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·13. September 2023

Paul Seguin: Ich fürchte mich nicht vor Fehlern

Artikelbild:Paul Seguin: Ich fürchte mich nicht vor Fehlern

Der Nachname steht für große Fußballmomente in der DDR, und selbst den Vornamen hat er in gewisser Hinsicht vom einst berühmten Papa. Paul Seguin spricht im Interview mit dem Schalker Kreisel über große Fußstapfen, wichtige Menschen und Momente sowie das besondere Duell mit dem 1. FC Magdeburg.

Paul, du bist einer von fünf Jungs in der Familie Seguin, trotzdem hat dein Name hin und wieder auch im Zusammenhang mit deinen Brüdern Norman, Maik, Marcel und Timmy für Irritationen gesorgt … (lacht) Ich bin der Jüngste, und daheim am Esstisch wurden wir natürlich mit unseren Vornamen angesprochen. In den jeweiligen Freundeskreisen meiner Brüder kam hin und wieder aber auch „Paule“, der Spitzname unseres Vaters Wolfgang durch, was dann zu Verwirrung führte, wenn jemand gerufen wurde. Nun ja, ich bin als Letzter zur Welt gekommen und eben der richtige Paul.


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Dein Vater ist ein bekannter Ex-Fußballer und ein großes Idol in der DDR gewesen. Wie ist er an den Spitznamen geraten? Die Geschichte wurde mir schon oft erzählt. Zu Schulzeiten war mein Vater ständig am Platz seines ersten Vereins, der BSG Einheit Burg. Manchmal war er dort auch als Balljunge hinter dem Tor im Einsatz – und der Keeper hieß Paule. So übertrug sich der Name irgendwann auf ihn.

Und deiner Mutter war bewusst, was es für Konsequenzen haben würde, ihren fünften Sohn Paul zu nennen? (schmunzelt) Das weiß ich nicht, aber ich finde es eine schöne Geschichte, hinter der ich voll und ganz stehe. Mir gefällt die Entscheidung meiner Eltern, mich so genannt zu haben.

Nicht nur dein Vater, auch deine Mutter hat als einstige Leichtathletin eine sportliche Laufbahn hinter sich. Gab es überhaupt eine Chance, sich dem zu verweigern? Wir sind generell eine sehr sportliche Familie, auch meine Brüder haben früher Fußball gespielt. Bei mir hat sich der Ehrgeiz aber wohl etwas stärker ausgeprägt, ich habe es immer geliebt und liebe auch heute noch, was ich tue. Drum herum kamen wir also womöglich nicht, gezwungen haben uns unsere Eltern aber auch nie. Wir sind zum Sport gekommen, weil wir es so wollten und unseren Spaß daran hatten.

Mit knapp vier Jahren sollst du schon das Training deines damals neunjährigen Bruders aufgemischt haben … Ich war früh bei jedem Training dabei und wollte den Ball am Fuß haben. Bei dem Altersunterschied war ich anfangs aber zu klein, bis der Trainer irgendwann gnädig war und meinte, dass ich mitmachen soll. (grinst) Da durfte ich früh mitwuseln, davon gibt es heute noch einige Videos.

Es war der Startschuss für acht Jahre in deinem Heimatverein Lok Stendal. Eine besondere Zeit? Absolut. Dort sind Freundschaften entstanden, die ich bis heute pflege; viele schöne Momente und Erinnerungen, dazu ist es mir wichtig zu wissen, wo ich herkomme. Und ich bin dem Verein sehr dankbar, dass ich dort meine ersten – wenn auch tapsigen – Schritte gehen durfte.

Muss man sich das vorstellen wie bei jedem anderen Kind? Oder war es in irgendeiner Weise besonders, als Sohn von DDR-Idol Wolfgang Seguin zu kicken? Davon habe ich mich nie wirklich beeinflussen lassen. Manchmal gab es Momente, in denen es vielleicht ein wenig gestört hat. Etwa wenn Vergleiche angestellt wurden oder Sprüche à la „Der spielt nur wegen Papa“ kamen. Davon habe ich mich aber nicht unter Druck setzen lassen – und bin auch nicht wegen meiner Verwandtschaft so weit gekommen.

