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·3. August 2020

Lebenswege beim 1. FC Köln: Jerome Assauer – ein Torjäger, der es seinen Trainern nicht immer leicht gemacht hat

Artikelbild:Lebenswege beim 1. FC Köln: Jerome Assauer – ein Torjäger, der es seinen Trainern nicht immer leicht gemacht hat

Die Sonne war bereits untergegangen, vom nahen Atlantik wehte eine leichte Abendbrise und mischte sich mit der Wärme des Tages. Der Sommer ging in die Verlängerung und bescherte der Stadt am Rio Tejo Temperaturen bis nah an die 30-Grad-Marke. Auf der Aussichtsplattform des Elevador de Santa Justa hatte sich ein junges Touristenpaar eingefunden, um sich vom grandiosen Lichtermeer Lissabons faszinieren zu lassen. Ihr Blick streifte das hell erleuchtete Castelo de São Jorge, den Praça do Rossio mit der Bronzestatue von Pedro IV und schließlich in weiterer Entfernung den berühmtesten Platz der portugiesischen Metropole, den Praça do Comércio. Dort war mit der Trunkwara-Arena ein spektakuläres Kunstrasenstadion errichtet worden, das sich durch sein lichtstarkes Flutlicht deutlich vom Dunkel der Nacht abhob. Es war der 29. September 2018, und dort lief das Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft.

Deutschland – Weltmeister im Kleinfeldfußball 2018

FIFA-Schiedsrichter Mark Clattenburg schaute auf seine Uhr. In wenigen Sekunden würde er das Finale abpfeifen. Deutschland führte mit 1:0, die favorisierten Polen berannten das deutsche Tor, das Team von Trainer Malte Froehlich verteidigte den knappen Vorsprung mit sehr viel Herz und taktischer Konsequenz, das Spiel war hart umkämpft. Trotzdem hatte Clattenburg die Partie gut im Griff, seine Erfahrung aus unzähligen großen Partien zahlte sich aus. Zwei Jahre zuvor hatte er nicht nur das Champions-League-Finale zwischen Real und Atlético Madrid geleitet, sondern auch das Endspiel der Europameisterschaft zwischen Frankreich und Portugal. Ein letzter verzweifelter Angriff auf das deutsche Tor verpuffte, dann beendete Clattenburgs Pfiff die Partie. Deutschland war Weltmeister!


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Spieler, Trainer, Offizielle und Betreuer wurden von ihren Glücksgefühlen schier übermannt, sie umarmten sich, hüpften, lachten und vergossen Freudentränen. Der Pokal gehörte ihnen, sie hatten sich durchgesetzt gegen vermeintlich übermächtige Gegner mit ungleich größerer Erfahrung im Kleinfeldfußball als ihre deutschen Kontrahenten, hatten dies geschafft mit ihrem Teamgeist, ihrer Freude am Spiel und einem unbändigen Siegeswillen. Wenig später war alles angerichtet für die Siegerehrung. Ein goldener Lametta-Regen ging auf das Team nieder, als Mannschaftskapitän Tigin Yaglioglu die Trophäe hochstemmte und seine Freude in den Nachthimmel über Lissabon schrie. Unverzüglich taten es ihm seine elf Mannschaftskollegen nach. Yaglioglu reichte den Pokal an den Spieler mit der Rückennummer 5 weiter, der durch sein Tor in der letzten Sekunde des Achtelfinales gegen Slowenien den Weg ins Finale geebnet hat.

Kleinfeldfußball, der Sport ohne Geld und ohne Prämien, der Kick beim Kicken, das Spiel aus Spaß an der Freude mit Mannschaftskollegen, die zu Freunden geworden waren.

