Mythbusters beim 1. FC Köln: Mehr Alleinherrschaft und weniger Mitgliederrat? | OneFootball

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·12. November 2019

Mythbusters beim 1. FC Köln: Mehr Alleinherrschaft und weniger Mitgliederrat?

Artikelbild:Mythbusters beim 1. FC Köln: Mehr Alleinherrschaft und weniger Mitgliederrat?

„Warum übernimmt der Mitgliederrat nicht gleich den ganzen Verein?“ fragt Frank Lußem in seiner kommentierenden Analyse der Situation des 1. FC Köln für den kicker. Eigentlich ist das eine Frage aus der Vergangenheit, ein kaltes Eisen. Denn, eine „komplexe Gremienstruktur“ wie der Kölner Stadt-Anzeiger sie beim 1. FC Köln erkannt haben will, hat das Geflecht aus Verein und KGaA eigentlich gar nicht. Das Hauptaugenmerk der Satzung des Vereins liegt zudem genau darauf, dass kein Akteur eine übermäßige Machtposition einnehmen kann. Lußems Sorgen sind also unbegründet.

Dennoch sind sie in diesen Tagen bei vielen FC-Fans zu hören oder in den sozialen Netzwerken zu lesen. effzeh.com macht daher einen auf Mythbusters und nimmt sieben derzeit populäre Behauptungen rund um die prekäre Lage des 1. FC Köln genauer unter die Lupe.


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Mythos: „Der 1. FC Köln ist führungslos!“

Abgeleitet: Ohne Sportchef und Trainer kann der Verein keine Entscheidungen mehr treffen!

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Die These ist falsch. Das Präsidium um Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhard Sauren amtiert als Vereinsführung ebenso weiter wie der Mitgliederrat, der Aufsichtsrat und der Beirat. Mit Alexander Wehrle ist ein hauptamtlicher Geschäftsführer weiterhin im Amt. Sogar die Vakanz, die durch die Vertragsauflösung von Armin Veh entstand, kompensiert vorübergehend der Kaderplaner Frank Aehlig. Auch im Gemeinsamen Ausschuss sind alle Beteiligten nach wie vor entscheidungsfähig.

Die Gremienstruktur gewährleistet sogar, dass der Verein nicht führungslos bleibt; das zeigte auch die Entsendung Stefan Müller-Römers in den Vorstand, nachdem Werner Spinner zurückgetreten war. Die Gremienstruktur erklären wir im Folgenden genauer. Dass der 1.FC Köln derzeit führungslos sei, kann man jedenfalls nicht guten Gewissens behaupten.

Ergebnis:

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Mythos: „Der FC hat eine zu komplexe Gremienstruktur!“

Abgeleitet: Die Organisation des 1. FC Köln ist komplizierter als bei anderen Clubs!

Der 1. FC Köln ist wie sehr viele deutsche Fußballclubs ein eingetragener Verein, der 100 Prozent der Anteile an einer sogenannten Kommanditgesellschaft auf Aktien, besser bekannt als KGaA, besitzt. Beim eingetragenen Verein gibt es den Vorstand bestehend aus Werner Wolf, Jürgen Sieger und Eckhard Sauren, der (für den Verein) die Entscheidungen trifft, sich dabei vom Beirat, dem REWE-Chef Lionel Souque vorsitzt, beraten lässt und vom Mitgliederrat, dessen Vorsitzende Stefan Müller-Römer und Carsten Wettich sind, kontrolliert wird.

Bei der KGaA gibt es die Geschäftsführung (Wehrle), die von einem Aufsichtsrat überwacht wird, der sich aus dem Vorstand des eingetragenen Vereins (Wolf, Sieger, Sauren) und dem Vorsitzenden des Gremiums, Jörn Stobbe, zusammensetzt. Grundsätzlich ist die Geschäftsführung frei in ihrem Handeln – sie leitet die KGaA und hat somit im täglichen Geschäft die Kontrolle über die Lizenzspielerabteilung des 1. FC Köln.

