfalls als feste Größe etabliert und bildet gemeinsam mit Newcastles Alexander Isak und Dejan Kulusevski von Tottenham eine Offensive höchster Güteklasse. In der jüngsten Länderspielpause steuerte er ein Tor und zwei Assists in den Nations League-Spielen gegen die Slowakei und Estland bei. Insgesamt steht Gyökeres bei zehn Toren in 24 Länderspielen für die Skandinavier.
Für Sporting erzielte der schwedische Nationalstürmer seit seinem Wechsel in allen Wettbewerben in 61 Spielen 55 Tore, dazu kommen 18 Assists. Beeindruckende Werte, doch es sind nicht nur die blanken Zahlen, die Gyökeres so stark machen. Der 26-Jährige ist eine wirklich komplette Nummer 9. In seiner Zeit beim FC St. Pauli sammelte er auch Erfahrung auf dem linken Flügel, spätestens nach seinem Wechsel zu Coventry City etablierte er sich aber in der Sturmspitze. Beim englischen Zweitligisten setzte Trainer Mark Robins meist auf einen Doppelsturm, in Portugal brilliert Gyökeres jedoch auch ohne einen Nebenmann als alleinige Spitze in Ruben Amorims 3-4-3-System.
(Photo by Gualter Fatia/Getty Images)
Das hervorstechendste Merkmal Gyökeres ist seine besondere Kombination aus Physis und Schnelligkeit. Mit 1,87m hat der Schwede durchaus Gardemaß und sein bulliger Körperbau macht ihn für Verteidiger im direkten Duell extrem schwer zu verteidigen. Seine physische Stärke paart Gyökeres mit einer, für seine Größe, ungewöhnlichen Wendigkeit und brachialem Tempo. Dies führt dazu, dass Gyökeres sowohl auf den ersten Metern, als auch über längere Strecken schwer zu stoppen ist. Gerade mit dem Rücken zum Tor gelingt es dem Schweden seine massige Statur oftmals effizient einzusetzen.
Gyökeres ist kein statischer Stürmer, der nur in der Mitte auf Zuspiele wartet. Immer wieder lässt er sich tief ins Mittelfeld fallen oder weicht auf die Flügel aus, um ins Kombinationsspiel eingebunden zu werden. Auch im Dribbling kann Gyökeres durchaus überzeugen, er ist zwar kein Spieler der seinen Gegenspielern mit Tricks Knoten in die Beine spielt, doch seine Physis und sein Tempo führen dazu, dass er trotzdem fast jedes zweite Dribbling für sich entscheiden kann (46,3% in 2023/24 von fotmob.com).
Trotz seiner Umtriebigkeit ist der Stürmer stets im Strafraum zu finden, wenn es drauf ankommt. Pro Spiel sammelt er im Durchschnitt fast zehn Ballkontakte in der gegnerischen Box, dies ist ein herausragender Wert und zeigt, dass seine Positionierung sehr gut ist und der Schwede genau weiß, wo er stehen muss, um zum Abschluss zu kommen. Gyökeres starker Fuß ist der rechte, 2023/24 erzielte er jedoch auch zehn Tore mit links und zeigt seine Unberechenbarkeit im Abschluss.
Auch die Art und Weise, wie Gyökeres trifft, folgt keinem klaren Muster. Zwar erzielt er nur wenige Tore von außerhalb des Strafraums, innerhalb der Box ist er jedoch vielfältig gefährlich. Der Torjäger erzielt Tore mit dem ersten Kontakt, kann den Ball mit dem Rücken zum Tor annehmen, sich um den Verteidiger drehen und abschließen, ist in der Lage nach einem Dribbling zu vollstrecken oder seine Körpergröße zu nutzen, um Flanken per Kopf zu verwerten.