Jerome Assauer war glücklich, auch wenn er nach jedem Spiel hier die unvermeidlichen Schmerzen mit Tabletten bekämpfen musste. Er dachte daran, wie alles angefangen hatte. Wie viel Spaß hatte er gehabt auf den Bolzplätzen seiner Kindheit, als er dem runden Leder aus purer Freude am Spiel hinterhergejagt war, als das Leben einfach und nichts wichtiger war als der Ball, der Bolzplatz und die Freunde. Dieses Gefühl hatte ihm der Kleinfeldfußball wiedergegeben, das rasante, intensive Spiel mit fünf Feldspielern und einem Torwart pro Team auf einem Spielfeld, das 45 mal 25 Meter misst. Den Fußball ohne Geld und ohne Prämien, den Kick beim Kicken, das Spiel aus Spaß an der Freude mit Mannschaftskollegen, die zu Freunden geworden waren. Ein ohrenbetäubender Knall bereitete seinen Gedanken ein abruptes Ende. Jerome Assauer schaute nach oben und sah, wie die ersten Raketen eines Feuerwerks farbenfrohe Muster in den Lissaboner Nachthimmel zeichneten.

Auch auf der Aussichtsplattform des Elevador de Santa Justa war das bunte Spektakel zu sehen. Das junge Touristenpaar war nicht mehr allein, rund ein Dutzend Schaulustige hatte sich zu ihnen gesellt. Sie fragten sich, was der Anlass für die bunten Raketen war, die im prächtigen Funkenregen am Himmel zerplatzen, und wussten nicht, dass dies das Feuerwerk war zu Ehren des neuen Weltmeisters im Kleinfeldfußball, für das zwölfköpfige Team um Tigin Yaglioglu, Dominic Reinold, Niklas Kühle, den Siegtorschützen, und Jerome Assauer.

Knapp zwei Jahre später bin ich mit Jerome Assauer via FaceTime verbunden. Corona hat das Land noch immer in festem Griff und erlaubt lediglich ein virtuelles Treffen. Assauer sitzt in seinem Büro im KölnTurm, eine sportlich-elegante Erscheinung in Anzug und geschmackvoller Krawatte. Er hat sich gegenüber seiner aktiven Zeit kaum verändert, der Gedanke drängt sich auf, dass er das Business-Outfit jederzeit problemlos mit Trikot, Shorts und Stutzen tauschen könnte. Er ist ein angenehmer, auskunftsfreudiger Interviewpartner, dessen jungenhaftes Lächeln mehrmals in dem Gespräch aufblitzt.

In Köln gebürtig, tut er es Matthias Hemmersbach und Lars Leese nach und schnürt seine ersten Fußballschuhe für den BC Efferen. Schon in den unteren Jugendmannschaften fällt dort sein Talent auf, zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu stehen und Tore zu erzielen, viele Tore – wie dies seinem Vorbild, Fernando Torres, unter anderem bei Atlético Madrid, dem FC Liverpool und in der spanischen Nationalmannschaft mit großer Regelmäßigkeit gelingt. „Er war Mittelstürmer wie ich, ein typischer Ein-Kontakt-Stürmer, der im Sechzehner nicht lange fackelte, sondern sofort den Abschluss suchte“, schwärmt Assauer noch heute.

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Der 1. FC Köln wird auf Assauer aufmerksam, und so zieht er in der Saison 2000/01 das Trikot mit dem Geißbock auf der Brust über. Seine Leistungen in der D-Jugend des FC unter Trainer Rainer Kubern führen jedoch nicht dazu, dass er in den nächsthöheren Jahrgang übernommen wird.

Jugendzeit bei der Borussia und beim FC

„Wenige Tage später meldete sich Borussia Mönchengladbach bei mir“, erinnert er sich. „Das Angebot war gut, und da mütterlicherseits meine Familie aus Mönchengladbach kommt, war ich nicht traurig über den Wechsel an den Niederrhein.“ Sportlich läuft es bestens für Assauer, der in den vier Jahren dort auf Mitspieler wie Moses Lamidi, Christian Dorda und Robert Flessers trifft und jeweils 15 bis 20 Saisontore erzielt. „Das war eine wunderschöne Zeit bei der Borussia“, schwärmt er noch heute. „Alles war sehr familiär, viele ehemalige Spieler gehörten zum Trainerstab der Nachwuchsabteilung, so auch meine B-Jugendtrainer, Thomas Kastenmaier und Horst Wohlers.“

