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·10. Februar 2020
Lebenswege beim 1. FC Köln: Thomas Olschewski – vom Fußball besessen, überaus erfolgreich im Beruf!

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·10. Februar 2020
Der Schlusspfiff des Unparteiischen schrillte über den Platz und setzte dem verzweifelten Anrennen der U19 des BVB ein jähes Ende. Während die Dortmunder Spieler enttäuscht auf den Rasen sanken und die Köpfe in den Händen verbargen, starteten die Kölner einen Jubellauf in Richtung FC-Tor. Dort kniete ihr Torwart, die Hände triumphal zu Fäusten geballt und schrie seine Freude über den Sieg in den Himmel über dem Geißbockheim. Sekunden später war er unter einer Spielertraube verschwunden. Die Spieler der A-Jugend des 1. FC Köln wussten genau, wem sie den 1:0-Sieg gegen den BVB zu verdanken hatten.
An diesem sonnigen Sonntagmorgen im Frühjahr 2000 hatten sich 400 Zuschauer am Platz 4 des Trainingsgeländes der „Geißböcke“ eingefunden, um der Begegnung des Tabellenersten, Borussia Dortmund, gegen die drittplatzierten Kölner beizuwohnen. In der ersten Halbzeit sahen sie eine Partie, in der die Schwarzgelben Katz und Maus mit den Kölnern spielte. Den schnellen Kombinationen, dem Tempo, der Präzision und Eleganz hatte die junge Geißbockelf kaum etwas entgegenzusetzen. So häuften sich dann auch die Torchancen des BVB, und es war nur einer Reihe von tollkühnen Torwartparaden zu verdanken, dass der FC nicht in Rückstand geriet.
Etwas besser kamen die Schützlinge von FC-Trainer Martin Siegbert nach dem Pausentee ins Spiel, ohne allerdings verhindern zu können, dass die mit Jugendnationalspielern gespickte BVB-Elf die Spielkontrolle behielt und weitere hochkarätige Torgelegenheiten herausspielte. Allein – ihnen gelang kein einziger Treffer, selbst einen Foulelfmeter konnten sie nicht verwandeln. Thomas Olschewski, der Kölner Keeper, hielt alles: Flanken, Kopfbälle, Volleys, Schüsse in Tornähe und Versuche aus der Distanz. Er flog durch den Strafraum, parierte, hechtete, faustete. Er war einfach nicht zu überwinden. Als dann auch noch sein langer Abschlag von Markus Steegmann angenommen und humorlos zum einzigen Treffer im Dortmunder Tor versenkt wurde, war er endgültig zum Helden des Spiels geworden. So titelte dann der Kölner Stadt-Anzeiger auch: “Olschewski rettet FC den 1:0-Erfolg“.
Knapp 20 Jahre später treffe ich Thomas Olschewski an einem kalten Januarmorgen in einer seiner Büroetagen im KölnTurm. Er befindet sich gerade in einer Telefonkonferenz, einer von zweien, an denen er an diesem Vormittag teilnimmt. In seinem Anzug sieht er elegant aus, vermittelt aber zugleich einen Touch sportlertypischer Lockerheit. Für einen ehemaligen Torwart ist Thomas Olschewski nicht sehr groß, wirkt jedoch drahtig und durchtrainiert. Im Gespräch erlebe ich ihn als sehr aufgeschlossen, lebhaft und redegewandt, als einen guten Kommunikator, der anschaulich über sein Leben im Fußball und danach zu berichten weiß.
In Köln geboren, wächst Thomas Olschewski im Pulheimer Stadtteil Dansweiler auf. Mit sechs Jahren schließt er sich dem TuS Blau-Weiß Königsdorf an, wo er zunächst als Feldspieler aufläuft, dann aber ins Tor geht – und dort bleibt. Der Anfang ist allerdings nicht leicht. „Die ersten Spiele im Tor waren alles andere als berauschend“, erinnert er sich. Seine Leistungen werden besser, trotzdem wird er dem runden Leder untreu. Beim TTC Brauweiler spielt er die nächsten zwei Jahre Tischtennis und stellt auch in dieser Sportart beachtliches Können unter Beweis.