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Damit der Verein mit seinen Gremien (Vorstand, Mitgliederrat, Beirat) als Besitzer der KGaA mehr Kontrolle als durch die bloße Prüfung von Jahresberichten im Aufsichtsrat über seine Tochtergesellschaft hat, gibt es beim 1. FC Köln den sogenannten Gemeinsamen Ausschuss. Dieses siebenköpfige Gremium setzt sich aus den drei Vereinsvorständen (Wolf, Sieger, Sauren), den Vorsitzenden des Mitgliederrats (Müller-Römer und Wettich), dem Beiratsvorsitzenden (Souque) und dem Aufsichtsratschef (Stobbe) zusammen.

Der Gemeinsame Ausschuss ist das wichtigste Entscheidungsgremium des Vereins und stellt den Einfluss des Vereins auf wichtige Entscheidungen bei seiner von angestellten Geschäftsführern geleiteten Tochtergesellschaft sicher. Zudem stellt die Zusammensetzung des Gemeinsamen Ausschuss sicher, dass keine Fraktion im Club übermäßig viel Macht inne hat.

Unterm Strich: Aufsichtsrat, Vorstand, Mitgliederrat, Beirat und Gemeinsamer Ausschuss – fünf zentrale Gremien und ihr Zusammenwirken gilt es zu durchdringen. Das ist kein Kinderspiel, aber Normalität bei vielen Fußballclubs, auch wenn viele Medien ein oberflächlicheres Bild erzeugen. Der 1. FC Köln ist also strukturell betrachtet kein außergewöhnlich kompliziertes Beispiel. Der Mitgliederrat ist nur in sofern eine Besonderheit, dass er eine Kontrollfunktion übernimmt, die bei vielen anderen Clubs oft sogenannte Verwaltungsräte übernehmen sollen. Diese werden meist aber vom Vorstand bestellt, was ihren Kontrollzweck mehr oder weniger ad absurdum führt. Bis 2012 besaß der 1.FC Köln übrigens einen solchen Verwaltungsrat – dieser ließ Wolfgang Overath und Co. gewähren, sodass der Klub kurz vor dem Zusammenbruch stand. Ob man nun die Funktion eines Mitglieder- oder eines Verwaltungsrats verstehen muss, ist in Sachen „komplizierte Strukturen“ aber eh gehopst wie gesprungen.

Ergebnis:

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Mythos: „Warum übernimmt der Mitgliederrat nicht gleich den ganzen Verein?“

Abgeleitet: Der Mitgliederrat hat zu viel Einfluss beim 1. FC Köln!

Der Mitgliederrat des 1. FC Köln agiert satzungsgemäß als Kontrollgremium und überwacht somit die Arbeit des Vereinsvorstands. Die Mitgliederräte werden bei der Mitgliederversammlung demokratisch von den anwesenden Vereinsmitgliedern gewählt und sollen die Interessen aller Mitglieder im Club vertreten, aber auch unkontrolliertes Handeln im Vorstand verhindern.

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Würden die Mitgliederräte das nicht (mehr) tun, würden sie gegen die Satzung verstoßen und müssten konsequenterweise abgewählt werden. Aus dieser Rolle ergibt sich allerdings nicht automatisch eine übermäßige Machtposition für den Mitgliederrat selbst. Das änderte sich auch durch die jüngste Klarstellung nicht, die besagte, dass der Mitgliederrat das Aufsichtsorgan des Vereins sei und den Vorstand in all seinen Funktionen überwache.

Das Gremium entsendet lediglich den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter in den Gemeinsamen Ausschuss, dort haben die beiden Mitgliederräte insgesamt nur zwei von sieben Stimmen, sie brauchen somit für die Durchsetzung ihrer Position die Unterstützung von mindestens zwei weiteren Ausschussmitgliedern – dass der Mitgliederrat allein den „Verein übernimmt“, ist demnach schlichtweg unmöglich.

Ergebnis:

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Mythos: „Der FC ist wegen der ganzen Gremien keine gute Adresse mehr!“

Abgeleitet: Die Gremien und ihre Rolle beim 1. FC Köln schrecken hochqualifiziertes Personal ab!