In seinem letzten B-Jugendjahr bei der Borussia machen sich das intensive Training dort und die täglichen Fahrten von Köln nach Mönchengladbach bei ihm bemerkbar, seine schulischen Leistungen lassen nach und gefährden seine Versetzung. In einem Gespräch kurz vor Ende der Saison 2004/05 eröffnet Nachwuchsleiter Max Eberl Jerome Assauer die Möglichkeit, das Internat der Borussia zu besuchen und so die Belastung für den talentierten Nachwuchsstürmer zu reduzieren. Etwa zur gleichen Zeit meldet sich Stephan Engels, damals als Scout für den 1. FC Köln tätig. „Der FC war an meiner Rückkehr interessiert und bot mir einen Dreijahresvertrag an. Neben der sportlichen Perspektive erkannte ich darin auch einen Lösungsansatz für meine schulischen Probleme, da die vielen Trainingsfahrten an den Niederrhein entfallen würden“, erinnert sich Assauer. „Deshalb unterschrieb ich nach kurzer Bedenkzeit. Die Verantwortlichen der Borussia hatten nicht mit meinem Wechsel gerechnet und waren dementsprechend sauer.“

Die Saison 2005/06 nimmt für die U19 des 1.FC Köln unter Trainer Frank Schaefer einen durchaus erfolgreichen Verlauf. Die Mannschaft, in der Assauer unter anderem auf Daniel Grebe, Adil Chihi, Manuel Glowacz, Stefan Oventrop und Sebastian Zielinsky trifft,  belegt einen guten vierten Platz in der starken A-Junioren Bundesliga West und feiert im Finale um den Mittelrheinpokal einen 5:0-Kantersieg gegen Bayer Leverkusen. Auch für ihn persönlich läuft es gut an alter Wirkungsstätte, kommt er doch in der Torjägerliste mit 14 Toren ebenfalls auf einen vierten Platz – gemeinsam mit einem gewissen Mesut Özil von Schalke 04.

In der darauffolgenden Saison gelangt der junge Torjäger nicht nur durch seine vier Tore beim 7:0-Sieg bei der U19 des Bonner SC in das Blickfeld der Verantwortlichen des DFB, die ihn zu mehreren Lehrgängen für die deutsche U19-Nationalmannschaft einladen. Beim Lehrgang vor einem Länderspiel gegen Russland steht er kurz vor seiner ersten Berufung ins DFB-Team. „Am letzten Tag des Lehrgangs hat mein Gegenspieler Benedikt Höwedes eine Grätsche ausgepackt, bei der ich mir alle Bänder meines rechten Knöchels gerissen habe,“ erzählt Assauer. Keine Berufung in den Kader für das Länderspiel und auch im Verein fällt er für einige Zeit aus. Nach seiner Genesung spielt er wieder – und trifft. Beim 5:1-Sieg gegen die U19 von Rot-Weiß Ahlen gelingt ihm ein Hattrick. Im April rückt er zur U23 des 1. FC Köln auf und kommt dort in vier Spielen zum Einsatz.

Der Wechsel in die 2. Liga zum SC Paderborn

Im Juni 2007 besteht er am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Hürth sein Abitur – und wird Profi. „Holger Fach war damals Trainer beim Zweitligisten SC Paderborn. Er kannte mich noch aus Gladbach und wollte mich nach Ostwestfalen holen“, erinnert sich Assauer. „Beim FC sprach ich mit Geschäftsführer Michael Meier, der mir auch die Freigabe erteilte, jedoch ein Rückkaufrecht mit den Paderbornern vereinbarte.“

