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·3. Juni 2020
Lebenswege beim 1. FC Köln: Jörg Gerlach – Fußballer von der Bundesliga bis zur Kreisliga D

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·3. Juni 2020
Es war das letzte Spiel der Saison. Und es ging nicht mehr um viel. Nicht für die Vereine, weder für die gastgebende Frankfurter Eintracht noch für die Gäste des 1. FC Köln, die beide einen UEFA-Cup-Platz sicher hatten. Und auch nicht für die Spieler, die das Ende einer kräftezehrenden Saison herbeisehnten. Die fünf WM-Fahrer Bodo Illgner, Paul Steiner, Pierre Littbarski, Thomas Häßler und Uwe Bein dachten sicherlich an das in Kürze beginnende Weltturnier und waren an diesem 12. Mai 1990 sicherlich bemüht, die 90 Minuten verletzungsfrei zu überstehen.
Die übrigen Akteure auf dem grünen Rasen freuten sich auf den langersehnten Urlaub, den sie in Kürze antreten würden. Der Partie selber maßen sie keine übermäßige Bedeutung zu. Ganz anders empfand dies ein blonder Ersatzspieler auf der Kölner Bank: Zum ersten Mal war er von Trainer Christoph Daum in den Spieltagskader berufen worden. Er war beeindruckt, von der prickelnden Atmosphäre, den rhythmischen Fangesängen, von der Kulisse der 32 000 Zuschauer. Nur selten hatte er bis dahin vor mehr als einigen hundert Zuschauern gespielt, lief er doch als torgefährlicher „Zehner“ normalerweise für die zweite Mannschaft des 1. FC Köln auf.
Genau wie Horst Heldt und Karsten Baumann, die anderen beiden Auswechselspieler seiner Mannschaft, die neben ihm auf der Bank Platz genommen hatten. Beide waren vor kurzem mit Profiverträgen ausgestattet worden und hofften auf nachhaltige Karrieren im Fußballgeschäft. Insgeheim tat dies auch der blonde „Zehner“. Wenige Wochen war es erst her, dass Christoph Daum ihm mitgeteilt hatte, dass er mit den Profis des FC auf USA-Tour mit Spielen unter anderem gegen Real Madrid und die Nationalelf Mexikos gehen würde.
Er hörte das Raunen der Zuschauer, als Thomas Häßler im Mittelfeld den Ball erkämpfte und mit unnachahmlichem Dribbling zwei Gegenspieler aussteigen ließ, konstatierte die vielen Seufzer der Erleichterung, als „Ickes“ fulminanter Linksschuss das Frankfurter Tor um Zentimeter verfehlte. Das war heute Häßlers letztes Spiel für den FC, wusste er. Im Sommer würde der kleine Berliner zu Juventus Turin wechseln. Wenig später landete das runde Leder dann doch im Tor der Eintracht. Jubelnd sprang er mit den anderen Ersatzspielern von der Bank auf, Falko Götz hatte zum 1:0 für die Kölner getroffen.
Die Frankfurter verstärkten in der zweiten Hälfte ihre Bemühungen um den Ausgleich. Bis zur 77. Spielminute hielt die Abwehr um Libero Paul Steiner stand, dann erzielte ausgerechnet der Ex-Kölner Uwe Bein das 1:1. Unmittelbar danach rief Daum den blonden „Zehner“ zu sich. Es dauerte einen Augenblick, bevor er vollends begriff: Er würde eingewechselt werden, stand kurz vor seinem ersten Bundesligaeinsatz. Er spürte das Adrenalin, das durch seinen Körper schoss, atmete tief durch, um seiner Nervosität Herr zu werden. Aber da war auch dieses Prickeln, ein Gefühl freudiger Erregung, als er sich der Trainingsjacke entledigte.
Nicht die zukünftigen Profis Karsten Baumann und Horst Heldt, sondern er, der Spielgestalter der FC-Amateure, würde die Chance erhalten, sich auf der großen Bühne der Bundesliga zu zeigen. Vielleicht war dies ein Fingerzeig, seine Chance auf eine Zukunft in der 1. Mannschaft. Nervös trippelnd stand er an der Seitenlinie. Er zupfte das Trikot zurecht, zog noch einmal die Stutzen hoch. Wenig später war es soweit: Den Frankfurtern war ein Freistoß in Strafraumnähe zugesprochen worden.
