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·23. Mai 2019
Lebenswege beim 1. FC Köln: Frank Ploeger – oder wie ein Traum zerplatzte

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·23. Mai 2019
Ich begegnete Frank Ploeger zum ersten Mal im August 1992. Das Training der Profis unter Trainer Jörg Berger, das ich mir angeschaut hatte, war zu Ende und ich ging zum Parkplatz des Geißbockheims. Ein Ford Fiesta hielt einige Meter neben mir, ihm entstiegen zwei sportlich aussehende junge Männer, von denen ich einen als Frank Ploeger erkannte. Er war Innenverteidiger und Führungsspieler der A-Jugendmannschaft des 1. FC Köln, deren Siegeszug erst im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft vor einigen Wochen durch den 1. FC Kaiserslautern gestoppt worden war, der andere schien ein Mannschaftskamerad gewesen zu sein.
Auch wenn es schon später Nachmittag war, waren die Temperaturen immer noch jenseits der Marke von 25 Grad und so war auch die Kleidung der beiden den sommerlichen Bedingungen angepasst: ausgefranste Jeans-Shorts und lässig geschnittene T-Shirts. Ploeger schulterte gerade seine Sporttasche, als aus einer Gruppe älterer Männer, die man oft auch vormittags am Geißbockheim antreffen konnte, einer seine Stimme hob und gut vernehmlich fragte:“Saaren Se mal, Herr Plöjer, warum haben Sie eijentlich keinen Vertrach bei den Profis jekrischt?“ Frank Ploeger schloss sein Auto ab, blickte kurz zu dem Fragesteller hinüber und entgegnete ein kurzes „Schönen Abend noch“, das sich mit dem rheinischen Singsang in seiner Stimme freundlicher anhörte, als es wohl gemeint gewesen sein mag.
27 Jahre später sitze ich Frank Ploeger im Frühstücksraum eines Düsseldorfer Hotels gegenüber. Er ist inzwischen ein vitaler Mittvierziger und gestandener Unternehmer; in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt hat er geschäftlich zu tun. Seit zwanzig Jahren lebt er im Schwabenland, was unschwer zu erraten ist, denn Ausdrücke wie „nidde“ und „bissele“ durchziehen seinen Sprachduktus. Dass seine sprachliche Sozialisation nicht ausschließlich südlich der Mainlinie stattgefunden hat, deutet das gelegentlich eingestreute „dat“ und „wat“ an. Mit seiner Familie ist der ehemalige FC-Spieler in Kirchheim unter Teck ansässig, einer 40000-Einwohner-Stadt, 25 Kilometer südöstlich von Stuttgart gelegen, mit einer historischen Altstadt und dem „Schlössle“, einem Renaissanceschloss, von schwäbischem Fleiß und landestypischer Beharrlichkeit geprägt und doch ein beschaulicher Ort, durch den sich die Lauter, ein kleiner Nebenfluss der Neckar, mit sanften Schwüngen schlängelt.
Aufgewachsen ist Frank Ploeger unweit der Ufer des Rheins, im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Fußballerisch macht er seine ersten Schritte beim TuS Ehrenfeld 65, wo er als Sechsjähriger mit zwei Jahre älteren Mitspielern in der E-Jugend spielt. Dort jagt er in den folgenden Jahren dem runden Leder hinterher und wird zum Libero ausgebildet, bevor er dann als B-Jugend-Jungjahrgang zum CfB Ford Niehl wechselt und sofort einen Stammplatz in der älteren B1 ergattert. Mit den Niehlern spielt Ploeger in der Saison 1988/89 in der Verbandsliga, der höchsten Jugendklasse am Mittelrhein und misst sich mit Gegnern wie Bayer Leverkusen, TuS Höhenhaus und dem 1. FC Köln.
Von klein auf hatte ich immer schon den Traum, einmal mit Littbarski auf dem Platz zu stehen.
Seine guten Leistungen bleiben nicht unbemerkt. „Eines Tages stand Michael Reschke vor unserer Haustür und wollte mich zu Bayer Leverkusen holen“, sagt Ploeger. „Nur wenige Tage später erschien dann Frank Schaefer bei uns zu Hause und unterbreitete ein Angebot des 1. FC Köln.“ Der junge Defensivakteur muss nicht lange überlegen, ist doch Pierre Littbarski, FC-Kapitän und 73facher Nationalspieler sein großes Idol. „Von klein auf hatte ich immer schon den Traum, einmal mit Littbarski auf dem Platz zu stehen“, erklärt er.