Die Saisonvorbereitung läuft vielversprechend für den gebürtigen Kölner, von den Stürmern der Ostwestfalen erzielt er die meisten Tore. Auch in den ersten Spielen der neuen Saison kommt er zum Einsatz, dann schlägt das Verletzungspech erneut zu. Im Training bricht er sich das rechte Wadenbein, eine mehrmonatige Spielpause folgt. Tatenlos muss er zusehen, wie der SC Paderborn in arge Abstiegsnöte gerät, die im Februar 2008 Trainer Holger Fach seinen Job kosten. Jerome Assauer kommt nur noch auf zwei Kurzeinsätze, Fachs Nachfolger, Pavel Dotchev, setzt auf ältere Spieler beim Kampf um den Klassenerhalt. Aber auch deren Erfahrung und ein Endspurt mit acht Punkten aus den letzten fünf Spielen können schlussendlich den Abstieg der Paderborner in die 3. Liga nicht verhindern.

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In der Vorbereitung auf die neue Saison zieht sich Assauer eine Schambeinentzündung zu, die ihn zu einer dreimonatigen Pause zwingt. Der SC Paderborn ist inzwischen furios gestartet und übernimmt am 8. Spieltag die Tabellenspitze der 3. Liga. Die Stürmer treffen regelmäßig, für Pavel Dotchev gibt es keinen Grund zum Wechseln. In der Winterpause klopft Preußen Münster bei Jerome Assauer an, der sich beim westfälischen Regionalligisten größere Einsatzzeiten verspricht und einen Vertrag bis zum Sommer 2010 unterschreibt.

Neuanfang in Münster, Erfolge beim Wuppertaler SV

Assauers Erwartung bewahrheitet sich, er kommt in der Rückrunde auf 14 Einsätze und erzielt dabei zwei Tore. Das Team von Trainer Roger Schmidt erreicht mit Spielern wie Marvin Bakalorz, Julian Loose und Massimo Ornatelli einen beachtlichen vierten Tabellenplatz und gewinnt den Westfalenpokal. Die folgende Saison verläuft wenig zufriedenstellend für den früheren Mönchengladbacher, zwar kommt er auf 24 Einsätze, bestreitet jedoch nur eine Partie über die vollen 90 Minuten. „Ich war sicherlich nicht der pflegeleichteste Spieler damals“, gibt Assauer zu. „Ich war selbstbewusst und wollte spielen, wenn möglich über die volle Distanz.“ Er wechselt erneut, diesmal zu einem Ligakonkurrenten der Preußen, dem Wuppertaler SV.

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Hier trifft er mit Silvio Pagano und Sebastian Zinke auf zwei Ex-FC’ler, außerdem gehören Spieler wie Bekim Kastrati, Markus Heppke und der junge Daniel Keita-Ruel zum Team, das von Michael Dämgen trainiert wird. Jerome Assauer spielt seine bis dahin beste Saison im Seniorenbereich und kommt auf 32 Saisoneinsätze, in denen er zwölf Treffer markiert. In der Hinrunde der Saison 2011/12 trifft er zwar nur zweimal, trotzdem werben die Sportfreunde Lotte, Tabellenführer in der Regionalliga zur Winterpause, intensiv um ihn, um mit ihm in der Rückrunde den möglichen Aufstieg in die 3. Liga perfekt zu machen. Diese Hoffnung erfüllt sich nicht, das starke Team von Trainer Maik Walpurgis mit Spielern wie André Maczkowiak, Tim Gorschlüter, Sebastian Zinke, Christian Schlösser und Simon Engelmann wird von der zweiten Mannschaft des BVB kurz vor Saisonende noch abgefangen und verpasst den Aufstieg, wenn auch denkbar knapp.

Torschützenkönig beim TuS Koblenz

Jerome Assauer zieht es von Lotte ans Deutsche Eck zum TuS Koblenz, wo er wieder auf Trainer Michael Dämgen trifft und in der Saison 2012/13 mit 20 Treffern Torschützenkönig der Regionalliga Südwest wird. „Als Mittelstürmer ist man besonders auf das Vertrauen des Trainers angewiesen“, erläutert er. „In Koblenz erhielt ich dies von Michael Dämgen und auch von seinem Nachfolger, Peter Neustädter. Es gab Spiele, in denen ich 80 Minuten unsichtbar war, um dann kurz vor Schluss doch zu treffen. Deshalb musste ich 90 Minuten spielen, und das war in Koblenz sehr oft der Fall.“