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Die Spielunterbrechung nutzte Daum, um den Wechsel vorzunehmen. Ralf Sturm verließ das Spielfeld. Mit schnellen Schritten lief der blonde Einwechselspieler auf das inzwischen schon recht ramponierte Grün und sah, wie Manfred Binz, der Libero der Frankfurter, sich den Ball zurechtlegte und ihn dann an der Mauer der Kölner vorbei zur Führung der Eintracht ins Netz schlenzte.
„Tor für die Eintracht“, begann der Stadionsprecher unter dem Jubel der Heimfans und ergänzte dies anschließend um die notwendigen Details, bevor er fortfuhr: „Unsere Kölner Gäste haben gewechselt. Den Platz verlassen hat der Spieler mit der Rückennummer 9, Ralf Sturm. Neu im Spiel der Spieler mit der Rückennummer 15, Jörg Gerlach.“
Ich „treffe“ Jörg Gerlach gut 30 Jahre später – allerdings nur virtuell, denn das Corona-Virus hat das Land nach wie vor fest in seinem Griff und erlaubt nur ein Gespräch via FaceTime. Der früheren FC-Spieler sitzt im Garten seines Hauses, ein jugendlich wirkender Anfang-Fünfziger, immer noch schlank und rank. Man sieht ihm an, dass er sein ganzes Leben lang Sport getrieben hat. Und da ist ein verschmitztes Lächeln, das im Laufe unseres Gespräches noch einige Male über sein Gesicht huschen soll.
In Köln-Lindenthal erblickt Jörg Gerlach am 23. August 1967 das Licht der Welt. Seine Kindheit verbringt er zunächst in Frechen-Bachem, dann zieht die Familie nach Königsdorf, wo sich Gerlach mit sechs Jahren dem örtlichen TuS Blau-Weiß anschließt. Die jüngste Jugendmannschaft des Vereins ist die E-Jugend, in der der schmächtige Blondschopf vier Jahre lang spielt und dabei seine körperliche Unterlegenheit durch sein beachtliches fußballerisches Talent mehr als kompensieren kann.
Heinz-Theo Horst ist sein Sportlehrer auf dem Frechener Gymnasium, das er seit 1977 besucht. Der langjährige Stammspieler der FC-Amateure und Mitglied der Studentennationalmannschaft erkennt das Talent seines Schützlings und stellt den Kontakt zum 1. FC Köln her. Ab der Saison 1979/80 läuft er für die Jugendmannschaften der Geißböcke auf, zunächst für die ältere D-Jugend, die von Bernd Steegmann trainiert wird.
Am Geißbockheim zieht zu der Zeit Gerlachs fußballerisches Vorbild seine Kreise. Bernd Schuster, der „blonde Engel“, macht hier seine ersten Schritte im großen Fußballgeschäft, das ihn unter anderem zum FC Barcelona, Real Madrid und Atletico Madrid führen sollte. „Er war für mich der ideale Mittelfeldspieler“, schwärmt er noch heute: „Seine Ruhe am Ball, seine Übersicht und die Qualität seiner Pässe fand ich absolut faszinierend.“
Wechsel nach Frechen und Düren – Rückkehr zum FC
In der C-Jugend wird Christoph Daum sein Trainer. „Wir hatten eine gute Mannschaft mit Ralf Sturm und Thomas Wichterich, beide Jugendnationalspieler, genau wie Helmut Schmelzer, mit dem ich befreundet war“, sagt Gerlach. Seine Leistungen in der B-Jugend, wo Roland Koch ihn trainiert, bleiben auch den Verantwortlichen der Mittelrheinauswahl nicht verborgen, für die er allerdings nur zwei Spiele bestreitet. „Ich konnte körperlich nicht so dagegenhalten wie manch anderer in dem Jahrgang“, erläutert Gerlach.
Im ersten A-Jugendjahr trainiert er bei der A1, läuft aber zunächst für die A2 auf. Wie in den vorigen Jahren zeichnet sich der blonde Mittelfeldspieler nicht nur durch seine Übersicht und Passgenauigkeit aus, sondern trifft auch regelmäßig ins Netz. Auch in seinem letzten Jugendjahr unter Trainer Peter Litzinger kommt er regelmäßig zu Einsätzen in der A1. Trotzdem wartet Jörg Gerlach, seit Mai 1986 frischgebackener Abiturient, vergeblich darauf, dass ihm vom Verein eine Perspektive für den Seniorenbereich aufgezeichnet wird. So verlässt er den FC – nicht zum letzten Mal.
