Vergabe der TV-Rechte für WM 2023 zeigt: Sichtbarkeit des Frauenfußballs auf tönernen Füßen | OneFootball

Icon: 90min

90min

·2. Februar 2023

Vergabe der TV-Rechte für WM 2023 zeigt: Sichtbarkeit des Frauenfußballs auf tönernen Füßen

Artikelbild:Vergabe der TV-Rechte für WM 2023 zeigt: Sichtbarkeit des Frauenfußballs auf tönernen Füßen

17,9 Millionen Zuschauer schalteten beim Frauen-EM-Finale zwischen Deutschland und England ein, kein anderes Fußballspiel lockte 2022 mehr Fans vor den Bildschirm. Die WM 2023 in Australien und Neuseeland soll nach dem EM-Boom der nächste Schritt sein, um den Frauenfußball beliebter zu machen. Der Haken: Sieben Monate vor Anpfiff steht laut der Frankfurter Rundschau noch nicht fest, ob die Öffentlich-Rechtlichen die Spiele überhaupt übertragen. Das zeigt, dass die Sichtbarkeit des Frauenfußballs noch immer nicht selbstverständlich ist.

Neben der EM 2022 fand im letzten Jahr auch ein weiteres Großevent statt, von Fans deutlich weniger positiv aufgenommen: Die WM in Katar. ARD und ZDF konnten mit den Quoten nicht zufrieden sein, im Vergleich zu den letzten WMs schalteten 30 bis 40 Prozent weniger Deutsche ein. Das Eröffnungsspiel verfolgten nur 6,21 Millionen, und damit nur etwa ein Drittel derer, die das Frauen-EM-Finale schauten.


OneFootball Videos


Dass der Enthusiasmus für die Wüsten-Winter-WM sich in Grenzen halten würde, war abzusehen gewesen: Zahlreiche Bewegungen, wie Boycott Qatar, sprachen sich gegen das Turnier aus, die Fans protestierten mit Bannern und der ungewöhnliche Zeitraum im November und Dezember sprach nicht unbedingt für Public Viewing mit Bier. Auch die zweifelhafte Vergabe des Turniers an einen Gastgeber, der mit Menschenrechten wenig anzufangen weiß, sorgte nicht für eine höhere Attraktivität der WM. Trotz alldem war es für die Öffentlich-Rechtlichen niemals eine Frage, ob sie das Turnier übertragen würden.

Übertragung von Frauenfußball noch immer keine Selbstverständlichkeit

Warum auch? Schließlich ist im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt, dass bei einer WM alle deutschen Spiele sowie die Halbfinalbegegnungen und das Endspiel im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt werden müssen. Vom Fußball als deutschem Kulturgut sollen alle frei profitieren können, egal, wie viel es ARD und ZDF kostet. Also, Männerfußball natürlich!

Geht es um Frauenfußball, sieht das Thema gleich ganz anders aus. Wo vorher noch keine Kosten und Mühen gescheut wurden, wird nun die Geldkeule ausgepackt. Axel Balkausly, der Sportkoordinator der ARD, hat laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau bereits deutlich gemacht, dass der Erwerb der Übertragungsrechte für den Sender "wirtschaftlich darstellbar" sein müsse. Dass die Rechte für die Männer-WM wohl auch kaum für einen Apfel und ein Ei über den Tisch gehen? Geschenkt.

Klar: Insgesamt war die Männer-WM von der Zuschauerzahl her trotzdem profitabler als die Frauen-EM, und das wird wohl auch für die WM 2023 gelten. Das Turnier findet zwar im schönsten Sommer statt (20. Juli - 20. August). Die Zeitverschiebung sorgt aber dafür, dass Morgenmuffel einige Spiele wohl verpassen werden und die Quoten deutlich niedriger ausfallen dürften als sonst. Dennoch geht es bei dem Thema nicht nur um Zahlen und Quoten, sondern um Selbstverständlichkeit.