Seine außerordentliche Treffsicherheit bleibt auch anderen Vereinen nicht verborgen, und so erhält er eine Reihe von Angeboten. Der 1. FC Saarbrücken wirbt um ihn und auch Darmstadt 98. „Ich hatte in Koblenz eine Klausel in meinem Vertrag, dass ich bei einer bestimmten Ablösesumme wechseln konnte, wenn ein höherklassiger Verein anfragen würde“, erklärt Assauer. „Nach den Gesprächen habe ich damals zu Saarbrücken tendiert, die sind aber dann abgesprungen. Das Darmstädter Angebot war jetzt nicht so verlockend, trotzdem habe ich den Vertrag unterschrieben.“ Er schläft eine Nacht über seine Entscheidung, seine Zweifel mehren sich. Schließlich bittet er die Verantwortlichen, den Vertrag zu annullieren. „Die Darmstädter haben sich damals wirklich vorbildlich verhalten,“ sagt Assauer. „Niemand konnte wissen, dass sie einen derart rasanten Aufstieg nehmen würden. Von der 3. Liga in die 2. Bundesliga und ein Jahr später in die Bundesliga!“

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Statt am Böllenfalltor schnürt er seine Fußballschuhe eine weitere Saison im Stadion Oberwerth für den TuS Koblenz. Nach einer guten Hinrunde bricht er sich Ende Februar erneut das rechte Wadenbein und fällt lange aus. „Das war damals eine sehr schwere Zeit für mich“, erinnert sich Assauer. „Ich hatte in Darmstadt abgesagt, um in Koblenz noch einmal eine gute Saison zu spielen, 15 bis 20 Tore zu erzielen und dann als ablösefreier Spieler mit den vielen Toren, die ich in den beiden Jahren erzielt hätte, wirklich gute Angebote zu erhalten. Das konnte ich nach dem Beinbruch natürlich vergessen.“

Erste Gedanken an eine Perspektive jenseits des Fußballs

Der Angreifer beginnt zu zweifeln und stellt seine Entscheidungsfindung auf den Prüfstand. „Ich sah, wie toll sich Darmstadt entwickelt hatte, war selber wegen des gebrochenen Beins zur Untätigkeit verdammt und musste daran denken, dass ich Teil davon hätte sein können, wenn ich nicht abgesagt hätte. Mental war das alles nicht ganz einfach damals“, sagt er. „Gott sei Dank hatte ich meine Eltern und meine Freundin, die mir in dieser Zeit sehr viel Rückhalt gegeben haben. Ich merkte aber auch, dass mein Körper es mir nicht leicht machte. Und deshalb wurde mir zum ersten Male wirklich bewusst, dass es noch ein Leben außerhalb des Fußballs gibt und ich mich darum kümmern sollte, eine Perspektive für die Zeit danach zu entwickeln.“

„Mir wurde zum ersten Male wirklich bewusst, dass es noch ein Leben außerhalb des Fußballs gibt und ich mich darum kümmern sollte, eine Perspektive für die Zeit danach zu entwickeln.“

In der folgenden Saison kehrt der gebürtige Kölner in seine Heimatstadt zurück und schließt sich der Viktoria an. „Wir spielten zwar in der Regionalliga, hatten aber eine Truppe, die absolutes Zweitliga-Format besaß“, erinnert er sich. Trainer Pele Wollitz steht ein starker Kader zur Verfügung mit Leistungsträgern wie Markus Brzenska, Jannik Löhden, Silvio Pagano, Lukas Nottbeck, Mike Wunderlich, Gaetano Manno und Tim Väyrynen.