In Brauweiler besucht er ab 1992 das Abtei-Gymnasium. Einige seiner Klassenkameraden spielen Fußball beim SC Schwarz-Gelb Glessen, wo er seine Laufbahn als Torhüter wenig später fortsetzt. Er ist ehrgeizig, verbringt auch neben dem regulären Training eine Menge Zeit auf dem Fußballplatz. Er freundet sich mit Tim Jerat an, der damals schon in der Jugend des 1. FC Köln spielt. Das Duo verbindet dieselbe Leidenschaft für diesen Sport, sie trainieren gemeinsam, auch in den Ferien dreht sich bei den Beiden alles um das runde Leder.
„Ich erinnere mich an meine ersten Sommerferien während meiner Gymnasialzeit“, berichtet der ehemalige Torwart. „Als ich frühmorgens mit meiner Sporttasche über dem rechten und einem Ball unter dem linken Arm aus dem Haus ging, sah mich eine Nachbarin und fragte, wo ich denn hinginge. Ich gehe trainieren, war meine Antwort, woraufhin die Frau den Kopf schüttelte: Mach doch mal frei, es sind doch Ferien, sagte sie dann.“
Aber Thomas Olschewski macht nicht frei, er trainiert eisern, tagein, tagaus – und verbessert sich. Sein Freund Tim schießt ihm aus allen Lagen Bälle aufs Tor, der junge Torwart pariert zunächst die haltbaren, dann die schwierigen und schließlich auch einige unhaltbare.
Der Wechsel zum 1. FC Köln, Vorbilder und erste Erfolge
Tim Jerats Vater Wolfgang, zu der Zeit Co-Trainer beim FC an der Seite von Morten Olsen, vermittelt im Frühsommer 1995 ein Probetraining für das aufstrebende Talent, bei dem C-Jugend-Trainer Christoph Henkel ihn auf Herz und Nieren prüft. Dem Übungsleiter gefällt, was er sieht, und so wird Thomas Olschewski zur Saison 1995/96 als dritter Torhüter der C1 vom 1. FC Köln verpflichtet. Dort trifft er wieder auf Tim Jerat, seinen besten Freund.
In den Sommerferien trainiert er wie ein Besessener, und so dauert es nicht lange, bis der ehemalige Glessener sich den Stammplatz zwischen den Pfosten erobert hat. Berufungen in Kreis- und Mittelrheinauswahl folgen, Olschewskis Trainingseifer beginnt sich auszuzahlen. Bei einer der Zusatzeinheiten mit Wolfgang Jerat hört er den Satz, den er lange Zeit nicht vergessen wird: „Es gibt keine unhaltbaren Tore.“ Er ist ein guter Schüler, ordnet aber ansonsten fast alles seinem Ziel unter, ein immer besserer Torwart zu werden, an dem sich die Gegner die Zähne ausbeißen sollen.
Beim FC sieht er das Torwartspiel von Bodo Illgner, einem seiner beiden Idole, und versucht sich einiges von ihm abzuschauen. „Ich fand Illgners Ausstrahlung faszinierend. Er war ein eher ruhiger, sachlicher Torwart, dem Showeinlagen absolut fremd waren“, erinnert sich Olschewski. “Und trotzdem war er ein Wahnsinnstorhüter, Weltmeister, zweimaliger Champions-League-Sieger mit Real Madrid, Weltpokalsieger“.
Sein zweites Vorbild, Oliver Kahn, war der Gegenentwurf zu dem eher zurückhaltenden Kölner. Ehrgeizig bis zur Verbissenheit, bisweilen rücksichtslos gegen den Gegner – und immer gegen sich selbst, nie um einen markigen Spruch verlegen. Ein Wahnsinnskeeper wie Illgner, wenn auch auf eine völlig andere Art.
Nachdem er 1996/97 zur B2 aufrückt, wo Manfred Schadt sein Trainer ist, erlebt er in der darauffolgenden Saison als Stammtorwart der B1 seine erfolgreichste Zeit beim Geißbockclub. „Wir hatten eine enorm starke Mannschaft mit Spielern wie Massimo Cannizzaro, Markus Steegmann, Tim Jerat, Michael Loch, Aydin Bagheri oder Klaus Welter“, erinnert er sich.