Der Verbandsligist Frechen 20 verpflichtet ihn. Dort wird er von Spielertrainer Wolfgang Rausch trainiert, Ex-FC‘ler, danach u.a. bei Bayern München und in der North American Soccer League aktiv. „Wir hatten ein tolles Team“, erzählt Gerlach. „Matthias Brücken, der Mitte der siebziger Jahre einige Bundeligaspiele für den FC absolvierte, sorgte als Mittelstürmer für die nötigen Tore und hinten hielt Wolfgang Rausch den Laden zusammen.“
Zur gleichen Zeit beginnt Gerlach in Köln eine Lehre zum Installateur. Vor der Saison 1987/88 wechselt er zum Ligakonkurrenten Düren 99. Mittlerweile gibt es eine Mittelrheinauswahl für den U21-Bereich, in die er aufgrund seiner konstant guten Leistungen berufen wird. Im Team stehen zwei Spieler, die älter als 21 sind, und einer der beiden, Achim Gödde, spielt zu der Zeit bei Bayer Leverkusen. „Wir fanden schnell einen Draht zueinander und freundeten uns an“, erzählt Gerlach.
„Gödde schwärmte mir von Bayer vor und stellte den Kontakt zu den Verantwortlichen dort her. Eigentlich war mit dem Wechsel schon alles klar.“ Er hält kurz inne und lächelt. „Roland Koch, mein B-Jugendtrainer, inzwischen Trainer der FC-Amateure, hatte mich in zwei Spielen der Auswahl gesehen und wohl gedacht: ‘Mensch, den Gerlach könntest Du noch gebrauchen!‘ Als er mir dann ein Vertragsangebot machte, konnte ich als alter Kölner doch nicht nein sagen!“
So kehrt Jörg Gerlach zur Saison 1988/89 ans Geißbockheim zurück und erreicht mit Spielern wie Rachid Azzouzi, Günter Baerhausen, Karsten Baumann, Alexander Bade und Horst Heldt, dem heutigen Sportdirektor des FC, den 12. Platz in der Abschlusstabelle der Oberliga Nordrhein.
Training, Spiel und USA-Tour mit den Profis
In der darauffolgenden Saison übernimmt Erich Rutemöller das Traineramt bei der „Zwoten“. Jörg Gerlach ist inzwischen Leistungsträger der Mannschaft, ordnet das Spiel seines Teams im Mittelfeld – und schießt Tore. Am 4. März 1990 kommt der 1. FC Bocholt ins Franz-Kremer-Stadion. „Wir gewannen 4:1, mir gelang fast alles, zudem schoss ich zwei Tore“, erinnert er sich. „Das war wohl mein bestes Spiel.“
Die Verantwortlichen des 1. FC Köln sehen das wohl ähnlich, denn wenige Tage später sitzt er im Büro von Geschäftsführer Wolfgang Schänzler. „Er bot mir einen Zwei-Jahresvertrag als Vertragsamateur an“, erzählt Gerlach. „Das erste Jahr bei den Amateuren, das zweite Jahr bei den Profis.“ Er schmunzelt. „Das war ein sogenannter Schubladenvertrag. Unterschrieben wurden solche Verträge von den Spielern, zunächst aber nicht vom Vorstand oder der Geschäftsführung. Deswegen legte der Verein sie in eine Schublade, von wo man sie dann erst herausholte und die Unterschrift leistete, wenn es für den Club opportun war.“
Er hält kurz inne. „Ich sah meine Chance. Ein Jahr bei den Profis! Also unterschrieb ich.“ Seit dem 1. April 1990 nimmt Jörg Gerlach zusammen mit seinem Teamkollegen Günter Baerhausen recht regelmäßig am Training der Profis teil. Kabine und Trainingsplatz teilen sie sich mit FC-Größen wie Bodo Illgner, Thomas Häßler oder Pierre Littbarski. „Gerade diese drei waren unheimlich nett und aufgeschlossen“, erinnert er sich. „Sie sagten uns, wir sollten ganz locker bleiben und uns keinen Kopf machen, wenn uns mal ein Fehler unterlief!“
Am 12. Mai 1990 ist es dann soweit. Jörg Gerlach kommt zu seinem ersten Bundesligaeinsatz. Nach seiner Einwechslung erzielt Manfred Binz das 2:1. In den verbleibenden drei Minuten werfen die Kölner alles noch vorne, Gerlach übernimmt Sturms Mittelstürmerposition, der Ausgleich will jedoch nicht gelingen. Im Gegenteil: Einen schnellen Konter nutzt Jörn Andersen zum 3:1-Endstand.
