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·7. Juni 2024

Leverkusen-Frauen: Wohin geht's? Schritt für Schritt weg vom Graue-Maus-Image

Artikelbild:Leverkusen-Frauen: Wohin geht's? Schritt für Schritt weg vom Graue-Maus-Image

Unzufrieden, sagt Achim Feifel, war er mit dieser Saison nicht. Zufrieden aber auch nicht. Die Aussage fasst die Saison von Bayer Leverkusen in der Frauen-Bundesliga gut zusammen: Wirklich enttäuschend war es selten, wirklich herausragend ebenso. Leverkusen spielte durchaus gepflegten Fußball, manchmal fehlte aber auch die Durchschlagskraft.

Kurz: Die ganz großen Emotionen weckte die Werkself eher selten, dümpelte im soliden Mittelfeld herum. Mit dem Abstieg hatten sie nie etwas zu tun, mit den internationalen Rängen aber ebensowenig. "Wir haben ein paar Chancen liegengelassen, uns hatteilweise der letzte Punch gefehlt. Wir schlagen zu wenig Kapital aus Standardsituationen", diagnostiziert Achim Feifel.


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Feifel, 59, ist Sportlicher Leiter von Leverkusen und war zuvor bereits drei Jahre lang Trainer der Rheinländerinnen. Er soll den Prozess in der Frauensparte weiter vorantreiben, für mehr Zufriedenheit in der Gesamtbewertung sorgen. Feifel ist keiner, der große Töne spuckt. Im Gespräch spricht er bedacht, sagt Sätze wie: "Wir sehen den Prozess als eine Step-by-Step-Entwicklung: Wir wollen gesund wachsen und ohne den maximalen Druck unsere Spielerinnen weiterentwickeln."

Bloß keine zu großen Erwartungen schüren - Feifel macht sich keine Illusionen, die Erfolgsstory der Männer zu kopieren. Über die ist eigentlich schon alles erzählt, hier nochmal ein Kurzdurchlauf: Vom sechsten Platz sprang Leverkusen zur souveränen Meisterschaft, und nicht nur irgendwie, sondern mit den aufregendsten Talenten, innovativer Taktik, einem so lässigen wie fähigen Coach, dem schönsten Fußball. Plötzlich war Leverkusen attraktiv, die Fußballwelt schaute ans Bayerkreuz. Ändert der Erfolg etwas für die Entwicklung vom Frauenteam?

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Leverkusen sorgte diese Saison in der Männer-Bundesliga für Euphorie / Alex Grimm/GettyImages

Leverkusen will nach vorne - aber das wird immer schwerer

Feifel lässt keinen Zweifel daran, dass sie nicht nur stagnieren wollen. "Wir haben die Ambition, auf ein Niveau mit Hoffenheim und Frankfurt zu kommen", sagt er, und das klingt schon erstmal nach einer Ansage - das Niveau, das heißt zumindest Champions League, auch mal Wolfsburg und Bayern angreifen, Spielerinnen auf höherem Niveau zu halten.

Gerade erst ist mit Elisa Senß eine Nationalspielerin von Leverkusen nach Frankfurt gegangen - im gleichen Klub zu spielen bleibt also noch eine Ambition und keine Realität, auch wenn die Lücke insgesamt diese Saison kleiner geworden ist. Es folgt aber prompt eine Einschränkung von Feifel: "Wir wollen im oberen Mittelfeld bleiben und das ist schwer genug", sagt er.

Schließlich würde immer mehr Geld von allen Seiten investiert, neue Klubs drängen in die Liga. Um in der Tabelle aufzusteigen, braucht es ein erhebliches Engagement. Wer nur so weitermacht wie vorher, wird sich dagegen nach unten orientieren. Das wissen sie auch in Leverkusen und setzen so auf eine kontinuierliche Entwicklung.

Aber von den Ambitionen zeugt eine große Veränderung am Ende der Saison: Auf den Niederländer Robert de Pauw folgt Roberto Pätzold. Dabei gab es keine Katastrophen, kein Auseinanderbrechen, das direkt zu "Trainer raus!"-Rufen geführt hätte. Leverkusen verpasste sogar nur knapp den Rekord für die beste Saison aller Zeiten. Trotzdem ging die Entwicklung den Verantwortlichen wohl nicht mehr schnell genug. Es ist ein Austarieren: Zwischen neuem Tempo und Planung, zwischen Ambitionen und der Angst vor zu viel Druck.