Mit den Trainern Colin Bell und Martin Siegbert holen sie den Meistertitel am Mittelrhein vor Bayer Leverkusen und qualifizieren sich für die Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche B-Junioren Meisterschaft. In der Vorrunde schicken sie den HSV mit einem 7:1 nach Hause, siegen im Achtelfinale mit 4:1 bei Hannover 96 und im Viertelfinale mit 2:1 gegen Werder Bremen, bevor sich im Halbfinale die B-Jugend von Borussia Dortmund als zu stark erweist und die Kölner im Stadion Rote Erde mit 5:2 schlägt.
In seinem letzten B-Jugendjahr wird wieder Martin Schadt sein Trainer, bevor er in der Saison 1999/2000 zur A1-Jugend des FC aufrückt und dort unter Martin Siegbert trainiert. Seine Leistungen im Verein und in der Mittelrheinauswahl bleiben auch dem DFB nicht verborgen, und so erhält er Einladungen zu Lehrgängen der deutschen U17- und U19-Jugendnationalelf. Unter Trainer Horst Hrubesch trainiert er dort unter anderem mit späteren Bundesliga-Kickern wie Markus Feulner oder gar Nationalspielern wie Thomas Hitzlsperger und Kevin Kuranyi.
„Im zweiten oder dritten Training dort habe ich mir eine Schulterverletzung zugezogen“, erinnert sich Olschewski. „Dadurch kam ich in den beiden Länderspielen, die während des Lehrgangs stattfanden, nicht zum Einsatz.“ Im Verein läuft es deutlich besser, die Kölner A-Jugend rangiert unter den ersten drei der Tabelle und kann sich berechtigte Hoffnungen machen, die Endrunde der A-Junioren-Meisterschaft zu erreichen.
Dann schlägt das Verletzungspech erneut zu. „Im Schulsport haben wir Fußball gespielt“, berichtet der ehemalige Keeper. „Als Feldspieler habe ich mir bei einer ungewohnten Bewegung die Leiste verletzt. Wenig später war sie dann ganz durch.“ Mit seiner Mutter fährt er nach München zu Frau Dr. Ulrike Muschaweck, einer Leistenspezialistin, die ihn ambulant operiert. Die A-Jugend des FC muss in den letzten Saisonspielen auf ihren Schlussmann verzichten und verpasst die erhoffte Qualifikation für die Deutsche A-Juniorenmeisterschaft.
Das letzte Jahr beim 1.FC Köln und der Weg zu neuen Ufern
In Olschewskis letzter A-Jugendsaison gibt es einen großen Umbruch im Kader. Ältere Spieler wie Massimo Cannizzaro, Markus Steegmann und Matthias Schmidt haben die Altersgrenze erreicht und verabschieden sich in den Seniorenbereich, eine Reihe hochtalentierter Nachwuchsspieler wie Jonas Wendt, Alaattin Tosun und Daniel Oplustil rückt nach. „In der Saisonvorbereitung schlugen wir den späteren A-Jugendmeister, Werder Bremen, klar mit 4:0“, erzählt er. „Wir starteten die Saison mit der Überzeugung, dass wir zu den Favoriten in der Regionalliga West zählten, aber es sollte ganz anders kommen.“
Der Saisonstart misslingt völlig, selbst gegen vermeintliche Underdogs wie den TuS Höhenhaus setzt es Niederlagen, der selbsternannte Favorit findet sich am falschen Ende der Tabelle wieder. „Wir hatten tolle Einzelspieler, die aber nicht zu einem Team zusammenwuchsen“, erläutert Thomas Olschewski, der in Vertretung des verletzten Alexander Pütz auch für einige Wochen das Kapitänsamt übernimmt.
Bei den Amateuren des 1.FC Köln fällt ein Torwart längerfristig aus, so dass der ehemalige Glessener im täglichen Training Doppelschichten fährt, eine bei den A-Junioren, eine bei den Amateuren. Olschewskis Muskulatur reagiert auf die außergewöhnliche Belastung, er kann schließlich nur noch unter starken Schmerzmitteln spielen. Anfang Dezember geht selbst das nicht mehr. Er begibt sich in ärztliche Behandlung, eine Eigenblut-Therapie befreit ihn letztendlich von seinen Beschwerden.
