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·12. August 2025
Premier League: Haben Tottenham und ManUnited ihre Hausaufgaben erledigt?

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·12. August 2025
Würde man die Fanlager beider Klubs fragen, hätten Manchester United und die Tottenham Hotspur nicht allzu viele Parallelen. Und doch eint beide Klubs neben der inoffiziellen Big-Six-Zugehörigkeit in England eine Sache: Die letzte Saison in der Premier League war eine pure Enttäuschung.
Am 17. Mai sollte sich in Bilbao nicht nur entscheiden, wer sich Europa-League-Sieger nennen darf, sondern auch, wessen Saison weniger katastrophal ausfiel. Es waren die Spurs, die in einem Finale, das mehr K(r)ampf als Fußballspiel war, den längeren Atem hatten und am Ende knapp mit 1:0 gewannen.
Der erste Titel seit 2008 übertünchte die sportlichen Abgründe der Vorsaison mit Jubelparaden in weiß-blauen Rauchschwaden. Während jungerwachsene Spurs-Fans das erste Tafelsilber ihres Lebens feierten, war in den Büros der Klubverantwortlichen Konsens: Ein „Weiter so“ kann es nicht geben. Das Projekt Ange Postecoglou wurde im Einvernehmen aufgelöst, kurze Zeit später in Thomas Frank eine der heißesten Aktien des Trainermarktes als Nachfolge präsentiert.
Die Erwartungen an den neuen Coach sind klar: Platz 17 war die schlechteste Platzierung in Englands Oberhaus seit dem Abstieg 1977, so weit darf es nicht nochmal kommen. Ein einstelliger Tabellenrang ist der Maßstab, idealerweise unter den ersten sechs. Mit der vorhandenen Qualität im Kader ist ein Fundament dafür geschaffen. Dass es Heung-min Son in die MLS zog, wird auf wie neben dem Platz schwer zu verkraften sein, gleichzeitig kann der Abschied der Klublegende auch als Chance begriffen werden.
(Photo by Yu Chun Christopher Wong/Eurasia Sport Images/Getty Images)
Denn zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass der Südkoreaner in der jüngeren Vergangenheit mit massiven Leistungsschwankungen zu kämpfen hatte, im Kalenderjahr 2025 beispielsweise nur zwei Premier-League Tore schoss, davon eins vom Elfmeterpunkt. Nun ist es an Spielern wie Dominic Solanke, Brennan Johnson oder den jungen Mathys Tel und Wilson Odobert, in die großen Fußstapfen der Vereinsikone zu treten. Klasse in der Offensive ist also vorhanden und wird zusätzlich durch Top-Neuzugang Mohammed Kudus ergänzt.
Extrem bitter dennoch: James Maddison – zusammen mit Son Topscorer der vergangenen Saison – hat sich in der Vorbereitung das Kreuzband gerissen und wird den Spurs lange fehlen. Womöglich werden die Verantwortlichen um Daniel Levy daher nochmal auf dem Transfermarkt nachlegen, zu wichtig war der 28-jährige Zehner für das Spiel der Lillywhites.
Es ist also kein leichter Start für Trainer Frank, der nicht nur das zuletzt in Lethargie verfallene Angriffsspiel der Nordlondoner wieder in den Griff bekommen, sondern auch die 65 Gegentore aus der Vorsaison deutlich reduzieren muss. Der Däne lässt gerne hoch pressen und findet bei Tottenham viele Spieler vor, die sich für dieses Vorhaben bestens eignen. Zum Beispiel Micky van de Ven, der mit seinem Tempo und der Gabe, Zweikämpfe punktgenau antizipieren zu können, prädestiniert für das hohe Anlaufen ist und sich bei den Spurs zu einem Top-Innenverteidiger entwickelt hat.