Grundsätzlich spricht überhaupt nichts dafür, dass sich ein potenzieller Geschäftsführer einer Kommanditgesellschaft auf Aktien von einem Aufsichtsrat abschrecken ließe. Dann würde er schließlich keinen Job bekommen – ob im Fußball oder sonst irgendwo. Auch dass der Besitzer, in diesem Fall der 1. FC Köln e.V., eine gewisse Kontrolle über die Vorgänge in seiner Tochtergesellschaft haben möchte, ist völlig normal. Am Geißbockheim wird das mit dem Gemeinsamen Ausschuss sichergestellt.

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Es mag zwar Sportchefs geben, die gerne mit Millionenbeträgen hantieren würden, ohne dafür Rechenschaft ablegen zu müssen – das ist und bleibt aber, selbst wenn es gut geht, schlichtweg unprofessionell. Die Gremienstruktur des 1. FC Köln schreckt also wenn überhaupt nur unkontrollierbare Amateure ab – für Profis sollte sie hingegen 2019 auch im Fußballbusiness kein Problem darstellen. Viel abschreckender dürfte für viele ohnehin die derzeitige finanzielle Lage des effzeh sein.

Der Mythos bedeutet im Umkehrschluss übrigens auch, dass der langjährige Geschäftsführer Alexander Wehrle entweder kein Problem mit den „vielen“ Gremien hat – oder gar nicht zum „hochqualifizierten Personal“ gehört, da er sonst ja furchtbar abgeschreckt vom 1. FC Köln und seiner Struktur hätte sein müssen. Und davon wollen wir doch mal nicht ausgehen, oder? Daher…

Ergebnis:

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Mythos: „Beim 1. FC Köln reden zu viele Leute mit, was Erfolge verhindert!“

Abgeleitet: Weniger Kontrolle des Vorstands durch den Mitgliederrat hilft dem 1. FC Köln erfolgreich zu sein!

Der Ruf nach einem „starken Mann“ beim 1. FC Köln wird gerne mit nostalgischen Erzählungen über den ersten FC-Präsidenten Franz Kremer verbunden. Die Zeiten des „Boss“ sind in Köln allerdings schon lange vorbei – und das damalige Ausmaß an Alleinherrschaft ist nicht erst mit der Satzungsänderung vor ein paar Jahren verschwunden. Da ein Verein sich aus seinen Mitgliedern zusammensetzt, ist der „starke Mann“ bei einem Fußballclub ohnehin keine ernst zunehmende Variante mehr – und wird bei richtigen Vereinen auch nicht praktiziert. Auch in Köln schon ewig nicht mehr.

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Dennoch konnte Wolfgang Overath in seiner Präsidentschaft noch mit deutlich weniger Kontrolle agieren, als das für seinen Nachfolger Werner Spinner nach der Satzungsänderung beim FC möglich war. Der Grund: Overath und seine Vizepräsidenten wurden lediglich von einem Verwaltungsrat überwacht, dessen Mitglieder sie selbst berufen hatten. Die sportliche Bilanz des 1. FC Köln mit dieser Gremienstruktur war über Jahrzehnte hinweg ebenso schlecht wie die finanzielle – unabhängig davon, wer gerade Präsident war. Bis auf den sechsten stehen alle fünf vorherigen Abstiege hier in der Bilanz – und die drohende Insolvenz des Clubs. Der Schutz vor krummen Dingern war gering, die Abhängigkeit von Einzelnen hoch. Was die Leistungsdaten betrifft, hat das direkte Vorgängermodell mit mehr „Alleinherrschaft“ des Vorstands also keineswegs überzeugt.

Die Bilanz der aktuellen Satzung sieht trotz des katastrophalen Abstiegs bislang deutlich besser aus: Der 1. FC Köln konnte Verbindlichkeiten reduzieren, spielte stabil in der Bundesliga und qualifizierte sich dann erstmals seit 25 Jahren für die Europa League – mit der erneuerten Satzung und mit erheblich mehr Kontrolle über den Vorstands als zuvor.