Assauer absolviert 13 Spiele in der Hinrunde, erzielt dabei auch fünf Treffer, merkt aber, dass sein Körper den zahlreichen Verletzungen Tribut zollen muss. „Ich war nicht mehr der Alte, hatte keinen Antritt mehr und war nicht griffig. Ich habe Training wie Spiele nur mit Schmerztabletten durchstehen können“, gesteht er. „Wie bei meinem ersten Beinbruch bekam ich auch nach der erneuten Fraktur eine Schambeinreizung, die sich natürlich durch meine Einsätze nicht besserte.“

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In seinem letzten Spiel im Ligafußball bei den Amateuren von Borussia Mönchengladbach verursacht er einen Elfmeter und verletzt sich bei dieser Aktion so schwer, dass er nicht mehr weiterspielen kann. Pele Wollitz wird nach der 1:2-Niederlage entlassen, Jerome Assauer steht wieder eine längere Rehabilitationsphase bevor.

Sportinvalidität und Einstieg in den späteren Beruf

Zur Rückrunde nimmt er einen erneuten Anlauf, will unbedingt wieder spielfähig werden. Die Schmerzen kehren jedoch zurück, aus der Reizung wird eine Schambeinentzündung, die schließlich chronisch wird. Er probiert es Tag für Tag, 18 Monate lang, will nicht wahrhaben, dass seine Laufbahn so enden soll.  Er bekommt in dieser Zeit immer wieder Angebote von interessierten Vereinen, die seine Torjägerqualitäten nicht vergessen haben. Aber alle Versuche sind vergeblich, der Körper spielt einfach nicht mehr mit. „Ich habe gemerkt, es ging nicht mehr“, sagt Assauer. „Nach reiflicher Überlegung habe ich dann eine Vernunftentscheidung getroffen und die Schuhe an den berühmten Nagel gehängt.“

2016 wird Jerome Assauer Sportinvalide – und kümmert sich von da an verstärkt um eine berufliche Perspektive außerhalb des Fußballs. „Mein Freund Sebastian Zinke war damals schon für Swiss Life Select tätig“, erinnert sich Assauer. „Zusammen mit Thomas Olschewski hat er mir verschiedene Möglichkeiten der Finanzplanung und Altersvorsorge vorgestellt, und so bin ich Kunde bei dem Unternehmen geworden. Als ich dann mit meiner letzten schweren Verletzung zu kämpfen hatte, habe ich am eigenen Beispiel spüren müssen, wie wichtig es, gegen solche Unabwägbarkeiten des Lebens versichert zu sein.“

Im Laufe der Gespräche erwähnt Olschewski die Möglichkeit für Jerome Assauer, als Trainee bei dem Finanzdienstleister anzufangen. Assauer gefällt die Unternehmensphilosophie von Swiss Life Select, erkennt, dass die vielen unterschiedlichen Aspekte der Arbeit bei diesem Finanzdienstleister und nicht zuletzt auch die Aufstiegschancen ihm zusagen, und schließt sich dem Unternehmen im Januar 2016 an. Parallel dazu absolviert er eine kaufmännische Ausbildung, die er 2019 erfolgreich abschließt. Er fühlt sich wohl bei dem Finanzdienstleister, arbeitet er doch mit weiteren ehemaligen Fußballern wie Sebastian Zinke, Pascal Wichmann, Tobias Haitz, Andreas Glockner und nicht zuletzt Thomas Olschewski zusammen.

Lissabon 2018 – Weltmeister im Kleinfeldfußball

So ganz kann er vom Fußball aber doch nicht lassen. Dominic Reinold, ein Teamkollege aus vergangenen Jugendtagen, erzählt ihm von einem Vorbereitungslehrgang der deutschen Kleinfeldnationalmannschaft auf die im September stattfindende Weltmeisterschaft in Lissabon. Kurz entschlossen nimmt Assauer teil, überzeugt Nationaltrainer Malte Froehlich und fährt mit zur WM. „In Lissabon hatten die Organisatoren einen Hotspot ausgesucht auf dem beliebtesten Platz der Stadt in unmittelbarer Strandnähe, um dort ein Stadion zu errichten, in dem abends drei- bis viertausend Zuschauer ein Höllenspektakel veranstaltet haben. Da hat es einfach unglaublichen Spaß gemacht, Fußball zu spielen“, schwärmt Assauer noch heute.