So stößt Ploeger zu Beginn der Saison 1989/90 zur B1-Jugend des 1.FC Köln. Sein Trainer ist Frank Schaefer, dem Martin Siegbert als Co-Trainer zur Seite steht. „Die Beiden waren sowohl menschlich als auch fachlich mit Abstand die besten Trainer, die ich während meiner Laufbahn hatte“, schwärmt Ploeger noch heute. „Frank Schaefer war und ist auch heute noch eine absolute Respektperson für mich“, ergänzt er. „Er hat mir schon unzählige Male das Du angeboten, aber wenn ich ihn heutzutage treffe, sage ich immer noch ‚Herr Schaefer‘ zu ihm.“ Schaefers Einfluss geht weit über den Fußballplatz hinaus, so achtet er auch auf die schulische Entwicklung seiner Schützlinge und hilft bei der Suche nach Lehrstellen. „Er wollte immer wissen, wie unsere Leistungen in der Schule waren, und wenn wir schlechte Noten bekamen, erhielten wir ein Trainingsverbot“, erläutert der frühere „Geißbock“.
Frank Ploegers schulische Leistungen sind in Ordnung, er macht die mittlere Reife. Fußballerisch bringt er gute Voraussetzungen mit, um den Anforderungen an einen Nachwuchsspieler beim 1. FC Köln entsprechen zu können. Er ist energisch und bissig im Zweikampf und verfügt über eine gute Technik. „Als ich zum FC kam, mahnte Frank Schaefer an, dass ich an meiner Schnelligkeit arbeiten müsse“, erinnert er sich. „Durch regelmäßige Koordinationsübungen habe ich mich dann nach einiger Zeit soweit verbessert, dass ich bei unseren Sprinttests im ersten Drittel landete, allerdings das Sprinttempo von Joschi Chang, unserem schnellsten Spieler, nie ganz erreichen konnte.“ Der ehemalige Ehrenfelder fügt hinzu: „Meine Ausdauerwerte waren ebenfalls recht gut, bei den Laktattests landete ich immer unter den besten Drei. Nur Sascha Koobs Werte waren unerreichbar, er hätte auch drei Spiele hintereinander spielen können, so gut war seine Ausdauer.“
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Frank Ploegers Karriere nimmt mit dem Wechsel zum FC und mit der Umschulung vom Libero zum Innenverteidiger gehörig Fahrt auf. Er wird zunächst in die Kreisauswahl berufen, dann in die Mittelrheinauswahl; und nur wenige Zeit später erhält er eine Einladung des DFB. Trainer Bernd Stöber nominiert ihn für das Länderspiel der U16-Nationalmannschaft in Israel. „In diesem Spiel wurde ich in der 2. Halbzeit eingewechselt“, erinnert sich Ploeger. “Ich trug den Adler auf der Brust, ein Kindheitstraum wurde wahr. Dieses Glücksgefühl war allerdings vermischt mit der Furcht, ausgerechnet in meinem ersten Länderspiel Fehler zu machen und dann nie mehr zur Nationalelf eingeladen zu werden.“ Diese Sorge erweist sich als unbegründet, denn für den Kölner folgen nach dem ersten Länderspieleinsatz noch sechzehn weitere.
Die B-Jugend des 1.FC Köln wird in dieser Saison Mittelrheinmeister und nimmt an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teil. Schaefers Schützlinge schalten Hannover 96 und Bayer Uerdingen aus, bevor es zum nach einem 3:0-Heimsieg zum Halbfinalrückspiel zum SC Siemensstadt nach Berlin geht. „Unsere Eltern haben einen Bus gemietet und sind alle mitgefahren. Sie haben die ganze Tribüne in Berlin rot und weiß geschmückt und haben uns angefeuert ohne Ende“, erinnert sich der heutige Kirchheimer. Die 0:1-Niederlage kann durch den klaren Hinspielsieg verschmerzt werden und bedeutet den erstmaligen Finaleinzug einer B-Jugendmannschaft des 1. FC Köln. Dementsprechend wird gefeiert, Konfettiregen inklusive.