Einige Tage später gehört er zum FC-Tross, der sich nach Kalifornien aufmacht, um dort vier Freundschaftsspiele zu absolvieren. Die Nationalspieler des FC bereiten sich derweil auf die WM in Italien vor. Im ersten Spiel gegen das brasilianische Team von Vasco da Game in San José wird Gerlach kurz vor Schluss eingewechselt. Nach einem 2:2-Unentschieden gewinnt der FC das anschließende Elfmeterschießen 7:6.
Zwei Tage später sieht der blonde „Zehner“ von der Bank aus zu, wie das ebenfalls ohne seine Nationalspieler angetretene Real Madrid den FC mit 1:0 besiegt. Gegen die Nationalelf Mexikos kommt Jörg Gerlach wiederum zwei Tage später eine Halbzeit lang zum Einsatz. „Die Mexikaner traten mit Hugo Sanchez an“, erinnert er sich. „Das war schon ein erhebendes Gefühl, gegen einen solchen Weltstar zu spielen.“
Zum Abschluss der Tour treten die Kölner vor 40 000 Zuschauer, die ins Los Angeles Memorial Coliseum geströmt sind, gegen eine US-Auswahl an. Jörg Gerlach wird in der 60. Spielminute für Horst Heldt eingewechselt und hilft mit, den 5:1-Sieg des FC im Olympiastadion der Spiele von 1932 und 1984 zu sichern.
Als Testspieler bestreitet Dario Decoud, argentinischer Stürmer von Racing Club Buenos Aires, alle vier Spiele und erhält zur allgemeinen Überraschung einen Vertrag bei den Kölnern. „Wir haben uns alle gewundert, denn sein Können war recht überschaubar“, sagt Gerlach. „Er hat dann in der nächsten Saison einige Einsätze bei den FC-Amateuren gehabt, ist aber auch dort nicht positiv aufgefallen. Für die Profis hat er kein Punktspiel bestritten und ist in der Winterpause nach Argentinien zurückgekehrt.“
Gut einen Monat später brechen stürmische Zeiten am Geißbockheim an: Christoph Daum wird entlassen. „Ich habe aus der Zeitung davon erfahren“, berichtet der frühere Auswahlspieler. „Natürlich habe ich diese Entscheidung bedauert, denn der Bundesligaeinsatz und die Tour in die USA mit den Profis waren für mich ein Hinweis darauf, dass er mich auf der Rechnung hatte.“
Erich Rutemöller verlässt die „Zwote“ und trainiert nun die Profis des 1. FC Köln, Jörg Gerlach kehrt zu den FC-Amateuren zurück. Auch dort hat ein neuer Übungsleiter das Training übernommen: Bernd Krauss, 22-facher österreichischer Nationalspieler, als offensiver Außenverteidiger jahrelang bei Borussia Mönchengladbach auf der rechten Seite unterwegs.
Abstieg und Aufstieg mit den FC-Amateuren
Als Trainer der FC-Amateure ist Krauss allerdings wenig Erfolg beschieden. Das erste Saisonspiel wird mit 0:5 bei Jülich 10 verloren, aus fünf Spielen ein mageres Pünktchen geholt. Nach einer 1:4-Niederlage beim Bonner SC zieht der Verein die Notbremse und entlässt den früheren Borussen. In diesem Spiel erhält Jörg Gerlach beim Stand von 1:3 die einzige Rote Karte seiner Karriere. „Wegen des schlechten Saisonstarts waren wir alle ziemlich gefrustet“, erinnert er sich. „Ich wurde gefoult, lag auf dem Rasen und habe etwas nachgehakelt. Das ist halt Rot.“
Nicht als Trainer, aber sehr wohl als Flankengeber hat Krauss den blonden „Zehner“ ziemlich beeindruckt. „Günter Baerhausen und ich sind häufig eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn auf den Platz gegangen, um eine Extraeinheit zu absolvieren“, erzählt Gerlach. „Krauss hat geflankt, und wir haben die Bälle dann verwertet. Ich habe nie wieder einen Spieler erlebt, der so präzise flanken konnte wie er!“
Neuer Trainer ist Rainer Nicot, Amateurnationalspieler und Mitglied der Amateurmeister-Mannschaft von 1981. Aber auch er kann nicht verhindern, dass die FC-Amateure zum ersten Male in ihrer Geschichte absteigen. „Das hätte nie passieren dürfen“, sagt Gerlach. „Mit fast derselben Mannschaft waren wir im Vorjahr Achter geworden. Aber von Anfang an war da der Wurm drin. Wir alle liefen unserer Form hinterher – auch ich.“
Dies wirkt sich auch auf seine Verhandlungsposition aus, als es um die Umwandlung seines Amateurvertrags in einen Profivertrag geht, die eigentlich nach dieser Saison ansteht. Man kommt schließlich überein, dass Jörg Gerlach bis auf Weiteres bei den Amateuren spielt – die Profiperspektive sollte es für ihn nie mehr geben. In der Saison 1991/92 treten die FC-Amateure in der Verbandsliga Mittelrhein an. Neuer Trainer ist Eberhard Vogel, 74facher Nationalspieler der DDR.