Nachdem sich das deutsche Team durch die Vorrunde gekämpft hat, steht es im Achtelfinalspiel gegen Slowenien Sekunden vor Schluss 3:3, als Malte Fröhlichs Team ein letzter Freistoß zugesprochen wird. Der Ball kommt zu Jerome Assauer, der fast an der Torauslinie stehend einen Gegner austanzt und aus unmöglichem Winkel zum erlösenden 4:3 trifft. Die USA im Viertelfinale und auch die favorisierten Russen im Halbfinale werden jeweils nach Penalty Shootout besiegt, bevor im Endspiel die starken Polen auf das deutsche Team warten. Sieben Minuten vor Schluss schließt Niklas Kühle einen unwiderstehlichen Alleingang mit dem 1:0-Siegtreffer ab, die Mannschaft bringt den knappen Vorsprung über die Zeit – und holt einen Weltmeistertitel, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hat.

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„Es war ein unvergessliches Erlebnis, das natürlich mit dem überraschenden Gewinn des WM-Titels gekrönt wurde“, erinnert sich der gebürtige Kölner. „Aus unserer Mannschaft hatten nur Dominic Reinold aus seiner Zeit in Portugal und ich Profierfahrung, alle andere kamen aus dem Amateurbereich. Und da waren einige der anderen Teams schon deutlich besser aufgestellt. Aber auch hier bewahrheitete sich wieder die alte Fußballweisheit, dass die Einstellung die Aufstellung schlagen kann.“

Bei der Weltmeisterschaft 2019 hilft allerdings auch die Einstellung nicht, den Weltmeistertitel zu verteidigen. Das deutsche Team scheidet nach der Vorrunde aus. „Trotzdem war das wieder eine Riesensache“, sagt Assauer. „Ich hoffe, dass ich da noch einige Jahre mitspielen kann und mein Körper das hergibt. Die Schmerzen nach jedem Spiel signalisieren mir, dass dies das einzige ist, was ich im Fußball noch machen kann. Einmal im Jahr, mehr ist nicht drin. In diesem Jahr sollte die WM in Mexiko-Stadt ausgetragen werden, doch wegen Corona ging das nicht.“

Assauers Bilanz im Fußball: Freundschaften und wichtige Lehren fürs Leben

Wie ist seine Beziehung zum 1. FC Köln? „Natürlich verfolge ich den Verein noch, sehe das Geschehen jedoch sehr viel nüchterner, seitdem ich meine Laufbahn beendet habe“, antwortet er nach kurzem Zögern. „Ich schaue mir sehr gerne Fußballspiele an, habe aber Abstand gewonnen zu dem, was ich da sehe. Ich bin mit keinem Verein mehr so richtig verbunden, weder mit dem FC noch mit der Borussia“, so Assauer. Hat er noch Verbindungen zum FC? „Einige der älteren Spieler der U21 wie Lucas Musculus oder Lukas Nottbeck sind gute Freunde geworden, Rainer Thomas, der Teammanager der Amateure, hat mir letztens zu meinem Geburtstag geschrieben.“

Wie sieht die Bilanz seiner Zeit im Fußball aus? Er überlegt einige Augenblicke lang, dann sagt er: „Einerseits muss man ehrlich sein und feststellen, dass ich nicht den Weg genommen habe, den ich mir gewünscht hätte. Die Gründe dafür sind vielfältig, einige Entscheidungen waren nicht optimal, dazu kommen noch meine Verletzungen. Aber im Rückblick kann ich sagen, dass ich mir keine großen Vorwürfe machen muss, es sollte einfach nicht sein. Andererseits habe ich dem Fußball wunderschöne Momente zu verdanken wie das Zweitligadebüt für Paderborn, die Saison in Koblenz, als ich Torschützenkönig wurde, oder zuletzt der Weltmeistertitel mit der Kleinfeld-Nationalmannschaft.“