Ich trug den Adler auf der Brust, ein Kindheitstraum wurde wahr.
Im Endspiel, das im Franz-Kremer-Stadion ausgetragen wird, ist der VfB Stuttgart klarer Favorit. Mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung und tollem Kampf gelingt es der jungen Geißbockelf, die Schwaben 2:1 zu besiegen und damit die Meisterschale nach Köln zu holen. „Wir sind alle über uns hinausgewachsen, jeder Einzelne hat um jeden Zentimeter gekämpft. Die Freude und der Jubel nach dem Schlusspfiff waren unbeschreiblich“, denkt Ploeger an diesen besonderen Moment zurück.
Sofort zu Beginn der Saison 1990/91 erkämpft er sich als Jungjahrgang einen Stammplatz in der A-Jugend des FC und spielt sich in das Blickfeld von Junioren-Bundestrainer Rainer Bonhof, der ihn in den Kader für das renommierte Granatkin-Turnier in Leningrad beruft – zusammen mit Spielern wie Dimo Wache, Jens Nowotny, Carsten Ramelow und Bernd Schneider. Auch wenn unter Michail Gorbatschow Glasnost und Perestroika zu einer Öffnung der Sowjetunion dem Westen gegenüber geführt haben, sind die Sicherheitsvorkehrungen für die DFB-Auswahl äußerst streng. „Wir durften das Hotel nicht verlassen“, erläutert der heutige Geschäftsmann. „Private Ausflüge waren strengstens verboten.“
Auf dem Programm steht lediglich eine Besichtigungstour der historisch so bedeutenden Stadt, die an einem großen Markt endet, auf dem die Spieler Souvenirs und Kleinigkeiten für zu Hause erwerben, Trainer Rainer Bonhof sich jedoch als Kaviarliebhaber entpuppt und sich einen beträchtlichen Vorrat der begehrten Delikatesse zulegt. „Bei der Zollkontrolle vor dem Rückflug stutzten die russischen Beamten zunächst, winkten den Trainer dann aber doch samt seiner Mitbringsel durch“, erinnert sich Ploeger.
Sportlich ist die Turnierteilnahme für den jungen Kölner ein voller Erfolg, er kommt bei allen drei Spielen zum Einsatz, gegen die Türkei und die Sowjetunion sogar über die vollen 90 Minuten. Der damalige Sportdirektor des 1.FC Köln, Udo Lattek, ist Teil der deutschen Delegation und ist von der Leistung des früheren Ehrenfelders anscheinend angetan, denn Ploeger bekommt wenige Zeit später einen Dreijahresvertrag, der ein weiteres Jahr in der A-Jugend, ein Jahr als Vertragsamateur und ein Jahr als Profi des 1. FC Köln umfasst. Da er noch nicht volljährig ist, begleitet ihn sein Vater zum Vertragsabschluss und setzt seine Unterschrift ebenfalls unter das Arbeitspapier.
Im Kampf um die Mittelrhein-Meisterschaft muss sich die A-Jugend des FC in der Saison 1990/91 den Konkurrenten aus Leverkusen geschlagen geben, dafür werden sie aber Mittelrhein-Pokalsieger und nehmen an den Spielen um den DFB-Junioren-Vereinspokal teil. Borussia Mönchengladbach wird mit einem 7:0 geradezu deklassiert und nach weiteren Siegen gegen Hertha 03 Zehlendorf und Hannover 96 wird das Finale erreicht, das erneut im heimischen Franz-Kremer-Stadion stattfindet und in dem der FC Augsburg auf die jungen Geißböcke wartet. Frank Ploeger erinnert sich: „Wir haben sehr schnell durch Tore von Roland Brandt 2:0 geführt und wähnten uns schon als sichere Sieger. Das war fatal, denn die Augsburger drehten das Spiel und gewannen 3:2“.
Die Enttäuschung über die Finalniederlage ist jedoch schnell überwunden, zumal sich der FC für die neue Saison die Dienste von Carsten Jancker sichern kann, der von Hansa Rostock in die Domstadt kommt. „Er war eine Granate, eine richtige Maschine vorne drin und erzielte Tor um Tor für uns“, schwärmt Ploeger noch heute. „Er hat ja dann auch eine Weltkarriere gemacht – nur leider nicht beim FC“, bedauert er.