Die Mannschaft um Alexander Bade, Carsten Keuler, Jörg Gerlach, Dirk Flock, Patrick Weiser und Rainer Thomas schafft als Meister den sofortigen Wiederaufstieg in die Oberliga Nordrhein. Wolfgang Jerat übernimmt das Team in der Saison 1992/93 als Trainer. Ältere Spieler wie Willi Deutschmann, Rainer Thomas, Franz Wunderlich und Andy Bäuerle verlassen den Verein, aus der starken A-Jugend des FC, frischgebackener Deutscher Vizemeister, verstärken Mirko Stark, Frank Ploeger, Guido Jörres und Pablo Thiam die FC-Amateure.
Mit externen Neuzugängen wie Thomas Zdebel von Rot-Weiß Essen und dem Aachener Dirk Lehmann geht ein junges Team in die neue Saison, das für Furore sorgt. Jörg Gerlach, der mit seinen 25 Jahren zu den ältesten Akteuren gehört, wird von Jerat zum Mannschaftskapitän ernannt und gerät noch heute ins Schwärmen. „Wolfgang Jerat war der beste Trainer, den ich je hatte. Von ihm habe ich ungeheuer viel gelernt“, erinnert er sich. „Wir hatten eine tolle junge Truppe mit hoher Qualität. Es machte einfach Bock mit den Jungs zu spielen, und so legten wir einen super Start hin.“
Im ersten Spiel kommt Rot-Weiss Essen ins Südstadion und wird vor 7.000 Zuschauern mit einer 5:2-Niederlage zurück an die Hafenstraße geschickt. 14 Tage später trägt Jörg Gerlach mit einem verwandelten Elfmeter dazu bei, dass Alemannia Aachen mit 2:0 besiegt wird. Nach vier Spieltagen führen die FC-Amateure die Tabelle an.
Wechsel zum Bonner SC und zum SV Baesweiler
Ende Februar 1993 löst Jerat Jörg Berger als Trainer der Profis ab, und Gerd Daun übernimmt die Amateure. Am Ende landet das Team auf einem neunten Tabellenplatz. Die junge Mannschaft hat Perspektive. Doch genau diese Perspektive ist es, die Jörg Gerlach für sich persönlich vermisst. Zwar ist er Mannschaftskapitän und Stammspieler, doch er weiß, dass ihm der Sprung zu den Profis nicht mehr vergönnt sein wird.
„Ich wollte weg“, sagt er. „Der Bonner SC war interessiert und machte mir ein finanziell lukratives Angebot. Ich konnte dort mehr verdienen, als man mir als Profi beim FC gezahlt hätte.“ Er hält einen Moment inne. „Außerdem wollte ich nach langer Zeit mal wieder in einer 1. Mannschaft spielen, die auch mediales Interesse weckte. Das tat der Bonner SC, jeden Montag standen wir auf Seite 1 im Bonner General-Anzeiger.“
Er trifft bei den Bonnern auf alte Teamkameraden aus FC-Zeiten, wie Willi Deutschmann, Rainer Thomas und Björn Rehm, mit dem er vor vielen Jahren in der D-Jugend der Kölner die Fußballschuhe geschnürt hatte. In der Saison 1993/94 erreichen die ehemaligen Bundeshauptstädter, die von Peter Nover trainiert werden, einen guten sechsten Tabellenplatz in der Oberliga Nordrhein, der gleichzeitig die Qualifikation für die neugegründete Regionalliga West/Südwest bedeutete.