Die Ergebnisse der A-Jugend bleiben mäßig, und so wird Trainer Martin Siegbert in der Winterpause durch Thomas Schumacher abgelöst. Thomas Olschewski trainiert wieder, der neue Trainer versichert ihm nach einigen Trainingseinheiten, dass er seine Nummer 1 sei. Im ersten Rückrundenspiel reisen die Kölner nach Essen. „Wir spielten auf Asche. Der Platz war schneebedeckt, es war saukalt, dazu blies noch ein eisiger Wind“, erinnert sich der frühere Torhüter. „Ich hatte das ganze Spiel über nichts zu tun, musste mich nur einmal einem Essener entgegenwerfen und war danach von oben bis unten durchnässt. In der folgenden Woche war ich todkrank, habe aber trotzdem trainiert.“
Trainer Schumacher setzt fortan den Ersatzkeeper ein, der auch für den Rest der Regionalliga-Saison im Tor bleibt. Thomas Olschewski macht nur noch ein Spiel für den 1. FC Köln bei einem hohen Pokalsieg in Brühl, bei dem er in der 80. Minute ausgewechselt wird. „Ich weiß bis heute nicht, warum“, sagt er. „Mir war aber klar, dass meine Zeit beim FC zu Ende war. Mein damaliger Torwart-Trainer, Peter Greiber, gab mir die letzte Gewissheit, als er mir im Vertrauen sagte, dass ich im Verein keine Zukunft mehr hätte.“
Im Juni 2001 besteht er sein Abitur, wenig später wechselt er auf die andere Rheinseite zu Viktoria Köln, wo er einen Zweijahresvertrag unterschreibt. Hier trifft er mit Trainer Matthias Hönerbach, Andrzej Rudy, Matthias Opitz und Klaus Welter auf ehemalige FC-Spieler. Im November absolviert er seinen Grundwehrdienst in Germersheim. Wenige Zeit später verletzt sich der Stammtorhüter der Viktoria, Thomas Olschewski springt ein und hält gut.
Mit der Mittelrheinauswahl gewinnt er den U20-Länderpokal und erhält über seinen damaligen Berater, Wolfgang Jerat, ein Angebot vom damaligen Zweitligisten MSV Duisburg, dessen Trainer Pierre Littbarski ihn verpflichten möchte. Thomas Olschewski löst den Vertrag bei der Viktoria auf, was ihm nicht sonderlich schwer fällt. „Ich hatte kein gutes Standing im Verein“, erläutert er. „Ich kam mit dem Torwart-Trainer nicht zurecht, außerdem kollidierte dieses Jahr bei der Viktoria mit meiner Bundeswehrzeit.“
Wenig später meldet sich Wolfgang Jerat wieder bei ihm. Der Wechsel sei geplatzt, aus welchen Gründen auch immer, man müsse weitersuchen. „Ich hing nun in der Luft“, berichtet der frühere Glessener. “Mein Ziel war, entweder Profi zu werden oder mit dem Fußball mein Studium zu finanzieren.“
Der erste Abschied vom Fußball, Intermezzo in Uerdingen und Sürth
Abseits des Fußballs trifft er eine lebensverändernde Entscheidung für seine berufliche Zukunft. Sein Berater Wolfgang Jerat organisiert ihm ein Bewerbungsgespräch beim Finanzdienstleister AWD, dem er nur widerwillig folgt. Das Gespräch läuft überraschenderweise so gut und überzeugend für ihn, dass er im September 2002 bei dem Unternehmen anfängt.