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Der 1. FC Köln leiht Jancker in der Saison 1995/96 zum österreichischen Pokalsieger Rapid Wien aus. Dort netzt der junge Mittelstürmer an der Seite des späteren FC-Trainers Peter Stöger regelmäßig ein und verhilft den Grün-Weißen durch seine drei Tore im Halbfinale gegen Feyenoord Rotterdam zum Einzug ins Endspiel des Europapokals der Pokalsieger, das 0:1 gegen Paris Saint-Germain verloren geht. Inzwischen sind eine Reihe europäischer Clubs auf Jancker aufmerksam geworden, sodass Rapid Wien die vom FC gewährte Kaufoption über 400 000 DM zieht und Jancker für 1,4 Millionen DM an Bayern München weiterverkauft, wo Jancker zum 33fachen Nationalspieler, Champions-League-Sieger und vierfachen Deutschen Meister avanciert. Ein gutes Geschäft für die Beteiligten – außer für den 1.FC Köln.
Schaefers Team wird 1992 Mittelrheinmeister und erreicht nach Siegen gegen den 1. FC Magdeburg, den VfB Stuttgart und Bayern München das Finale um die Deutsche A-Jugend-Meisterschaft gegen den 1. FC Kaiserslautern, das ebenfalls im Franz-Kremer-Stadion stattfindet. Es ist Frank Ploegers drittes Endspiel. „Diesmal waren wir die Favoriten. Wir hatten mit Mirko Stark und mir eine starke Innenverteidigung, Guido Jörres war der Kapitän und Taktgeber im Mittelfeld, und unser etatmäßiger Sturm mit Pablo Thiam und Carsten Jancker war absolute Extraklasse“, erinnert sich Ploeger. „Leider hatte sich Thiam verletzt und konnte gegen die Lauterer nicht mitwirken“.
Die Roten Teufel hatten mit Thomas Hengen, Torsten Lieberknecht, Marco Dittgen und Christoph Dengel vier Jugendnationalspieler in ihren Reihen und waren als kampfstarke Kontermannschaft bekannt „Nach fünf Minuten kam eine Freistoßflanke an den Fünfmeterraum des Lauterer Strafraums, ich stand frei und köpfte knapp rechts vorbei“, berichtet der einstige Kölner Jugendspieler. „Das wäre das 1:0 gewesen! Wer weiß, wie das Spiel ausgegangen wäre, wenn ich in der Situation getroffen hätte!“ Ploegers Nationalmannschaftskollege Christoph Dengel gelingt es danach wiederholt, die Kölner Abseitsfalle zu überlisten und so geht es mit einer 3:0-Führung für die Lauterer in die Halbzeit.
Frank Schaefer brauchte lange, um uns wieder aufzurichten, denn diese Niederlage tat richtig weh!
In der Pause stellt Manager Hannes Löhr den 7000 Zuschauern im ausverkauften Franz-Kremer-Stadion Neuzugang Kim Christofte, damals frischgebackener Europameister mit Dänemark, vor. Zwar gelingt Mirko Stark der Anschlusstreffer zum 1:3, doch zwei weitere Kontertore durch Christoph Dengel besiegeln die 1:5-Finalniederlage. „Wir waren völlig bedient“, erinnert sich der frühere Innenverteidiger. „Frank Schaefer brauchte lange, um uns wieder aufzurichten, denn diese Niederlage tat richtig weh!“
Das verlorene Endspiel ist Frank Ploegers letztes Spiel im Juniorenbereich. Nach der Sommerpause stößt er zu den Amateuren des FC, die von Wolfgang Jerat trainiert werden, Co-Trainer ist Gerd Daun. Am ersten Tag der Saisonvorbereitung hat der ehemalige Ehrenfelder ein Erlebnis der dritten Art. „Wir hatten gerade unseren Laktattest im Kölner Südstadion absolviert, als Jerat zu mir kam und mich nach meinem Namen fragte“, berichtet Ploeger. „Ich war 17facher Jugendnationalspieler, Führungsspieler in der B-Jugendmannschaft, die in dieser Altersklasse den ersten deutschen Meistertitel für den FC errungen hatte, deutscher A-Jugend-Vizepokalsieger und deutscher A-Jugend-Vizemeister, und der Trainer weiß nicht, wie ich heiße?“ Die Empörung über dieses Verhalten ist Ploeger immer noch anzumerken.
