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Helge Wohltmann·19. Januar 2025

Unerklärliche Höhenflüge: Dreimal Vereinsloser spielt für drei CL-Klubs

Artikelbild:Unerklärliche Höhenflüge: Dreimal Vereinsloser spielt für drei CL-Klubs

Normalerweise erzählen wir hier von Spielern, die aus unerfindlichen Gründen für kurze Zeit ein furioses Hoch erlebten, an das sie nie wieder anknüpfen konnten. Heute geht es jedoch um einen Spieler, der gleich zwei Höhenflüge hatte, einen erklärbaren und einen, den man überhaupt nicht mehr hatte kommen sehen.

Sebastian Boenisch spielte in seiner Karriere für gleich drei Champions-League-Klubs, war allerdings auch gleich drei Mal arbeitslos, weil er nach dem Auslaufen seiner Verträge erstmal keine neuen Klubs mehr fand. Ein Phänomen, das es in der Bundesliga ansonsten noch nicht gegeben hat.


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Zum ersten Mal passierte ihm das im Jahr 2012, als er Werder Bremen verließ, nachdem er sich im Vertragspoker verzockt hatte, wie die 'Deichstube' berichtete. Die Grün-Weißen hätten ihm zwar ein Angebot gemacht, allerdings nicht die Gehaltsvorstellungen des polnischen Nationalspielers erfüllt.

Zu groß waren anscheinend die Zweifel auf Klubseite, da Boenisch zuvor für eineinhalb Jahre mit einem Knorpelschaden ausgefallen war. Wahrscheinlich musste man sich aber auch eingestehen, dass sich die hohen Erwartungen, mit denen der zu dem Zeitpunkt 20-Jährige zum SVW gewechselt war, einfach nicht erfüllt hatten.

Boenisch war in der legendären Knappenschmiede ausgebildet worden und dann für die damals noch hohe Ablöse von 3,5 Millionen Euro zu Werder gewechselt. Bei Schalke ärgerte man sich über den Verlust des Talents, das auf beiden Flügeln verteidigen konnte, in der Hansestadt hofften sie, endlich die Problemzone links in der Abwehr behoben zu haben.

Es begann auch vielversprechend, Boenisch war Stammspieler, als die Bremer 2008/09 den Pokal gewannen und das Endspiel des Uefa-Cups erreichten. Dazu spielte er im Halbfinale und Finale der U21-EM durch, als Deutschland sich den Titel sicherte. Der erste, erklärbare Höhenflug eines Youngsters, der in guten Teams mithalten konnte.

Dann aber verletzte er sich immer wieder und seine Leistungen gingen die Weser runter. Seine Schwächen im Stellungsspiel wurden im offensiven System von Thomas Schaaf gnadenlos offen gelegt, dazu gesellten sich technische Unzulänglichkeiten und teils riesige Patzer. 2012 folgte dann der Abschied.

Boenisch war mit Polen bei der EM dabei und wollte sich dort für einen neuen Klub empfehlen. Er spielte dort allerdings so schlecht, dass der VfB Stuttgart, bei dem er kurz vor der Unterschrift stand, im letzten Moment doch noch die Transfer-Notbremse zog. Der Außenverteidiger musste seine Wohnungssuche im Schwabenland abbrechen und sich stattdessen ein LinkedIn-Konto anlegen. Monatelang blieb er ohne neuen Klub

Der normale Werdegang für ehemalige Topklub-Spieler in dieser Situation, ist das Anheuern bei einem Abstiegskandidaten in höchster Not oder bei einem ambitionierten Zweitligisten. Doch Boenisch hatte Glück. Topteam Leverkusen hatte große Verletzungssorgen und gab ihm doch noch einen Vertrag bis Saisonende.

Und nun passierte das Unerklärliche: Boenisch spielte so gut, dass er plötzlich einen neuen Dreijahresvertrag angeboten bekam und wieder zum Nationalspieler wurde. "Es war beeindruckend, wie schnell Sebastian nach einer so langen Zeit ohne Spielpraxis wieder ein beachtliches Niveau erreicht hat", sagte B04-Boss Wolfgang Holzhäuser damals.

In der Spielzeit 2013/14 durfte Boenisch deshalb nochmal Königsklasse kicken und war auch in der Liga Stammspieler. Fast genauso schnell ging es jedoch auch wieder bergab. Schon in der folgenden Saison kam er nur noch auf zwölf Bundesliga-Einsätze und etwas mehr als 200 Minuten in der Champions League. Ein Jahr später war es noch weniger. Die altbekannten Schwächen waren wieder sichtbar geworden und Boenisch bekam keinen neuen Vertrag.

Nun setzte die Entwicklung ein, die man eigentlich schon vier Jahre vorher erwartet hatte. Der Verteidiger fand erneut keinen Klub und ging im Oktober in die 2. Bundesliga zu 1860. Dort stieg er aber direkt in die 3. Liga ab und wurde erneut abgegeben.

Mit gerade einmal 30 Jahren begann eine sogar zweijährige Arbeitslosigkeit, die erst in der zweiten österreichischen Liga endete.

Am Ende muss man sich weniger fragen, warum Boenisch am Ende so abschmierte, sondern viel mehr, wie es ihm gelang, diesen rapiden Absturz zwischenzeitlich aufzuhalten und doch nochmal einen CL-Klub wie Leverkusen davon zu überzeugen, ihm einen langfristigen Vertrag zu geben?

Wir werden es wohl nie erfahren. Am Ende war es dann doch nur ein unerklärlicher Höhenflug.


📸 PATRIK STOLLARZ