In der Saison 1994/95 gehört mit Peter Müller ein weiterer ehemaliger FC-Spieler zum Kader des Bonner SC – und Max Lunga. Der Nationalspieler Simbabwes ist von Dynamos FC Harare an den Rhein gewechselt. Den Transfer eingefädelt hat John Viol, der spätere Präsident der Bonner, der als Mineralienhändler mehrere Bergwerke in Simbabwe besitzt. „Max war ein toller Typ, immer gut drauf“, erinnert sich Gerlach. „Mit ihm verstand ich mich von Anfang an blendend, auch wenn sein Deutsch damals noch ausbaufähig war.“
Die Spielstärke der neugebildeten Liga ist hoch, fasst sie doch die besten Amateurmannschaften aus dem Westen und Südwesten zusammen. Und so geraten die Bonner denn auch mitten rein in den Kampf um den Klassenerhalt. Im April 1995 müssen sie nach Höhenberg zu Preußen Köln, die in noch ärgeren Abstiegsnöten als die Schützlinge von Peter Nover sind.
Jörg Gerlach sorgt mit seinem fünften Saisontreffer für einen hart erkämpften 1:0-Sieg, und weitere vier Siege aus den folgenden fünf Spielen verschaffen den Bonnern mehr als nur etwas Luft im Abstiegskampf. Der ehemalige FCler kommt auf stattliche zehn Saisontore und trägt damit maßgeblich zum Klassenerhalt bei. Parallel dazu hat Jörg Gerlach sich auf seine Prüfung zum Installateur- und Heizungsbauermeister vorbereitet, die er 1995 erfolgreich besteht.
Ein schlechter Saisonstart in der darauffolgenden Spielzeit führt dazu, dass Peter Nover zunächst durch zwei Übergangstrainer und schließlich durch Hans Kodric ersetzt wird, dessen Verpflichtung wiederum auf den neuen Präsidenten der Bonner, John Viol, zurückgeht. „Viol war vorher Geldgeber beim VfL Rheinbach und hat nach seinem Wechsel ins Präsidentenamt Kodric aus Rheinbach zum BSC gelotst“, erläutert Gerlach. „Der neue Trainer ließ mich Linksaußen spielen, was gar nicht meine Position war. Gerd Daun hat Wind davon bekommen, dass ich in Bonn nicht mehr glücklich war, und hat mich in der Rückrunde zum Oberligisten SV Baesweiler geholt.“
Auf der nächsten Seite: Karriereende in Baesweiler – Comeback in der Kreisliga
Vor der Saison 1996/97 verlässt Daun den Klub in Richtung Teveren. „Dauns Nachfolger ließ uns ein für uns ungewohntes System spielen, Forechecking und Abseitsfalle“, erinnert sich Gerlach. „Ein gutes System für Profimannschaften, aber schlecht für uns, da wir konditionell gar nicht in der Lage waren, dies über 90 Minuten durchzuhalten.“ Er schmunzelt. „Sobald wir den Ball erobert hatten, waren wir so kaputt, dass wir nichts Vernünftiges mehr damit anfangen konnten.“
Kurz vor der Winterpause wird eine Herzrhythmusstörung bei Jörg Gerlach festgestellt. „Nichts Schlimmes, dank der Medikamente war das nach wenigen Tage auch wieder in Ordnung“, erläutert er. „Aber für mich war das der Anlass, bei Baesweiler und schlussendlich auch mit dem Fußball aufzuhören. Die Freude an diesem Sport war einfach nicht mehr da.“
Schon beim Bonner SC hat er angefangen, Golf zu spielen, und das wird zu seiner neuen Leidenschaft. Im Bergheimer Golfclub „Am alten Fließ“ übt er das Putten, Pitchen und Chippen vier- bis fünfmal pro Woche. „Mir gefiel der Sport, obwohl oder vielleicht auch gerade, weil er so gar nichts mit Fußball zu tun hat“, erklärt er. „Durch mein regelmäßiges Training habe ich mein Handicap schließlich auf 5 verbessert.“
Neun Jahre lang tritt er gegen keinen Ball, weder auf dem Fußballplatz, noch in der Halle und auch nicht im Garten. „Ich habe dann irgendwann Donnerstagsabends im Villefort Sportpark in Königsdorf in einer Truppe gekickt“, erzählt er. „Nach einiger Zeit wurde ich dann gefragt, ob ich keine Lust hätte, noch mal für den TuS Blau-Weiß Königsdorf zu spielen.“
Er hatte. Jörg Gerlach kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Da macht es auch nichts, dass die Königsdorfer nicht höher als in der Kreisliga B spielen. Er bestreitet einige Spiele, muss dann jedoch seinem Körper und der langen Fußballpause Tribut zollen. Achillessehnenbeschwerden plagen ihn, auch die Cortisonspritzen verhelfen nur zu kurzzeitiger Linderung. Er sagt dem Fußball erneut Adé.
