Strittige Szenen am 19. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati | OneFootball

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·24. Januar 2023

Strittige Szenen am 19. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Artikelbild:Strittige Szenen am 19. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 für Elversberg, die Elfmeter für Elversberg, Freiburg II und Verl, die verwehrten Strafstöße für Ingolstadt und 1860, die nicht anerkannten Treffer von Ingolstadt, Zwickau und Meppen, der Platzverweis gegen Bitter sowie das Tor für Oldenburg. Am 19. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 strittige Szenen genauer angeschaut.

* Strittige Szenen aus dem Spiel zwischen Dortmund II und Osnabrück werden am Mittwoch ergänzt


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Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 52-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

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Szene 1: Luca Schnellbacher erzielt auf Vorlage von Manuel Feil das 1:0 für Elversberg. Ingolstadts Calvin Brackelmann reklamiert, dass der Ball zuvor im Aus gewesen sei. Schiedsrichter Nicolas Winter gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Ob der Ball im Toraus ist, kann anhand der vorliegenden TV-Bilder nicht zweifelsfrei aufgelöst werden. Bei der Frage, wann der Ball im Spiel ist und wann nicht, muss regeltechnisch festgehalten werden, dass der Ball mit vollem Umfang die Linie überschreiten muss, damit er im Aus ist. Tendenziell sieht es so aus, als ob der Ball noch im Spiel ist. Daher kann dem Schiedsrichter kein Fehler unterstellt werden. In dieser Szene ist auch gut zu sehen, dass der Assistent durch seine Körperhaltung Konzentration ausstrahlt, indem er Spannung aufbaut und kurz herunter geht, um die Torlinie zu fokussieren.

Szene 2: Bei einem Zweikampf gegen Nick Woltemade (Elversberg) bekommt Tim Linsmayer (Ingolstadt) den Ellenbogen ins Gesicht und geht zu Boden. Winter lässt weiterlaufen. Direkt danach gibt es Strafstoß, aus dem das 2:0 fällt. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Bei der ersten Szene blockt Woltemade den Ball in regelkonformer Weise, in dem er den Arm zum Blocken des Gegenspielers nimmt – was durchaus erlaubt ist -, aber keinesfalls eine Bewegung zum Gegenspieler geschieht. Auch wenn Linsmayer hierbei den Ellenbogen kurz und ansatzlos ins Gesicht bekommt, so ist das einfach nur unglücklich, aber nicht verschuldet durch den Angreifer. Daher eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Anschließend läuft Woltemade weiter in den Strafraum und legt sich den Ball am Verteidiger vorbei. Dieser kann allerdings klar den Ball vom Fuß des Angreifers wegspitzeln. Auch wenn Woltemade zu Fall kommt, liegt kein Foulspiel vor. Eine Fehlentscheidung, in dieser Szene auf Elfmeter für Elversberg zu entscheiden. Bemerkenswert ist auch, dass der Schiedsrichter zögert und erst nach 3-4 Sekunden pfeift. Überzeugung sieht anders aus. Womöglich kam der Impuls vom Assistenten auf der entsprechenden Seite.

Szene 3: Pascal Testroet (Ingolstadt) will im Strafraum zum Ball, wird aber von Nico Antonitsch (Elversberg) geblockt und kommt zu Fall. Einen Elfmeter gibt Winter nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Testroet will im Strafraum zum Ball und wird dabei vom Gegenspieler Antonitsch "bearbeitet", indem dieser die Arme an seinem Körper hat, aber nicht regelwidrig festhält. Gleichzeitig greift Testroet nach hinten und zieht Antonitsch am Trikot. Dieses Vergehen ist weitaus mehr, als das des Verteidigers. Dass der Angreifer dann zu Fall kommt, ist branchenüblich, um einen Vorteil zu erzielen. Eine richtige Entscheidung, nicht auf Foulspiel zu entscheiden und weiterspielen zu lassen.

Szene 4: Im Strafraum geht Nick Woltemade (Elversberg) gegen Calvin Brackelmann (Ingolstadt) zu Boden, es gibt Elfmeter. Zudem sieht Brackelmann Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:50]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf hält Brackelmann seinen Gegenspieler Woltemade am Trikot und reißt ihn zu Boden. Das ist ein Foulspiel, sodass die Elfmeter-Entscheidung richtig ist. Aber hätte es hier nicht die rote Karte geben müssen, da eine sehr gute Torchance vereitelt wird und das Vergehen nur gegnerorientiert ist? Dadurch, dass der Torwart zwar noch eingreifen kann, aber der Angreifer in der besseren Position ist und den Ball am Fuß führt, liegt tatsächlich eine sehr gute Torchance vor, sodass es in dieser Szene die rote Karte hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, es nur bei der gelben Karte zu belassen, auch wenn das in der Folge auch zu einem Platzverweis führt, allerdings nur zu einer Ampelkarte.