„Nicht nur Sonnenseiten“: Berufliches und privates Glück

Er hält kurz inne. „Vielleicht noch wichtiger für mich sind aber die Menschen, die ich durch diesen Sport kennengelernt habe. Auf jeder meiner Stationen im Fußball habe ich Freundschaften geschlossen, die bis heute Bestand haben. Es ist einfach schön, auf die alten Weggefährten zu treffen, wenn ich zum Beispiel Roger Schmidt oder Frank Schaefer sehe und sie in die Arme nehmen oder auch Michael Dämgen und all die anderen. So etwas ist letztendlich wichtiger als die Frage, ob ich 200 oder 300 Spiele in der dritten oder vierten Liga bestritten habe. Das ist auch das, was nachhaltig ist, die Beziehung zu den Menschen, die Freunde, die man gewonnen hat.“

„Vielleicht noch wichtiger für mich sind aber die Menschen, die ich durch diesen Sport kennengelernt habe.“

Er denkt einige Momente nach, dann sagt er: „Ich habe durch den Fußball gelernt, dass das Leben nicht nur Sonnenseiten hat, dass es Enttäuschungen gibt und Misserfolge, dass Träume zerplatzen. Das war hart, das hat auch damals an mir genagt, aber ich bin gestärkt da ‚rausgekommen. Das war sehr lehrreich und hilft mir heute kolossal.“

Artikelbild:Lebenswege beim 1. FC Köln: Jerome Assauer – ein Torjäger, der es seinen Trainern nicht immer leicht gemacht hat

Diese letzten Sätze hallen noch nach, als wir wenig später unser Gespräch mit einem Mausklick beenden. Die ganz große Fußballbühne ist Jerome Assauer versagt geblieben, aber er hat sein Zuhause gefunden in Köln, beruflich bei Swiss Life Select, privat bei seiner zukünftigen Ehefrau Bekki, die er am 4. April dieses Jahres in Österreich, ihrem Lieblingsurlaubsland, heiraten wollte, was aber durch das grassierende Virus verhindert wurde. Im Oktober soll dies nun nachgeholt werden, so Gott will und Corona es erlaubt. Es wäre den Beiden von Herzen zu wünschen!

Alle „Lebenswege“ in der Übersicht:

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf „Joschi“ Chang, ein Mitglied der Kölner B-Jugend-Mannschaft von 1990, die damals Deutscher Meister wurde.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Massimo Cannizzaro, der, einst ein großes Talent, auch die negativen Seiten des Geschäfts kennenlernte.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Stefan Oventrop, der die Schuhe noch nicht an den Nagel gehangen, aber beruflich einen äußerst interessanten Weg eingeschlagen hat.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Frank Ploeger, dessen Traum von einer Profikarriere früh platzte – etwas aus sich gemacht hat er trotzdem.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Gregor Kapitza, in dessen Leben Fußball eine große Rolle spielt – und der immer noch Verbindungen zum Geißbockheim hat.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Hermann Knöppel, der 17 Jahre lang und in etwa 500 Spielen für den 1. FC Köln aktiv war.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Rocco Kühn, der 1993 von Frank Schaefer aus Dresden zum Nachwuchs der Geißböcke geholt wurde und zu den größten Nachwuchshoffnungen gehörte.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Thomas Olschewski, der als erfolgreicher Finanzberater dem Fußball immer noch eng verbunden ist.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Sebastian Zinke, der unter anderem in der Jugend des FC ausgebildet wurde und später zum Aufstiegshelden der Fortuna avancierte.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs sprach mit Michael Loch, der nach seinem Ende bei den „Geißböcken“ sein Glück im Berufsleben fand und dem FC als Fan noch verbunden ist.

Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs sprach mit Jörg Gerlach, der einst Horst Heldt vorgezogen wurde und von der Bundesliga bis zur Kreisliga D alles spielte.

Im Lebenswege-Spezial interviewt effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs diesmal keinen ehemaligen Jugendspieler des 1. FC Köln, sondern den ehemaligen FC-Scout Ralf Maes, der unter anderem Bodo Illgner und Thomas Häßler ans Geißbockheim holte.

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