Auch im Fußball geht es zunächst weiter, Thomas Olschewski schließt sich Eintracht Köln an, im Vorjahr noch Fast-Aufsteiger in die Oberliga, nun mit einem stark veränderten Kader immer noch in der Verbandsliga. „Von der starken Mannschaft der vorigen Saison waren nur noch ganz wenige Spieler da“, erinnert sich der ehemalige FC-Spieler. „Wir haben in Bocklemünd auf einer Schulanlage trainiert, am Colonius auf Asche gespielt, insgesamt waren die Bedingungen einfach schlecht.“
Die Mannschaft steigt ab, auch wenn sie sich mit dem drittletzten Tabellenplatz besser schlägt als erwartet. „Danach war für mich klar, dass ich mit dem Fußball aufhöre“, sagt Olschewski. Er ist gerade mal 21 Jahre alt. Vor dem letzten Spiel in Bergisch-Gladbach bittet er Trainer Jürgen Vis, ihn in der 80. Minute auszuwechseln. „Ich bin sofort in die Kabine gegangen“, erzählt er und hält einen Moment inne. Der ehemalige Keeper schaut aus dem Fenster seiner Büroetage hoch über den Dächern von Köln.
„Ich habe mich auf eine Holzbank gesetzt und mich umgeschaut.“ Seine Gedanken gehen zurück zu diesem Tag, zu dem Durcheinander von Trainingsanzügen und Klamotten an den Kleiderhaken, den Sporttaschen auf dem gefliesten Kabinenboden. Zu dem Geruch von Massageöl, Eis-Spray und Schweiß. Er erinnert sich, wie still es in der Kabine war, kein Flachs, kein Gelächter und keine Sprüche. Das Ende eines Lebensabschnitts. „Ich habe an meine Zeit im Fußball gedacht und geweint.“ Thomas Olschewski sagt dem Fußball Lebewohl, es sollte nicht zum letzten Mal sein.
Einige Zeit später ruft ihn Michael Lüken an, den er aus seiner Zeit vom FC kennt und der nun Manager des KFC Uerdingen ist, und fragt, ob er nach Uerdingen kommen wolle. Den Keeper juckt es in den Füßen, und so unterschreibt er zur Saison 2003/2004 für ein Jahr bei den Seidenstädtern. Unter Trainer Claus-Dieter Wollitz läuft der KFC in der Regionalliga auf und spielt dort eine durchaus gute Rolle mit Akteuren wie Sebastian Selke, Markus Feldhoff, Thomas Reichenberger und Dustin Heun.
Thomas Olschewski ist beruflich stark eingespannt, er hat gerade die Vertriebsausbildung bei der AWD absolviert und ein Fernstudium zum Fachberater für Finanzdienstleistungen aufgenommen, das er 2004 erfolgreich abschließt. „Abends war ich meistens mit Kundenterminen beschäftigt, so konnte ich nur an einem Teil der Trainingseinheiten teilnehmen“, erläutert er. „Zum Einsatz kam ich nicht, ich habe lediglich einige Male auf der Bank gesessen. Ich habe dann auch gemerkt, dass dies nicht mehr meine Perspektive war.“ Zur Winterpause löst er seinen Vertrag auf. Es ist sein zweiter Abschied vom Fußball.
Wolfgang Jerat rät ihm dann, die Fußballschuhe nicht ganz an den Nagel zu hängen, sondern irgendwo Fußball zu spielen, Leute kennenzulernen – auch aus beruflichen Gründen. Er knüpft einen Kontakt zum VfL Sürth, der damals in der Kreisliga B beheimatet ist. Hier trifft Olschewski auf Rocco Kühn, ehemaliger Jugendnationalspieler und Torjäger in der Jugend des 1. FC Köln. „Ich habe in der Saison noch sieben Spiele für Sürth bestritten, dabei ein Tor kassiert und eines geschossen“, erzählt Olschewski.