Szene 5: Moussa Doumbouya (Ingolstadt) trifft zum 3:4, allerdings entscheidet Winter auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 4:20]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Abspiels auf Doumbouya steht dieser klar nicht im Abseits. Daher liegt eine Fehlentscheidung vor, diesem Treffer die Anerkennung zu verweigern. Eine Erklärung für diesen Fehler könnte sein, dass der Assistent nicht zu 100 Prozent auf Höhe des Verteidigers steht und dadurch einen verzerrten Blickwinkel hat.

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Szene 6: Im Duell mit Adrien Lebeau (Mannheim) spielt der gelb-verwarnte Joshua Bitter (MSV Duisburg) den Ball, wird aber von Schiedsrichter Florian Exner zurückgepfiffen und schlägt aus Frust darüber auf den Rasen, wodurch er Gelb-Rot sieht. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Der bereits gelb-verwarnte Bitter spielt im Mittelfeld gegen Lebeau klar und zweifelsfrei den Ball, was der Schiedsrichter aber als Foulspiel wertet und einen Freistoß pfeift – eine klare Fehlentscheidung. Über diesen Pfiff regt sich Bitter auf, in dem er sich ins Gesicht fasst und auf den Rasen schlägt. Die Verärgerung und emotionale Reaktion des Duisburgers ist menschlich absolut nachvollziehbar. Aber für diese Reaktion bekommt er dann vom Schiedsrichter die gelbe Karte, die in der Folge zu einer Ampelkarte führt. Der Schiedsrichter wird im Spiel deshalb keine Empathie bzw. kein Fingerspitzengefühl gehabt und diese Reaktion "durchgewunken“ haben, weil aus seiner Sicht im Spiel die Szene eben ein Foulspiel war und er deshalb die Reaktion nicht duldet. Wenn sich der Schiedsrichter aber nach dem Spiel die Szene in Ruhe anschaut, wird er selbst zum Ergebnis kommen, dass diese Karte absolut überzogen ist, zumal der Fehler zuvor beim Freistoßpfiff lag. Insgesamt eine sehr unglückliche Aktion des Schiedsrichters, wobei die gelbe Karte, die zur Ampelkarte führt, als solche, isoliert betrachtet im Regeltext in Ordnung geht. Ein erfahrener Schiedsrichter hätte aber sicherlich beide Augen zugedrückt, weil er auch nicht unter Beobachtungsdruck mit entsprechender Leistungsbenotung steht.

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Szene 7: Nach einer Flanke trifft Noel Eichinger (Zwickau) zum 1:1. Allerdings gibt Schiedsrichter Tom Bauer der Treffer nicht, da Ronny König im Abseits stehend 1860-Keeper Hiller irritiert haben soll. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum springt König, der in Abseitsposition steht, zum Ball. Auch wenn er den Ball nicht berührt haben sollte: Durch sein Eingreifen zum Ball irritiert er den Torwart, sodass er aktiv ins Spielgeschehen eingreift, was eine Abseitsposition nach sich zieht. Eine richtige Entscheidung, diesem Treffer die Anerkennung zu verweigern.

Szene 8: Sowohl Joseph Boyamba (gegen Nils Butzen) als auch Yannick Deichmann (gegen Ronny König) gehen im Strafraum zu Boden, einen Elfmeter gibt Bauer jeweils nicht. Stattdessen sieht Deichmann die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 53:20]

Babak Rafati: Boyamba wird im Zweikampf vom Gegenspieler gestellt, und es kommt auch zu einem Kontakt im Oberkörperbereich, allerdings ist das ein sauberes Zweikampfverhalten. Somit liegt kein Foulspiel vor. Richtig, weiterspielen zu lassen. Anschließend bekommt Deichmann den Ball, lässt sich im Zweikampf mit König ohne Fremdeinwirkung fallen und will einen Elfmeter schinden. Das ist eine lupenreine Schwalbe, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, keinen Elfmeter zu pfeifen, sondern auf Schwalbe und gelbe Karte gegen Deichmann zu entscheiden.

Szene 9: Erneut kommt Joseph Boyamba (1860) im Strafraum zu Fall, dieses Mal gegen Davy Frick (Zwickau). Das Spiel läuft abermals weiter. [TV-Bilder – ab Minute 35:20]

Babak Rafati: Boyamba dringt in den Strafraum ein und lässt sich im Zweikampf gegen Frick ohne gegnerischen Einfluss einfach fallen. Es liegt natürlich kein Foulspiel vor. Somit eine richtige Entscheidung, keinen Elfmeter für 1860 München zu pfeifen. Ideal wäre es, diesen Faller als solchen zu entlarven und hierfür wegen einer Schwalbe die gelbe Karte zu zeigen.