Also ist der Nachname eher Segen als Fluch? Ich bin unfassbar stolz auf meinen Papa und die Dinge, die er erreicht hat. Es war aber auch nie mein Ansporn, genau dasselbe schaffen zu müssen, zumal es in der DDR eine andere Zeit war und der Fußball sich bis heute sehr verändert hat. Deshalb bin ich da sehr entspannt, auch was den Nachnamen betrifft.

Dein Ehrgeiz war von Beginn an riesig. Man findet sogar den vermutlich positiv gemeinten Begriff „fußballkrank“ in Bezug auf dich. Das kann man so sagen, der Begriff passt sehr gut. Ich wollte immer nur Fußball spielen. Selbst im Winter bin ich raus, habe mir einen Schneeschieber geschnappt und die Plätze freigeschaufelt. Meine Welt hat sich immer schon um den Ball gedreht, und dass meine Eltern mich dabei so unterstützt haben, rechne ich ihnen sehr hoch an.

Also keine Chance für andere Dinge im Hause Seguin? Gesprächsthema war es immer – und eine große Herausforderung, den Sport mit der Schule zu vereinen. Ich bin sieben Jahre lang mit dem Zug zum Training gefahren, der fünf Minuten nach Schulschluss aus dem Bahnhof fuhr. Meine Mutter hat mich also pünktlich um 15.30 Uhr an der Schule eingesammelt, und um 15.35 Uhr saß ich in der Bahn. Es waren auch harte Episoden dabei, doch ich habe es durchgezogen, weil ich es unbedingt wollte. Meine Eltern haben dafür gesorgt, dass ich Fußball und Schule vernünftig bewältigen konnte. Sie hatten aber auch das nötige Feingefühl, wenn ich von einem der beiden Dinge zu geschafft war.

In den Profifußball hast nur du es geschafft, deine Geschwister gehen anderen Berufen nach. Wo würdest du heute arbeiten, wenn es mit der sportlichen Karriere nicht geklappt hätte? Meine Brüder arbeiten teilweise in der Firma, die mein Vater nach seiner aktiven Zeit im Bereich Glas- und Gebäudereinigung gegründet hat. Ehrlicherweise habe ich mich mit anderen Optionen nie beschäftigt, weil der Wunsch so groß war, es zu schaffen. Ich habe mir immer wieder gesagt, dass ich es hinkriegen werde, und war dazu auch sehr überzeugt von mir und meinem Können. Schon damals habe ich mir wieder und wieder Videos von meinen Spielen angesehen, um mich stetig zu verbessern.

War der Schritt mit zwölf Jahren in den Nachwuchs des VfL Wolfsburg der entscheidende Türöffner? Schwer zu sagen, generell war es nicht immer einfach, beispielsweise zum Ende der A-Junioren-Zeit ist es meist ungemein schwer. Auch, weil es ja sowieso kaum ein Spieler hoch zu den Profis schafft. Mir ist das glücklicherweise gelungen, viele unterschätzen aber den Unterschied zwischen Jugend- und Männerfußball. Dass ich in Wolfsburg alle Altersklassen durchlaufen und mit großen Spielern trainieren durfte, hat mich nachhaltig geprägt.

Warst du stets aufs Mittelfeld spezialisiert? Eigentlich schon, ich bin auf der Sechs, Acht oder Zehn unterwegs gewesen. Diese Positionen liegen mir, besonders gerne treibe ich das Spiel auf der Doppelsechs an.

Gab es Förderer auf deinem Weg, denen du besonders viel zu verdanken hast? Dirk Stammann, mein damaliger U14-Trainer beim VfL, ist einer davon. Er hat sehr viel von mir gehalten und mich unterstützt. Das Gleiche gilt für Steffen Brauer, der mich in der U16 gecoacht hat und leider vor zwei Jahren verstorben ist. Am meisten gelernt habe ich aber in meiner Zeit bei Greuther Fürth unter Stefan Leitl, zu dem ich bis heute eine gute Bindung habe, und dem ich für vieles dankbar bin. Auch Urs Fischer hat mich in meinem Jahr bei Union Berlin zuletzt noch einiges gelehrt.