Der nächste Nackenschlag erfolgt, als sich der Kader im Trainingslager in Holland befindet. Dort werden einige Vorbereitungsspiele bestritten, Frank Ploeger wird nicht eingesetzt. Daraufhin sucht er das Gespräch mit dem Trainer und fragt ihn nach den Gründen für seine Nichtberücksichtigung. „Jerat sagte mir, dass auf meinen Positionen bessere Spieler im Kader seien und er mir keine Hoffnung auf Einsätze machen könne“, sagt der heutige Geschäftsmann. „Daraufhin habe ich im Training richtig Gas gegeben, weil ich Jerat zeigen wollte, dass es ein Fehler war, mich nicht aufzustellen.“ Vergebens! Die erste Hälfte der Saison 1992/93 verbringt er überwiegend auf der Ersatzbank.
Seine Einsatzchancen bessern sich erst, als Jerat Ende Februar 1993 Jörg Berger ablöst und Trainer der stark abstiegsgefährdeten Profis des 1. FC Köln wird. Co-Trainer Gerd Daun übernimmt die zweite Mannschaft und von diesem Zeitpunkt an bestreitet Frank Ploeger alle weiteren Saisonspiele. Am Ende der Saison kommen die Verantwortlichen des FC mit der Bitte auf ihn zu, den eigentlich von da an beginnenden Profivertrag in einen Vertrag als Vertragsamateur umzuwandeln, um ihm weitere Spielpraxis bei den Amateuren zu ermöglichen. Ploeger willigt ein, er freut sich auf die neue Saison.
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Mit gespannter Erwartung wartet er mit seinen Mannschaftskameraden vor dem ersten Training auf dem Trainingsplatz auf die Vorstellung des neuen Trainers. Es ist – Wolfgang Jerat. Die Dinge ändern sich für Frank Ploeger, er sitzt nicht mehr auf der Ersatzbank – er verbringt er das erste Saisonspiel bei Fortuna Düsseldorf auf der Tribüne. Er gehört noch nicht einmal mehr dem Spieltagskader an. „Das war’s für mich“, sagt er. „Auch die aufmunternden Worte von Stephan Engels, der inzwischen Jerats Co-Trainer geworden war und mir sagte, dass ich unter seiner Leitung spielen würde, halfen nicht mehr.“
In der Winterpause nimmt er ein Angebot des Verbandsligisten GFC Gürzenich an, der von seinem ehemaligen Co-Trainer Gerd Daun trainiert wird. Ploeger fällt wegen eines Leistenbruchs einige Wochen aus; als er wieder fit ist, setzt ihn eine Blinddarmentzündung außer Gefecht, so dass er nur wenige Spiele für den Dürener Verein absolviert.
Inzwischen hat er eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht und erfolgreich abgeschlossen. Auch fußballerisch scheint es für ihn weiterzugehen. Zur Saison 1994/95 holt ihn Franz Wunderlich zum Oberligaaufsteiger Winfriedia Mülheim. „Dieses Jahr war insgesamt recht schwierig“, berichtet der ehemalige Jugendnationalspieler. „Der Mäzen, der den Aufstieg finanziert hatte, kürzte seine Zuwendungen, im Verein war einige Unruhe. Es hat dann niemanden wirklich überrascht, dass wir sofort wieder abgestiegen sind.“
Der Bezirksligist SC West Köln meldet sich bei ihm und will ihn verpflichten. „Eigentlich wollte ich nicht“, räumt Ploeger ein. „Aber die Mannschaft wurde von Kurt Maus trainiert, einer Kölner Trainerlegende, mit dem ich mich sofort super verstand und so willigte ich ein.“ Er weiß es zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber der Wechsel zum SC West sollte Ploegers weiteres Leben nachhaltig verändern.