ARD und ZDF machten schon in der Vergangenheit keine gute Rolle

Der EM-Enthusiasmus sorgte für eine Trendwende / ANDRE PAIN/GettyImages

Um diese muss der Frauenfußball auch nach der erfolgreichen EM 2022, den zahlreichen Zuschauerrekorden und dem deutlich gestiegenen Interesse noch kämpfen. Auch wenn die Wirkung der EM nicht unterschätzt werden sollte, kann ein einziges Turnier eben noch nicht alles verändern. Erst 2011 wurden alle Spiele einer Frauen-WM live bei ARD und ZDF gezeigt.

Bei der Ansetzung der Länderspiele machen die Öffentlich-Rechtlichen oft ebenfalls keine gute Rolle: ARD und ZDF plädierten gerne zu einer Ansetzung am Nachmittag, gegen 16 Uhr. Zu dieser Uhrzeit arbeiteten zwar viele noch und das Stadion war schlechter besucht, aber immerhin konnte dann der Bergdoktor zur Primetime laufen - für das ZDF offensichtlich die Priorität.

Neue Konkurrenz, neue Summen - aber Qualität gibt es nicht zum Spottpreis

In den letzten Monaten ist es dort vorangegangen, die Sender haben im Sommer offenbar gemerkt, dass Frauenfußball kein Nischenprodukt sein muss. 2023 werden die meisten Länderspiele abends stattfinden, auch einige Begegnungen in der Frauen-Bundesliga in der nächsten Saison live im Free-TV gezeigt. Schon in dieser Spielzeit gibt es einige Begegnungen, wie etwa Freiburg gegen Wolfsburg am Wochenende, im Livestream. Man könnte also meinen, ARD und ZDF seien endlich aufgewacht, aber das sind andere Sender auch.

Magenta Sport und Sky haben mit dafür gesorgt, dass die Erlöse durch die TV-Rechte der Frauen-Bundesliga mit dem neuen Vertrag explodiert sind. DAZN nimmt erst recht mit der Übertragung der UWCL sowie mehrerer nationaler Ligen eine Vorreiterrolle ein. Dass die Öffentlich-Rechtlichen wegen dieser gestiegenen Nachfrage nun tiefer in die Tasche greifen müssen, ist für Sportkoordinator Axel Balkausky und Co. natürlich nicht erfreulich.

Im Jahr 2023 sollte es aber selbstverständlich sein, dass sie bereit sind, für eins der größten Sportevents des Jahres mehr als einen Spottpreis zu bezahlen. Dass diese Selbstverständlichkeit auch heute nicht da ist, zeigt, dass der Weg trotz aller Fortschritte noch weit ist. Für ARD und ZDF wäre es ein Fehler, sich bei der Rechtevergabe ausstechen zu lassen. Der Zuschauerandrang bei der WM wird groß sein, allein am ersten Tag werden mehr als 100 000 Fans erwartet und das Stadion für Australiens Eröffnungsspiel wurde gewechselt. Unter diesen Vorzeichen klein beizugeben, wäre ein Schlag ins Gesicht für die Sichtbarkeit des Frauenfußballs, und eine Offenbarung von ARD und ZDF, dass Quoten über alles gehen.

Eine WM im Pay-TV wäre fatal, denn die letzten Jahre haben gezeigt, wie sehr der Frauenfußball unter einem Schattendasein fristet, wenn er hinter einer Paywall ist. Der Gedanke, dass für die gestiegene Qualität bezahlt werden muss, ist sicher richtig. Aber wenn Spiele wie Frankfurt gegen Bayern nur in der untersten Ecke des Magenta-Sport-Programms zu finden sind, hilft das keinem der Beteiligten. Bei großen Spielen im Free-TV, ob im Pokal, der Champions League oder der EM, rückt der Frauenfußball ins öffentliche Bewusstsein. Damit das auch so bleibt, ist eine Übertragung der WM in den Öffentlichen-Rechtlichen unverzichtbar.

Impressum des Publishers ansehen