Szene 10: Nach einem Torschuss von Raphael Holzhauser (1860) wollen die Löwen ein Handspiel eines Zwickauers gesehen haben und fordern erneut Elfmeter, den es allerdings nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:35:05]

Babak Rafati: Nach dem Torschuss von Holzhauser blockt ein Zwickauer den Ball und bekommt ihn womöglich auch an den Arm (Abstützarm). Allerdings sind beide Arme in natürlicher Haltung, sodass selbst bei einer Berührung keine Absicht vorliegen würde. Somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

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Szene 11: Patrick Möschl (Oldenburg) geht im Zweikampf mit Max Kulke (Dresden) zu Fall, Schiedsrichter Max Burda gibt Freistoß, aus dem das 1:0 für Oldenburg resultiert. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Bei einem Zweikampf auf der rechten Außenbahn legt sich Möschl unmittelbar vor dem Assistenten den Ball am Gegenspieler Kulke vorbei und lässt sich ohne eine Berührung von diesem fallen. In dieser Szene liegt klar kein Foulspiel vor, sodass es eine Fehlentscheidung ist, auf Freistoß für Oldenburg zu entscheiden. Hier hätte es genau genommen eine gelbe Karte wegen einer Schwalbe gegen Möschl geben müssen. Diese Fehlentscheidung darf vor allen Dingen deshalb nicht passieren, weil sich die Szene genau vor den Augen des Assistenten abspielt, der den Schiedsrichter überstimmen und ihm den Vorgang mitteilen muss. Natürlich vorausgesetzt, dass er den Vorgang gesehen hat.

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Szene 12: Merlin Röhl (Freiburg II) geht im Strafraum gegen Steffen Puttkammer (Meppen) zu Fall, Schiedsrichter Timo Gerach zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Röhl wird im Strafraum angespielt und tickt den Ball an. Dabei kommt Puttkammer in den Zweikampf hinzu und kann das Spielgerät nicht mehr erreichen. Stattdessen kommt er mit einem Ausfallschritt und kann nicht mehr verhindern, dass er den Angreifer über das ausgestreckte Bein (Oberschenkel) zu Fall bringt. Auch wenn der Angreifer den Kontakt dankend annimmt, ist die Aktion fahrlässig, sodass die Entscheidung vertretbar ist, auf Foulspiel und Elfmeter zu entscheiden.

Szene 13: Nach einer langen Hereingabe erzielte Lukas Mazagg (Meppen) über Umwege das 1:1, jedoch wird auf Abseits entschieden, sodass der Treffer nicht zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Eine sehr knifflige Szene. Beim langen Pass startet Mazagg zum Ball, bekommt ihn aber nicht. Dabei stellt sich die Frage, ob er durch die Bewegung zum Ball die Gegenspieler auf sich zieht und diese irritiert, was eine aktive Abseitsposition bedeuten würde. Der Assistent legt die Szene so aus, dass Mazagg nicht entscheidend eingreift. Das ist durchaus vertretbar, da die Verteidiger mehr zum Ball gucken und nicht Mazzag im Visier haben. Somit greift er nicht ein und irritiert die Verteidiger dadurch nicht. Anschließend kommt es zu einem Kopfball, sodass der erste lange Ball nicht mehr relevant ist und die Szene neu bewertet wird. Zum Zeitpunkt des Kopfballs, der Ball fliegt durch die Luft und prallt später an die Latte, steht Mazagg womöglich erneut im Abseits (anhand der Bilder nicht zweifelsfrei auflösbar), bekommt den anschließenden Abpraller vor die Füße und schießt ihn ins Tor. Da nach dem Kopfball und dem anschließenden Lattenpraller die gleiche Spielsituation vorliegt, ist Mazaggs vorherige mögliche Abseitsposition aktiv, weil er eingreift und somit strafbar. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, auf Abseits zu entscheiden und den Treffer zu verwehren. Natürlich vorausgesetzt, dass die Abseitsposition auch vorlag, wovon wir aber ausgehen sollten, weil gegenteiliges nicht bewiesen werden kann. Dass womöglich ein Verteidiger den Ball nach dem Lattenabpraller berührt haben könnte, spielt keine Rolle und wird nicht für die Bewertung der Abseitsposition herangezogen.

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Szene 14: Im Strafraum geht Felix Bastians (Essen) gegen Oliver Batista Meier (Verl) zu Boden, Schiedsrichter Sven Jablonski pfeift Elfmeter für RWE. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]

Babak Rafati: Im Strafraum kommt es zu einem Zweikampf, dabei tickt Bastians den Ball an. Anschließend rutscht Meier in den Zweikampf, streckt sein Bein aus und spielt klar den Ball, sodass kein Foulspiel vorliegt. Obwohl der Schiedsrichter beste Position und freie Sicht hat, entscheidet er auf Elfmeter für Essen. Eine Fehlentscheidung.

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