„Wir haben gegen ein Team gespielt, das nur neun Spieler auf den Platz brachte. Zwei 50-Jährige haben dann die beiden Plätze eingenommen, wir haben 16:0 gewonnen, ich durfte einen Elfmeter verwandeln.“ Am Ende der Saison steigt der VfL Sürth in die Kreisliga A auf. „Das erste Spiel in der Kreisliga A werde ich nie vergessen“, sagt der ehemalige FC-Spieler. „Es war Sommer, der gegnerische Trainer stand oberkörperfrei am Spielfeldrand und beschimpfte die Leute. Ich habe mich gefragt, was ich da eigentlich machte.“
Schöne Zeiten bei GW Brauweiler und Vorstandschaft bei Fortuna Köln
Im dritten Spiel geht es gegen den 1.FC Quadrath-Ichendorf. Thomas Olschewski findet sich auf der Ersatzbank wieder, der Trainer setzt den anderen Torwart ein. „Auf der Ersatzbank in der Kreisliga A. Das war’s für mich“, erinnert er sich. „Ich sagte dem Trainer, dass ich das letzte Mal für Sürth angetreten sei.“ Thomas Olschewski sagt dem Fußball endgültig Ade. Jedenfalls glaubt er das.
Er konzentriert sich auf seinen Beruf, hält sich in einem Sportstudio körperlich fit. Einige Monate später meldet sich sein alter Schulfreund und ehemaliger Mannschaftskamerad in der FC-Jugend, Mert Tengersek, bei ihm und fragt ihn, ob er nicht Lust habe, zu Grün-Weiß Brauweiler zu wechseln. Olschewski nimmt erneut Abschied vom Abschied und schnürt die Schuhe fortan für den aufstrebenden Bezirksligisten. „Dort hatte ich meine schönste Zeit im Seniorenfußball“, sagt er. „Ich habe zusammen mit Freunden gespielt, wir waren erfolgreich, und auch mit Trainer Christian Gorek bin ich bestens ausgekommen“.
Sie werden Tabellenzweiter und müssen im Entscheidungsspiel um den Aufstieg in die Landesliga gegen den TuS Oberpleis antreten. „Ich war bis in die Haarspitzen motiviert, habe gehalten, was es zu halten gab“, erinnert sich Olschewski. Nach 90 Minuten steht es 1:1. Verlängerung. „Ich habe meine Mannschaftskameraden angeschrien, sie motiviert und angefeuert, ihnen klar gemacht, dass es nur einen Sieger geben könne, den SV Grün-Weiß Brauweiler“, erzählt er.
Es funktioniert, die Brauweiler gewinnen 3:1 und steigen in die Landesliga auf. Ein Jahr später bietet sich ihm die Chance, ins Management von AWD aufzusteigen. Er muss sich entscheiden und tut dies auch: Für den Beruf, gegen den Fußball. Die Anforderungen an Training und Spiel in der Landesliga lassen sich einfach nicht mehr mit seinen beruflichen Verpflichtungen vereinen. Er nimmt Abschied, schweren Herzens diesmal.
Auch Trainer Christian Gorek verlässt den Verein und holt ihn später noch zum Pulheimer SC und zum SV Widdersdorf/Lövenich, wo er noch einmal die Torwarthandschuhe überstreift. Inzwischen ist er auch ins Sport-Sponsoring eingestiegen und unterstützt mit seinem Unternehmen einige Amateurvereine aus dem Kölner Raum, unter anderem auch den SC Rondorf. Im Winter verletzt sich der Stammtorwart der Rondorfer und fällt lange aus. Trainer Stefan Puczynski fragt Thomas Olschewski, ob er nicht als Ersatz einspringen könne.
Zum ersten Training kommt er direkt aus dem Büro, in Anzug und Krawatte. „Die Spieler haben wahrscheinlich gedacht, was kommt denn da für ein Idiot, als sie mich in dem Aufzug sahen“, schmunzelt er. „Ich habe mir dann eine Eishockey-Hose angezogen, bin ins Tor gegangen und habe beim anschließenden Torschusstraining kein einziges Tor kassiert. Die Spieler haben mich danach in der Kabine gefeiert, als wäre ich der neue Messias!“
Hier trifft er auch auf Thomas Reinscheid, heute Chefredakteur von effzeh.com, dessen Vereinskamerad Olschewski in den folgenden 18 Monaten ist. Dann sagt er dem Fußball Lebewohl – diesmal für immer. Sein ehemaliger Trainer Stefan Puczynski übernimmt danach die zweite Mannschaft von Fortuna Köln, die zu der Zeit in der Kreisliga B spielt.
