Rund um den Brustring
·12. Dezember 2024
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·12. Dezember 2024
Im Heimspiel gegen Young Boys Bern dreht der VfB nach der Pause auf und gewinnt zum ersten Mal seit 15 Jahren ein Heimspiel in der Champions League. Das 5:1 war deutlich, eine möglicherweise spielentscheidende Szene dafür eher weniger.
Ui. Das war knapp. Also nicht das Ergebnis des VfB gegen den BSC Young Boys, der am Ende im Neckarstadion ziemlich auseinander fiel. Sondern die Entscheidung des VAR zugunsten des 2:1 von Enzo Millot. Denn der Linenrichter war sich ziemlich sicher, dass Fabian Rieder den Ball vor seiner Vorlage nicht von der Linie, sondern aus dem Aus gekratzt hatte — genauso ging es mir und der Gästemannschaft. Rieder und Millot ließen sich aber nicht von dem wild Fahne schwenkenden Assistenten irritieren und spielten klugerweise weiter — bis eben der Schiedsrichter pfeift. In diesem Fall signalisierte der Pfiff aber dann das Tor für den VfB und den Anstoß für die Berner und damit erneut ein weiß-rotes Comeback nach einem Rückstand. Echte Maßarbeit also. In der Summe von fünf Toren mag dieses Tor vielleicht nur eine Nebenrolle spielen, es wurde jedoch deutlich, dass der Schweizer Meister danach derart von der Rolle war, dass er sich zwar nicht von Ermedin Demirovic, aber dafür von Chris Führich, Josha Vagnoman und sogar Yannik Keitel drei weitere Tore einschenken ließ — eines schöner als das andere.
So elegant die Brustringträger nach der Halbzeit über den Gegner hinwegfegten, so schwer taten sie sich vor der Pause. Wieder fing man sich durch Passivität ein frühes Gegentor, welches die YB-Spieler für einen sehr berührenden Tribut an ihren Mitspieler Meschack Elia und dessen verstorbenes Kind nutzten. Wieder sah man sich im Anschluss lange einem kompakt verteidigenden und hoch pressenden Gegner gegenüber, der Morgenluft witterte und wie die Mannschaft aus Belgrad versuchte, seine Erfahrung im jahrelangen Meisterschaftskampf in der Liga auch international in Punkte umzumünzen. Der VfB fand vorne keinen Zugriff, brachte kaum gefährliche Pässe unter, sondern erging sich in Ballhalten und Querspielen. Man könnte natürlich wohlwollend sagen, dass sie sich den Gegner zurechtlegten, wie man es dann beim präzisen Ausgleichstreffer von Angelo Stiller beobachten konnte. Das würde aber voraussetzen, dass der VfB einen Plan hatte, wie er den Rückstand aufholen wollte. Der fehlte lange.
Es fällt auf, dass der Mannschaft mitunter der Mut fehlt, mit schnellen klaren Pässen — wie eben beim Ausgleich — nach vorne zu spielen. Stattdessen wird zum zehnten Mal auf dem linken Flügel hinterlaufen, während Josh Vagnoman auf der Gegenseite verhungert. Stellt sich Alex Nübel, der beim Gegentor nicht gut aussah, aber auch Jeff Chabot mit seinem Türsteher-Kreuz im Blickfeld hatte, viel zu lange auf den Ball und wartet darauf, dass der Gegner rausrückt, was er schon seit Beginn der Saison nicht mehr tut. Spielt Enzo Millot aufsehenerregende Diagonalbälle — mit Ansage zum Gegner. Die Mannschaft macht sich, vermutlich aus körperlicher oder emotionaler Erschöpfung, das Leben weiterhin unnötig schwer. Und blüht dann plötzlich auf, wenn ihnen wieder einfällt, wie es geht.
Denn die zweite Halbzeit war VfB-Fußball par excellence. Geistesgegenwärtig beim Führungstreffer. Eingespielt bei der Freistoßvariante von Fabi Rieder auf Chris Führich, der den perfekt aufgelegten Ball in gekonnter Manier ins Tor drehen konnte. Energisch wie bei Joshua Vagnomans Treffer und mutig wie bei Yannik Keitels Tor zum Entstand. Nur einer konnte den Ball nicht im Tor unterbringen: Ermedin Demirovic. In der Liga traf er schon sieben Mal, in der Champions League wollte an diesem Abend nichts gelingen. Eigentlich sind wir in solchen Spielen auf jemanden wie ihn angewiesen und an fehlenden Zuspielen lag es diesmal auch nicht. Hoffen wir mal, dass er sein Gefühl vor dem Tor vor Weihnachten noch wieder findet — und im neuen Jahr dann hoffentlich mit Jamie Leweling und Deniz Undav gemeinsam dafür sorgen kann, dass wir am Ende doch noch eine Runde weiter kommen.
Mit dem Ergebnis hat der VfB das Debakel von Belgrad toremäßig ausgeglichen, die Punkte fehlen aber trotzdem. Die Liga endet bereits nach acht Spielen, ist supereng und daher sehr anfällig für Torverhältnisse. Angesichts der vielen Mannschaften ist es schwierig, den Überblick zu behalten, aber es scheint so, als müsse der VfB nicht nur in Bratislava gewinnen, sonder müsse auch gegen Paris St. Germain mindestens einen Punkt holen. Eine große Aufgabe, die die Mannschaft dann hoffentlich etwas ausgeruhter und personell verstärkt angehen kann — für die es aber auch das richtige Mindset braucht. Auswärts bei Slovan und gegen Paris wird man vielleicht nicht die Möglichkeit haben, einen Rückstand derart wettzumachen. Die beiden letzten Spiele dürften aber hoffentlich dafür sorgen, dass sich die Mannschaft gegen die Kellerkinder Heidenheim und St. Pauli auf ihre Stärken besinnt. Der VfB nimmt langsam Fahrt auf.
Zum Weiterlesen: Dem Vertikalpass war zwischendurch ziemlich kalt.
Titelbild: © Alex Grimm/Getty Images