Er tut sich zunächst schwer mit dem Fußball in dieser Liga, auf Asche, auf Plätzen, die so holprig sind, dass jeder Pass zum Glücksspiel wird. Aber Kurt Maus und das gute Klima in Mannschaft und Verein vertreiben seine Wechselgedanken. Im Sommer 1998 verbringt er mit der Mannschaft die Saisonabschlusstour in Lloret de Mar. „Dort habe ich dann meine spätere Frau Alexandra kennengelernt“, sagt Ploeger. „Das Problem war, sie lebte in der Nähe von Stuttgart, ich wohnte in Köln. Irgendwann waren wir die ständige Fahrerei leid – und haben geheiratet. 1999 war das.“
Er lebt mit seiner Frau zunächst in Plochingen, dann zieht das Ehepaar nach Kirchheim unter Teck, wo 2000 ihr Sohn Darren geboren wird. Die Fußballschuhe hat er inzwischen an den Nagel gehängt. Frank Ploeger hat andere Sorgen, er muss nun eine Familie ernähren und packt diese Aufgabe mit der ihm eigenen Entschlossenheit an: „Ich habe in Discos als Barkeeper gearbeitet und war Paketzusteller, habe beide Jobs nebeneinander gemacht, um für unseren Lebensunterhalt zu sorgen“, erinnert er sich. „In der Anfangszeit bin ich morgens um 5 Uhr raus, habe dann bis 17, 18 Uhr Pakete herumgefahren, bin dann kurz nach Hause, um ab 20, 21 Uhr in der Disco bis morgens um zwei, drei Uhr Getränke auszuschenken.“ Nach einem halben Jahr gibt er den Job als Barkeeper auf, arbeitet dann einige Jahre lang ausschließlich als Paketzusteller und verdiente danach sein Geld unter anderem in der Touristikbranche.
Im Jahr 2009 verstärkt sich bei Frank Ploeger der Gedanke, dass sich beruflich etwas ändern müsse. „Ich wollte nicht länger für andere Leute arbeiten, wollte unabhängig werden, mich selbständig machen und selber die Früchte meiner Arbeit ernten“, sagt er. „Mein Sohn hat mich dann inspiriert, etwas zu erfinden, mit dem er sich kreativ austoben konnte und die Feinmotorik und das Farbverständnis gefördert werden.“ Langsam entwickelt sich bei Ploeger die Idee, dass Kindersandbilder das Produkt sein könnten, mit dem er sich den Traum der Selbständigkeit erfüllen kann.
Ich habe wirklich bei Null angefangen, habe zwei Autos verkauft und alles in die Entwicklung und Produktion investiert.
Sandbilder gehen ursprünglich auf eine mehrere Jahrhunderte alte rituelle Verwendung bei den nordamerikanischen Navajo-Indianern zurück. Die Überlieferung sagt, dass Medizinmänner sie für religiöse Zeremonien benutzt haben. Dazu fertigten sie eine Unterlage an und bestrichen sie mit Klebstoff oder Farbe, anschließend wurde dann Sand unterschiedlicher Körnung und Färbung aufgetragen.
Frank Ploeger erinnert sich: „Ich habe wirklich bei Null angefangen, habe zwei Autos verkauft und alles in die Entwicklung und Produktion investiert. Viele Fragen mussten geklärt werden. Welches Material nehme ich? Welchen Klebstoff? Motive mussten gekauft, Starter-Sets entwickelt werden, Zertifizierungen wurden benötigt. Ich habe dann Klinken geputzt, war auf Spielwarenmessen, habe Vereine und Firmen angeschrieben und, und, und …“
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2011 ist es dann soweit, er gründet die Kisabi GmbH mit Sitz in Kirchheim unter Teck. Die Produktion der Vorlagen für die Kindersandbilder, die aus verschiedenen Bildmotiven bestehen, welche auf einer mit einer Klebefläche versehenen Unterlage mit Hilfe einer vollautomatischen Laseranlage maschinell eingeritzt, mit Hilfe eines Folienabziehers abgezogen und anschließend mit buntem Sand bestreut werden, erfolgt nach einiger Zeit durch die ebenfalls in Kirchheim ansässige Firma Highlight Media GmbH, deutscher Marktführer in der Papier- und Verpackungsveredelung und in der grafischen Industrie zu Hause. Zum Kundenstamm zählen vorwiegend Druckereien und Agenturen, aber auch renommierte Automobilhersteller wie Mercedes und Porsche. Ploeger fügt hinzu: “Für den aktuellen Black Panther Movie, der gerade weltweit in allen Kinos war, haben wir beispielsweise eine Verpackung entwickelt und produziert, die an 600 Influencer weltweit verschickt wurde, um den Film zu promoten“.