„Er fragte mich, ob ich nicht das Team sponsern wolle“, erinnert sich der frühere FC-Torwart. „Und so kam es dann zu der Verbindung mit Fortuna Köln.“ Der damalige Präsident, Klaus Ulonska, beruft ihn in den Vorstand, nach dessen plötzlichem Tod wird Olschewski Vizepräsident und übt dieses Amt bis 2018 aus. Heute gehört er wieder dem Vorstand an.
Die Gründe für seine Berufswahl und steiler Aufstieg bei Swiss Life Select
Die Entscheidung, 2002 seine berufliche Laufbahn bei dem Finanzdienstleister zu beginnen, hatte verschiedene Gründe, von denen einige mit dem Fußball zu tun hatten. „Mein damaliger Berater, Wolfgang Jerat, arbeitete bei dem Unternehmen und empfahl mir, mich dort zu bewerben“, erläuterte er. „Kurze Zeit vorher hatte ich beim Endspiel um den Länderpokal die wohl größte Enttäuschung meiner Karriere als Fußballer erlebt. Ich war bis dahin bei allen Länderpokalturnieren Stammtorhüter der Mittelrheinauswahl gewesen, spielte für Viktoria Köln in der Oberliga einige Spiele und zeigte dabei gute Leistungen.“
Er hält einen Moment inne. „André Maczkowiak, damals 18, war unser zweiter Torhüter und litt zu der Zeit unter Rückenproblemen. Am Morgen des Endspiels nahm der Trainer ihn und mich beiseite und eröffnete uns, dass er so ein Bauchgefühl hätte, dass Maczkowiak für das Endspiel die bessere Wahl sei. Ich war so perplex und enttäuscht, dass ich nichts sagen konnte. Das Finale war das letzte Spiel für den 82er Jahrgang in der Mittelrheinauswahl, und ich musste es von der Bank erleben. In dem Moment schwor ich mir, mein Möglichstes zu tun, um nie mehr von der plötzlichen Eingebung oder dem Bauchgefühl eines Menschen abhängig zu sein.“
Das Kontrastprogramm dazu erlebt er kurze Zeit später, als er im Büro von Hans-Jürgen Lang, heute Direktor bei Swiss Life Select, sitzt und aufmerksam zuhört, als Lang ihm seinen Karriereplan erläutert. „Er erklärte mir, dass mein beruflicher Erfolg im Unternehmen einzig und allein von mir, meiner Initiative und meinem Engagement abhängen würde“, erinnert sich Thomas Olschewski. „Das was er sagte, war völlig transparent, die Kriterien absolut klar, und in dem Augenblick wusste ich: Das war genau das, was ich wollte.“
Swiss Life, der größte Versicherungskonzern der Schweiz, übernimmt AWD einige Jahre später und benennt das Unternehmen 2013 in Swiss Life Select um. Thomas Olschewski wird im Oktober 2017 Manager der Kölner Direktion des Finanzdienstleisters, er ist verantwortlich für mehr als 100 Mitarbeiter. Zudem gehört er dem Steering Board an, dem höchsten Entscheidungsgremium von Swiss Life Select. Dessen Kölner Direktion hat enorm expandiert, unterhält Außenstellen unter anderem in Bonn, Wuppertal, Dortmund, Bad Neuenahr und Olpe. „Als ich 2002 hier anfing, hatten wir im KölnTurm ein Viertel einer Büroetage, in Kürze mieten wir die vierte vollständige Büroetage zu den drei jetzt schon vorhandenen hinzu.“
An den Wänden hängen unzählige eingerahmte Trikots bekannter Fußballer. „Mittlerweile zählen zwischen 60 und 70 Fußballspieler zu unseren Kunden“, erläutert Olschewski. „Die meisten sind noch aktiv, spielen in einer der ersten vier Ligen Deutschlands.“ Er schmunzelt, als er erzählt, wie es dazu kam. „Ich hatte 2002 gerade im Unternehmen angefangen, als mich ein Fußballkumpel anrief. Er wolle 500 Euro im Monat für seine Altersvorsorge anlegen und habe da ein Angebot, das ihm sein Spielerberater vermittelt habe. Bei Vertragsabschluss bekomme er 9.000 Euro. Ich stutzte, beim Durchrechnen stellte ich fest, dass ich noch nicht einmal ansatzweise auf diese Provision gekommen wäre. Ich habe ihm eine Alternative herausgesucht, er aber hat den von seinem Berater vermittelten Vertrag abgeschlossen. Von Fußballern als Kunden hatte ich erstmal die Nase voll.“