Dein Profi-Debüt durftest du im DFB-Pokal 2015 feiern, als du nach 89 Minuten für Kevin De Bruyne eingewechselt wurdest … Mein Puls war in dem Moment echt hoch, generell war ich bei meinen ersten Einsätzen sehr nervös. Damals war ich noch nicht so eine coole Sau. (lacht) Wenn man die gesamte Kindheit auf diesen Moment hinarbeitet, muss man schnell lernen, mit der Situation und dem Druck umzugehen. Im Anschluss gab es viele Glückwünsche auf mein Handy.

Dein erstes Bundesliga-Tor in der Saison 2016/2017 war auch ein Tag der Extreme für dich. Den Treffer konnte ich im Heimspiel für meinen Jugendverein vor den eigenen Fans gegen Hertha BSC erzielen – das war der Wahnsinn und wie ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Kurz vor Schluss habe ich mir aber die Rote Karte eingehandelt, als ich mich als letzter Mann für die Mannschaft bei eigener Führung geopfert habe. Und verloren haben wir dann auch noch. Das bleibt definitiv in Erinnerung.

2017 hast du dich zur SG Dynamo Dresden in die Zweite Liga verleihen lassen. Ein leichter Schritt als gebürtiger Magdeburger? Der Dynamo-Fußball hat mir damals sehr gefallen, aus der Bundesliga wäre der FC Augsburg eine andere Option gewesen, allerdings wollten sie mich positionsfremd als Außenverteidiger im Team. Blöderweise musste ich das auch zu Beginn in Dresden spielen, sportlich war es nicht mein bestes Jahr. Ich habe meine Lehren daraus gezogen. Und auch die Umstände als Magdeburger in Dresden waren nicht ganz einfach, weil zeitgleich medial das Gerücht kursierte, dass ich eigentlich zum FC Magdeburg wechseln wollte, was aber nicht den Tatsachen entsprach.

Anderthalb Jahre später folgte der Wechsel zur Spielvereinigung Greuther Fürth – mit besserem Ende? Der Schritt war noch krasser, allein geografisch. Aber es war der wohl wichtigste meiner bisherigen Karriere. In Fürth hatte ich dreieinhalb schöne Jahre, in denen ich mich unter Stefan Leitl sportlich und menschlich brutal entwickelt habe. In der Zeit haben wir was Tolles aufgebaut, sind in die Bundesliga aufgestiegen und haben einen Spielstil entwickelt, der schwer zu verteidigen war. Wir hatten Bock auf Fußball mit einem klaren Plan. Nach dem Aufstieg sind dann wichtige Säulen weggebrochen, weshalb wir im Oberhaus nicht mithalten konnten.

A-Jugend-Meisterschaft, DFB-Pokalsieg mit Wolfsburg und Fürther Aufstieg – was war der bislang größte Erfolg für dich? Der Aufstieg. Weil ich eine tragende Rolle eingenommen habe. Ich bin vorangegangen, konnte viele Scorerpunkte sammeln. Es war ein Prozess über Jahre, dessen Entwicklung mich heute noch unheimlich stolz macht.

Zuletzt hast du ein Jahr beim 1. FC Union Berlin verbracht. Ebenso lehrreich? Für die Entwicklung war es sicher wichtig, auch wenn es eine Saison mit Höhen und Tiefen war. Mal war ich Stammspieler, dann nicht einmal mehr im Kader. Ich bin ein Mensch, der weiß, dass er auch Fehler macht, und der daraus lernen möchte. Deshalb bin ich dankbar für die Möglichkeiten in Berlin und möchte nun hier auf Schalke noch besser werden.