Seit 2016 ist Frank Ploeger bei der Highlight Media GmbH Geschäftsführer und kümmert sich auch hier um alle kaufmännischen Angelegenheiten zusätzlich zur Geschäftsleitung der Kisabi GmbH.
Das Geschäftsfeld der Kisabi GmbH stützt sich auf zwei Säulen: Zum einen den Verkauf von Produkten wie z.B. Starter-Sets und Vorlagepaketen mit inzwischen über 50 Motiven, zum anderen die Durchführung von Veranstaltungen wie beispielsweise Kinderfeste für Banken, Supermarktketten und Firmen, auf denen unter Anleitung von Kisabi-Mitarbeitern Kinder die Gelegenheit bekommen, ihre eigenen Sandbilder herzustellen. „Ein vier bis fünfjähriges Kind braucht etwa 15 bis 30 Minuten, um ein solches Bild fertigzustellen und stolz auf das von ihm Geleistete mit nach Hause zu nehmen“, erläutert er. „Die Nachfrage ist enorm, so dass wir in Spitzenzeiten bis zu 20 Mitarbeiter beschäftigen.“ Kisabi-Produkte sind inzwischen auch in der Schweiz, Österreich, Frankreich, Spanien, Russland, Norwegen und Tschechien erhältlich.
Wie sieht die Bilanz seiner Fußballkarriere aus? „Auf der einen Seite stehen unvergessliche Erlebnisse in der Jugend des 1. FC Köln und in den Jugendnationalmannschaften. Der Meistertitel in der B-Jugend war schon etwas Überragendes, auch das Erreichen der beiden Endspiele in der A-Jugend“, sagt Frank Ploeger. „Die Jugendzeit beim FC war einfach die beste Zeit meines Lebens. Außerdem erfüllte sich mein Wunsch, einmal mit Pierre Littbarski auf dem Platz zu stehen, als ich in einem Freundschaftsspiel der Profis mit ihm zusammen auflief.“ Er nimmt einen Schluck Kaffee. „Die Male, bei denen ich an Trainingseinheiten der Profis teilnehmen durfte, werde ich auch nie vergessen. Mit Spielern wie Bodo Ilgner, Hendrik Andersen, Kim Christofte, Pierre Littbarski und Frank Ordenewitz auf dem Platz zu stehen, war schon etwas ganz Besonderes.“ Er schmunzelt. „Ich erinnere mich an eine Trainingseinheit zu Beginn der Saison 1993/94, die auf dem Trainingsplatz vier stattfand. Toni Polster, der gerade erst vom FC verpflichtet worden war, wollte den Weg dorthin nicht zu Fuß zurücklegen, sondern fuhr unter großem Hallo mit einem Traktor vor.“
Er dreht den Kaffeebecher in seiner Hand. „Aber da waren natürlich auch die Enttäuschungen, das Gefühl, dass mir eine große Chance verbaut wurde, dass ich nicht fair behandelt wurde. Der Traum, der für mich durch den Dreijahresvertrag schon so greifbar war, der aufgrund meiner vielen Jugendländerspiele und der drei Endspiele, die ich als Führungsspieler bestritt, so kurz vor der Erfüllung zu stehen schien, zerplatzte wie eine Seifenblase. Verarbeiten musste ich diese Erfahrung dann ganz alleine.“
Wäre so etwas heute auch noch vorstellbar? Frank Ploeger schüttelt energisch den Kopf. „Heutzutage hat jeder talentierte Jugendspieler in den Junioren-Bundesligen mindestens einen Berater, der seine Interessen vertritt, Jugendnationalspieler teilweise drei. Wird der Jugendspieler drei- oder viermal nicht berücksichtigt, sucht der Berater sofort das Gespräch mit dem Trainer. Kommt er da nicht weiter, geht er zum Vorstand. Ist auch das vergebens, nutzt der Berater sein Netzwerk, um den Spieler bei einem anderen Verein unterzubringen.“ Er hält einen Augenblick inne. „Keiner von uns hatte damals einen Berater. Meine Begleitung bei Vertragsgesprächen mit dem FC bestand aus meinem Vater, der Blitzschutzmonteur war und naturgemäß keine Erfahrung in diesen Dingen besitzen konnte. Aus unserer damaligen A-Jugend wären unter heutigen Bedingungen mit Sicherheit sechs oder sieben Spieler richtig erfolgreiche Profis geworden. Geschafft haben es aber nur Pablo Thiam und Carsten Jancker.“