Sportlich bleibt er trotzdem weiter aktiv. Er spielt nach wie vor Golf, vor vier Jahren hat er begonnen, beim TC Rot-Weiß Königsdorf Tennis zu spielen. Und dann kehrt er auch noch einmal auf den Fußballplatz zurück. Mit seinem Sohn Sven absolviert er 2019 einige Spiele für die 4. Mannschaft des TuS Blau-Weiß Königsdorf in der Kreisliga D. „Da haben einige Gegenspieler erstaunt geguckt, wenn mein Sohn von mir den Ball haben wollte und ‚Papa‘ rief“, schmunzelt Gerlach.
Mit seiner Frau Melanie und seinem Sohn Sven ist er nach wie vor in Königsdorf ansässig, wo er den Meisterbetrieb für Heizung und Sanitär leitet, der 1970 von seinem Vater gegründet wurde. In Frechen ist die W. Gerlach GmbH mittlerweile der größte Installateur-Meisterbetrieb mit insgesamt 30 Mitarbeitern.
Distanz zum FC – Trainer in Horrem
Jörg Gerlach gibt seine langjährige Berufserfahrung an nicht weniger als neun Auszubildende zum Anlagemechaniker weiter. „Damit sind wir der größte Ausbildungsbetrieb der Branche in der Region um Frechen“, sagt er nicht ohne Stolz. Hat er noch Verbindungen zum FC? „Eigentlich nicht“, sagt er. „Mit Karsten Baumann habe ich Kontakt, da er zu meinen Kunden zählt. Horst Heldt habe ich vor zwei Jahren zufällig in einem Sardinien-Urlaub getroffen.“
Er hält kurz inne. „Ich gehe auch nicht ins Stadion. Ab und an sehe ich im Fernsehen die Zusammenfassung eines Spiels der Kölner, aber auch nur, weil mein Sohn FC-Fan ist.“ Er schmunzelt. „Er kann nicht verstehen, dass ich mit dem Verein nichts mehr am Hut habe, wo ich doch sehr lange dort Spieler war.“
Ich ahne, dass da eine Distanz entstanden ist zwischen dem ehemaligen Spieler und seinem Verein, spüre jedoch auch, dass sich diese Distanz auf den gesamten Profifußball ausgeweitet zu haben scheint. Ich frage ihn nach der Bilanz seiner Fußballkarriere? „Es war eine tolle Zeit mit zahlreichen schönen Erinnerungen. Die Reisen mit dem FC nach Kalifornien und mit der Mittelrheinauswahl nach Israel zählen zum Beispiel dazu“, sagt Gerlach. „Ich kann aber nicht sagen, dass ich im Fußball Dinge gelernt habe, die für meine Zukunft von Bedeutung waren.“
Und doch kann Jörg Gerlach den Fußball immer noch nicht ganz lassen. Seit dieser Saison trainiert er zusammen mit Stephan Paar die 1. Mannschaft des Horremer SV 1919, der in der Kreisliga A beheimatet ist. Auch hier wie in seinem Unternehmen kann er seine langjährige Erfahrung als Fußballer an seine jungen Schützlinge weitergeben. „Die Arbeit mit den Jungs macht mir unheimlich viel Spaß“, sagt er.
Wenig später beenden wir unser Gespräch. Ich werfe einen letzten Blick auf den früheren FC’ler. Er lächelt zum Abschied, strahlt Zufriedenheit aus. Ein aktives Leben, beruflich wie privat, die Freude daran, Jüngeren langjährige Erfahrungen in Beruf und Sport zu vermitteln, all dies scheinen nicht nur für Jörg Gerlach Bausteine für ein ausgefülltes und glückliches Leben zu sein.
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Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf „Joschi“ Chang, ein Mitglied der Kölner B-Jugend-Mannschaft von 1990, die damals Deutscher Meister wurde.
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