Trotz Champions League mit Union und Angeboten aus der Bundesliga bist du nun hier. Wieso Zweite Liga? Weil die Gespräche mit den Verantwortlichen auf Schalke von Beginn an genauso verlaufen sind, wie ich mir das vorgestellt hatte. Sie haben mir das Gefühl vermittelt, mich unbedingt zu wollen, mir aufgezeigt, wie ich spielen soll und wo meine Stärken liegen. Ich hatte schnell Bock auf diesen Verein, der darüber hinaus einfach in die Bundesliga gehört. Also habe ich auf mein Bauchgefühl gehört und mich bewusst hierfür entschieden.

Nach Rücksprache mit der Familie? So etwas entscheide ich nie ganz allein, meine Frau war mit unserer halbjährigen Tochter natürlich in meine Überlegungen involviert. Für uns waren es sehr herausfordernde Wochen zuletzt, aber jetzt sind wir froh, angekommen zu sein.

Wie war dein erster Eindruck vom S04? Hier gibt es eine riesige Fußballkultur mit unglaublichen Fans, die alles für den Verein geben – selbst, wenn sie für sich nicht so viel haben. Dem will ich dann auf dem Feld gerecht werden. Dadurch herrscht ein besonderer Druck, aber mich spornt es umso mehr an, mein Bestes zu geben.

Was sind dabei deine Stärken? Ich kann ein Spiel bestimmen, den Takt und Rhythmus vorgeben. Im Mittelfeld bin ich vielseitig auf allen Positionen einsetzbar, sowohl als Sortierer auf der Sechs, als auch offensiver auf der Acht oder Zehn. Dazu bin ich ballsicher und verstecke mich nicht. Fehler können immer passieren, davor fürchte ich mich nicht.

Der Start verlief durchwachsen, was ist für Königsblau deiner Meinung nach drin in dieser Saison? Wir müssen nicht drum herumreden, der Start war schwierig und nicht so, wie wir ihn uns vorgestellt haben. Wir alle sind unzufrieden mit der Situation. Jeder Profi auf Schalke will Erfolg haben, geilen Fußball spielen und Gegner besiegen. Wir arbeiten zusammen am besten Weg, um möglichst schnell gemeinsam aus dem Tief zu kommen. Das Wort „gemeinsam“ ist dabei besonders wichtig. Wir hatten zuletzt viele gute Gespräche, und ich bin überzeugt, dass wir zeitnah da rauskommen.

Am Samstag gastiert der 1. FC Magdeburg in der VELTINS-Arena. Ein besonderes Duell für dich, oder? Sehr besonders, schließlich bin ich in Magdeburg geboren und werde immer wieder mit meinem Vater in Erinnerung gebracht, der mit dem Club große nationale und internationale Erfolge feierte. Viele aus unserer Familie werden im Stadion sein. Ich wünsche den Magdeburgern nur das Beste, aber sobald der Anpfiff ertönt, darf es hier nur einen Sieger geben, und der heißt Schalke 04. Ich bin gespannt, was dieser Tage noch für Nachrichten aus der Heimat kommen werden.

Das Ruhrgebiet ist Neuland für dich. Schon eingelebt? Wir konnten erst kürzlich den Umzug abschließen, das war mit viel Stress verbunden. Mir gefällt die direkte und ehrliche Art hier, wir sind schnell gut aufgenommen worden. Die ersten fünf Wochen ganz allein waren eine harte Zeit für mich, aber so ist es eben hin und wieder in diesem Beruf. Nun bin ich froh, Frau und Tochter hier zu haben, sie sind eine wichtige Stütze für mich.

Auch wenn die kleine Elea für kurze Nächte sorgt? Solche Momente gibt es auch, aber es ist vollkommen in Ordnung, wenn sie mich um 2 Uhr nachts anlacht und lieber mit mir toben möchte statt zu schlafen. (lacht) Sie sorgt für die nötige Ablenkung, wenn ich wieder einmal den Fußball gedanklich zu sehr mit nach Hause nehme. Zeit mit der Familie gibt mir viel Kraft.

… hat 2015 schon einmal für den Kreisel über Paul Seguin geschrieben. So kreuzen sich die Wege erneut.

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