Sieben Jahre später meldet sich dieser Fußballkumpel wieder und bittet ihn, sich seinen Vertrag einmal anzuschauen, da stimme etwas nicht. „Es war wie im Film. Der damalige Berater saß im Gefängnis, der Vertrag war bei einem ausländischen Versicherer abgeschlossen worden. Ich ließ mir eine Kopie des Vertragswerks zuschicken. In dem Dokument, das mein Kumpel niemals zu Gesicht bekommen hatte, mussten die Kosten händisch eingetragen werden, was der Berater mit der Summe von 24.000 Euro auch getan hatte. Davon hatte er 9.000 Euro an den Kumpel weitergegeben und den Rest in die eigene Tasche gesteckt.“
Olschewski hilft, den Vertrag aufzulösen; über Tim Jerat, der damals bei Arminia Bielefeld spielt, kommen weitere Kontakte zu anderen Spielern zustande, und so hat sich dieser Teil des Kundenstammes mit der Zeit immer mehr vergrößert. Einer der Kunden aus dem Fußballbereich ist Sebastian Zinke gewesen, einst unter anderem. beim 1. FC Köln, Rot-Weiß Essen und Fortuna Köln aktiv, den er 2014 als Mitarbeiter gewinnen kann. „Mittlerweile arbeiten sechs ehemalige Profis hier“, sagt der heutige Manager. „Wir haben ein spezielles Trainee-Programm für Fußballer entwickelt, in dem sie schon während ihrer aktiven Zeit ausgebildet werden und fachbezogene IHK-Abschlüsse erreichen können.“
Ich frage ihn, ob er noch FC-Fan ist. Er überlegt einige Momente lang, dann sagt er: „Ich freue mich, wenn der FC siegt und erfolgreich ist. Meine Eltern und mein Bruder haben Dauerkarten und verfolgen jedes Heimspiel von der Südtribüne aus. Emotional ist mir aber Fortuna Köln deutlich näher, ich erinnere mich, dass ich in München beim entscheidenden Spiel zum Aufstieg in die 3. Liga vor Freude Rotz und Wasser geheult habe.“ Er dreht sein Wasserglas in der Hand. „Darüber hinaus verfolge ich die Spiele jener Vereine intensiv, für die meine Fußballerkunden auflaufen.“
Wie sieht die Bilanz seiner Zeit als Fußballer aus? „Der Fußball hat mir sehr viel gegeben“, sagt Olschewski. „Ich habe tolle Menschen getroffen und gelernt, dass man mit dem nötigen Ehrgeiz, mit Arbeit und Einsatz sehr viel erreichen kann. Ich war gewiss nicht der talentierteste Torwart, kann mir jedoch nicht vorwerfen, dass ich nicht alles gegeben hätte.“
Er hält einen Augenblick inne. „Der Fußball hat mir auch geholfen, meine Angst zu überwinden. Als Jugendlicher war ich in den ersten Jahren vor jedem Spiel hypernervös. Heute halte ich Vorträge vor Hunderten von Leuten, bin vorher natürlich angespannt, kann aber damit umgehen, und das habe ich dem Fußball zu verdanken.“
Im Fußball ist es Thomas Olschewski nicht vergönnt gewesen, sein großes Ziel zu erreichen und den Sprung in die Bundesliga zu schaffen. Auf dem steilen Pfad zum beruflichen Olymp hat er jedoch bereits eine beachtliche Strecke zurückgelegt – und das mit gerade einmal 38 Lebensjahren. Der Fußballblog Rheinfußball bezeichnete ihn vor Jahren schon in einer Artikelüberschrift als „Gipfelstürmer“. Only the sky’s the limit – man darf gespannt sein, wohin Thomas Olschewskis Weg noch führen wird.