Er fährt fort. „Aber auch die Vereine gehen im Zeitalter explodierender Ablösesummen anders mit ihren Nachwuchstalenten um, da sie wissen, dass diese Spieler das Kapital des Klubs sind. Überall sind Nachwuchsleistungszentren eingerichtet worden, dort werden die jungen Talente wirklich begleitet mit Perspektivgesprächen, psychologischer Betreuung, Ernährungsberatung nach sportmedizinischen Grundsätzen. Alles das gab es damals bei uns noch nicht.“
Auf der nächsten Seite: Dem Fußball nach wie vor verbunden
Hat er noch Kontakt zum FC? „Mit Markus Anfang tausche ich mich regelmäßig aus“, sagt er. „Wir kennen uns seit der gemeinsamen Zeit in der Mittelrheinauswahl und der Kontakt ist seitdem nie abgerissen. Er wollte mich zu einem FC-Spiel gegen den HSV einladen, aber ich konnte aus beruflichen Gründen leider nicht. Jetzt hat sich das ja erstmal erledigt – dank Armin Veh.“ Frank Ploeger schüttelt den Kopf, sagt aber weiter nichts dazu.
Sein Sohn Darren ist 19, spielt er Fußball? Ploeger nickt. „Er ist noch A-Jugendlicher, spielt aber in der 1. Mannschaft des TSV Jesingen in der Kreisklasse A. Er ist Defensivspieler, genau wie ich.“ Ein Lächeln huscht über sein Gesicht: „Zu seinem 18. Geburtstag habe ich ihm ein Überraschungsgeschenk gemacht. Ich habe eine Mannschaft zusammengestellt, die aus Menschen bestand, die in Darrens Leben von Bedeutung sind, Verwandte, Nachbarn, Freunde und auch Dirk Lehmann, ehemals Profi beim FC. Wir haben eine Halle gemietet und sind gegen Darrens Team, die A-Jugend des Vereins, angetreten. Wir haben haushoch verloren, aber es war ein Riesenspaß.“
Die Verbindung zum Fußball hat er als Trainer von Jugendmannschaften der Region behalten. „Das Trainieren von Kindern hat mir in den letzten 13 Jahren sehr viel Spaß gemacht – egal welcher Altersklasse, ob Bambini oder B-Jugend“, berichtet er „Zu sehen, wie die Kinder sich weiter entwickeln und man ein Teil dessen sein darf, macht mich glücklich. Erfolge kommen bei guten Training, Teamgeist, Wille und Disziplin von ganz alleine. So konnte ich mit ‚meinen Jungs’“ mehrfach Titel holen. Jugendliche, die heute 20 Jahre alt sind, kommen immer noch gerne zu mir und holen sich Ratschläge, und gelegentlich trinken wir auch mal gemeinsam ein Bier.“ Er schmunzelt: „Jetzt sind ja alt genug dafür!“
Am Ende unseres Gesprächs zeigt der frühere Kölner mir einige Produkte seiner Kisabi GmbH. Die Freude und der Stolz über das, was er mit unternehmerischer Risikobereitschaft, mit dem Biss und der Energie, den Eigenschaften, die ihn schon als Fußballer auszeichneten, auf den Weg gebracht hat, sind förmlich greifbar. Er hat seine berufliche und private Heimat gefunden in Sichtweite der drei Kaiserberge, in der Ruhe und Beschaulichkeit der schwäbischen Alb, wo er mit seiner Frau Alexandra und seinem Sohn Darren seit 20 Jahren lebt, fernab der Großstadtlichter Kölns und dem hektischen Treiben einer Millionenstadt. Die große Fußballwelt hat er nicht erobern können, dafür aber die Herzen vieler Kinder, die sich an ihren selbstgefertigten Sandbildern erfreuen. Und das ist schließlich auch nicht schlecht.