Der sportliche Niedergang nach dem Höhenflug wird in diesen Tagen dennoch gerne als Argument gegen die aktuelle Struktur des 1. FC Köln angeführt. Besonders im Fokus steht dabei der Mitgliederrat, der die Kontrolle über den Vorstand sicherstellt. Ein ironischer Trugschluss: Die Gründe für den Absturz finden sich eben nicht in der Struktur des Clubs, sondern bei den handelnden Personen. Erst als der Vereinsvorstand die Macht der KGaA-Geschäftsführung zunehmend ausdehnte und dann mit ihr zusammen immer heftiger gegen die Kontrolle durch den Mitgliederrat opponierte, geriet das gesamte Konstrukt beim 1. FC Köln ins Wanken. Das war kein Systemfehler. Aber Foulspiel.

Ergebnis:

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Mythos: „Dem 1. FC Köln droht das gleiche Schicksal wie Kaiserslautern“

Abgeleitet: Der Pfälzer Traditionsverein befindet sich in Liga 3, weil es dort zu viele Funktionäre gibt!

Kein Traditionsverein wirkt derzeit unprofessioneller als der 1.FC Kaiserslautern: Der Verein stieg in die dritte Liga ab und befindet sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Auch hier vermitteln Medien oft den Eindruck, als sei die Ursache für die Lauterer Lage, dass es zu viele Leute im Verein gäbe, die mitreden und mitentscheiden wollen. Dabei klammern sie jedoch zweierlei aus: Erstens die fachlichen und menschlichen Qualitäten der handelnden Personen, zweitens die Amtszeit des ehemaligen Vorstandschefs Stefan Kuntz.

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Kuntz amtierte vom April 2008 bis zum April 2016. Die Lauterer empfingen ihn als Heilsbringer, sodass der Ex-Spieler jahrelang unantastbar war und als „starker Mann“ schalten und walten konnte, wie er wollte. Als das Geld endgültig weg war, zog Kuntz sich zurück. In einem Gutachten aus dem Jahr 2018 wird ihm vorgeworfen, „mit einer auffälligen Dreistigkeit […] die Mitglieder hinters Licht geführt“ zu haben. Seine Nachfolger fanden einen ruinierten Verein vor, erwiesen sich aber auch als unfähig, den Scherbenhaufen zu kitten. Dem finanziellen Notstand folgte dann der Abstieg in Liga 3; inzwischen musste sich der FCK sogar dem Luxemburger Investor Flavio Becca zuwenden. Ob eine stärkere Kontrolle von Kuntz durch andere Vereinsvertreter den Absturz verhindert hätte, ist unklar. Aber geschadet hätte sie dem Club garantiert nicht.

Wenn es also überhaupt eine klitzekleine Parallele zwischen dem effzeh und den Lauterern gibt, dann nur, dass die „starken Männer“ in der Geschäftsführung beim effzeh zuletzt nur wenig am Geldverschleudern gehindert wurden wie Kuntz damals in Lautern. Abgesehen davon hat der Vergleich kein Fundament.

Ergebnis:

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Mythos: „Zwischen Vorstand und Mitgliederrat entstand ein Bruch, weil der Vorstand Achim Beierlorzer nicht schon nach der Niederlage in Düsseldorf entließ!“

Abgeleitet: Auch zwischen dem neuen Vorstand und dem Mitgliederrat werden die jahrelangen Grabenkämpfe fortgesetzt!

Der Vorstand hörte den Mitgliederrat nach dem Spiel gegen Düsseldorf an. Dieser sprach sich für eine Freistellung Achim Beierlorzers nach der Niederlage in Düsseldorf aus. Der Vorstand entschied sich nach dieser Anhörung und einer langen Diskussion im Gemeinsamen Ausschuss dafür, Beierlorzer für ein weiteres Spiel im Amt zu lassen.

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Der Entscheidungsprozess lief grundsätzlich völlig normal ab. Der Vorstand befragte die zuständigen Gremien des Vereins und traf dann eine Entscheidung – das ist sein Job. Dass Vorstand und Mitgliederrat dabei teilweise unterschiedliche Positionen einnahmen, ist nicht ungewöhnlich.

Wichtig ist, dass sich die Protagonisten an diese Abläufe halten und eine kollegiale Atmosphäre vorleben – was das große Problem des alten Präsidiums war. Derzeit deutet auf derartige Zustände jedoch nichts hin. Ein Bruch oder Zerwürfnis zwischen Mitgliederrat und Vorstand kann daher nicht diagnostiziert werden.

Ergebnis:

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