Und dennoch wird für Frank im Norden Londons sehr vieles sehr anders sein als im Westen der Stadt, wo er bis zuletzt sieben Jahre lang beim FC Brentford an der Seitenlinie stand. Dort ticken die Uhren wesentlich langsamer. Während in Brentford Frank und die Analysedaten Herrscher waren, sind es in Tottenham Fans, Medien und im Zweifel auch mal ein ungeduldiger CEO, der die Marschrichtung vorgibt. Dazu wechselt Frank von einer Kabine, die ihn liebte, in eine, die seinen Vorgänger liebte. Für den 51-Jährigen war der Gang in den Norden der Hauptstadt also in vielerlei Hinsicht kein einfacher. Wenngleich der dreifache Familienvater mit seiner charismatischen Art schon bei seiner Antrittspressekonferenz die Menschen zu überzeugen wusste – und in Tottenham nun endlich dort sein kann, wo er als Trainer schon lange hingehört: In die Champions League.
In der Königsklasse wähnt sich auch Manchester United. Doch davon könnten die Red Devils aktuell nicht weiter entfernt sein. In den Vereinsannalen des Weltklubs liest sich die Vorsaison ähnlich fatal wie bei Tottenham: Platz 15 war die schlechteste Platzierung seit 1974, als man aus der damaligen First Division abstieg. Den Schlusspunkt einer historisch schlechten Saison markierte die Niederlage im Europa-League-Finale, die es United weder ermöglichte, einen Titel gegen die schlechte Stimmung zu feiern, noch in der Champions League mitzumischen.
Für Ruben Amorim womöglich von Vorteil. Denn so hat der – man ist immer noch geneigt zu sagen: neue – Cheftrainer die Gelegenheit, ohne Zusatzbelastung an seinen Ideen zu basteln. Und als wäre der Druck im roten Teil Manchesters nicht ohnehin schon hoch genug. Den Fans kann man kein zweites Mal eine solche Saison verkaufen, im Gegenteil: Die Stimmung ist am Tiefpunkt, die Erwartungen aber naturgemäß hoch – und durch teure Neuzugänge noch höher. Schließlich haben Matheus Cunha, Bryan Mbeumo und Benjamin Sesko in Summe satte 225 Millionen Euro gekostet.
(Photo by David Ramos/Getty Images)
Was auf den ersten Blick nach einer Menge Risiko und Erfolgsdruck aussieht, kann gleichzeitig auch als eine Bürgschaft für Amorim begriffen werden. Denn die drei Neuzugänge sind vom Spielerprofil her perfekt auf das zugeschnitten, was der Portugiese von seiner Mannschaft auf dem Platz sehen will: Sesko und Mbeumo stehen für Pressing, vertikales Spiel und Tempo. Cunha soll der Offensive neben seiner Geschwindigkeit auch in längeren Ballbesitzphasen das gewisse Etwas verleihen, das in den letzten Jahren einzig und allein an Bruno Fernandes hängenblieb.
Darüberhinaus wird der Kapitän dennoch Dreh- und Angelpunkt in allen Phasen des Spiels bleiben. Und dazu als Leitwolf auf und neben dem Platz gefragt sein, um den Neuzugängen und jungen Spielern zu zeigen, wie die Uhren im Old Trafford ticken. ManUnited hat den jüngsten Kader der Premier League, auf Leny Yoro und den Eigengewächsen Kobbie Mainoo und Amad Diallo ruhen große Hoffnungen für die Zukunft. Amorim und sein Trainergespann sollen den Grundstein dafür legen.
Ob man im kommenden Mai von einer erfolgreichen Saison sprechen kann, wird nicht nur davon abhängen, wie gut Amorim seine Idee auf dem Platz umsetzen kann, sondern auch, wie es um den Stimmungsbarometer rund um die Mannschaft steht. Wie reagiert das stürmische Vereinsumfeld auf Rückschläge, die es ohne Zweifel geben wird? Geben die Klubverantwortlichen Amorim die Zeit, die ein Erik ten Hag zuerst bekam, um dann aber doch gefeuert zu werden? Bleibt die Luft in der Kabine rein? Für Letzteres sorgte Amorim schon mal höchstpersönlich, in dem er ein Quintett um den nach Barcelona verliehenen Marcus Rashford aussortierte.
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