Entwicklungen im Hintergrund: Bessere Betreuung für Spielerinnen

Statt an den spektakulärsten Transfers arbeiten Feifel und sein Team viel an den Entwicklungen im Hintergrund. Der Staff sei über die Jahre erheblich gewachsen, vor allem die Bereiche Spielanalyse, Individualanalyse, Ernährungsberatung und Psychologie. So will Leverkusen auch Spielerinnen, gerade junge Talente, für sich gewinnen und ihnen weitere Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen.

Und natürlich hilft das, Spielerinnen länger in Leverkusen zu halten. "Es ist alles schon viel besser geworden. Alleine, dass uns die Physiotherapeuten mittlerweile ganztägig betreuen können, macht viel aus“, sagte etwa Stürmerin Kristin Kögel zu Beginn der Saison.

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Profitieren inzwischen von besseren Bedingungen: Kristin Kögel (links) und Co. / Max Ellerbrake - firo sportphoto/GettyImages

Zu einer solchen Weiterentwicklung gehören mehrere Punkte: Zum einen, die bestehenden Möglichkeiten zu vergrößern - zum anderen aber auch, mehr aus den bereits existierenden Möglichkeiten zu machen. Dass die SGS Essen, mit einem deutlich geringerem Budget, in der Tabelle vor ihnen gelandet hat, dürfte am Rhein nicht für Freude gesorgt haben.

Nachwuchs und Öffentlichkeitsarbeit als Schlüssel

Genau wie Essen hat aber auch Leverkusen die Nachwuchsarbeit als Schlüssel zum Erfolg ausgemacht. Zum Beispiel wurden der medizinische Bereich und der Fahrdienst für die Youngster ausgebaut. Und die Männer- und Frauen-Infrastruktur sollen nicht mehr nur zwei getrennte Gebilde sein, sondern zunehmend auch zusammen gedacht werden.

"Die U17 und U23-Frauenmannschaften sind inzwischen am Nachwuchsleistungszentrum platziert, das war ein großer Schritt", sagt Feifel. Auch in anderen Bereichen sucht man nach Synergien: Wie bei vielen anderen Bundesligisten wird der Rehabereich etwa gemeinsam genutzt. "Wir können unser Athletiktraining in den gleichen Räumen wie Männer machen, und können in Winterzeiten inzwischen einfacher ausweichen, statt das Training absagen zu müssen", sagt Feifel.

Klingt selbstverständlich, ist es an vielen Standorten aber noch nicht. Eine weitere große Veränderung sieht Feifel auch im PR-Bereich: Bayer Leverkusen soll als Marke, egal ob im Männer- oder Frauenfußball, stärker werden, die Frauen stärker auch als Teil des Klubs präsentiert werden. Der Bereich Vermarktung und Medien wurde so auch für den Frauenfußball ausgebaut.

Darauf führt Feifel auch die deutlich gestiegenen Zuschauerzahlen zurück: Vor zwei Jahren kamen noch circa 300 Fans, auch vor der Covid-Pandemie waren es nicht wirklich mehr. Inzwischen sind es dreimal so viele - damit rangiert Leverkusen immer noch in der Publikumstabelle der Frauen-Bundesliga im unteren Bereich.

Eine große Veränderung in relativen Zahlen ist es trotzdem. "Bei den Männern war das Stadion noch vor einiger Zeit auch nicht ausverkauft", sagt Feifel: "Mit rund 1000 Zuschauern ist die Stimmung schon bedeutend besser als zuvor, das macht einen großen Unterschied.“

Seine Hoffnung ist es, dass bessere Leistungen gemeinsam mit professionellem Marketing sich dann auch auf den Zuschauerschnitt auswirken. Vielleicht kann die Werkself so auch den Ruf als graue Maus loswerden, der ihr aktuell noch ein wenig anhaftet. Ein bisschen mehr Zufriedenheit, ein bisschen mehr Glitzer überall - Schritt für Schritt.

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