Ein weiterer Aspekt, der Gyökeres extrem interessant macht, ist seine Verfügbarkeit. Seit der Saison 2021/22 hat der Schwede kaum ein Spiel verpasst. Auf 45 Einsätze in der Liga in 21/22 folgten 49 Spiele inklusive der Playoffs in 22/23 für Coventry City. Auch in seiner Zeit bei Sporting hat in der letzten Saison nur ein einziges Ligaspiel nicht bestritten und stand in dieser Saison in allen acht Spielen in der Startelf. Die grundsätzliche Verfügbarkeit ist ein durchaus unterschätztes Merkmal im Spitzenfußball, gerade bei dem prall gefüllten Terminkalender. Gyökeres hebt sich durch seine konstante Einsatzfähigkeit in den letzten Jahren deutlich ab.
So vielfältig seine Tore, so repetitiv ist das, was im Anschluss daran folgt. Nach seinen Treffern verschränkt Gyökeres stets seine Finger vor Mund und Nase und formt eine Art Maske. Die Hintergründe seines Jubels ließ er lange auch auf Nachfrage ungeklärt. Er versprach jedoch beim Gewinn der portugiesischen Meisterschaft zu verraten, was dahinter steckt und nach Sportings Meistertitel lüftete er dann das Geheimnis. Der Schwede erklärte auf Instagram mit den Worten: „Nobody cared until I put on the mask„, dass er vom Comic-Superschurken „Bane“ und seiner Maske zum seinem ungewöhnlichen Jubel inspiriert wurde.
Die typische Jubelpose, bereits im Trikot von Coventry das Markenzeichen von Gyökeres. (Photo by Matthew Lewis/Getty Images)
Im Januar 2018 wechselte Gyökeres für lediglich eine Million Euro von seinem Jugendklub IF Brommakojporna in die Premier League zu Brighton & Hove Albion. Der Klub von der englischen Südküste ist für sein exzellentes Scoutingnetzwerk bekannt, holt unbekannte Spieler für wenig Geld und verkauft sie dann mit großen Gewinn weiter. Gyökeres ist eines der wenigen Beispiele dafür, dass diese Rechnung nicht immer aufgeht, in seiner Zeit bei den „Seagulls“ blieb er ohne Einsatz in der Premier League. Nach Leihen in die 2. Bundesliga zum FC St. Pauli und die englische Championship zu Swansea City und Coventry City wurde der damals 23-Jährige im Sommer 2021 für einen vergleichsweise geringen Gewinn von 200.000€ für 1,2 Millionen an Coventry verkauft.
Seitdem ist sein Martkwert jedoch explodiert und liegt laut Transfermarkt.de inzwischen bei 70 Millionen Euro. Sein Trainer Ruben Amorim sprach sogar davon, dass er davon ausgehe, dass Gyökeres „100 Millionen Euro wert“ sei. Eine Ausstiegsklausel in Gyökeres Vertrag, der noch bis 2028 läuft, soll eben genau diese 100 Millionen Euro betragen.
Bereits in diesem Sommer gab es Gerüchte um einen Abgang, insbesondere Arsenal wurde mit dem Schweden in Verbindung gebracht. Gyökeres entschied sich aber noch mindestens ein weiteres Jahr in Portugal zu bleiben. Sollte es ihm allerdings gelingen seine Torquote ansatzweise zu halten werden die europäischen Topklubs im Sommer 2025 mit Sicherheit Schlange stehen. Seine Fähigkeiten und die Seltenheit kompletter Mittelstürmer von internationalem Spitzenformat auf dem Transfermarkt machen ihn für jeden Klub automatisch interessant.
Die Premier League dürfte aufgrund der Finanzkraft der englischen Klubs und Gyökeres Vorgeschichte mit Brighton sicherlich das wahrscheinlichste Ziel sein. Aus neutraler Sicht wäre es sehr spannend zu sehen, inwiefern sich seine herausragenden Leistungen auf eine der ganz großen Ligen Europas übertragen lassen und, ob Gyökeres es schafft sich im zweiten Anlauf auf der Insel durchzusetzen.
(Photo by Michael Campanella/Getty Images)