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OneFootball·2. März 2023
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OneFootball·2. März 2023
Die Stunden harter Arbeit und die Opfer, die nötig sind, um Fußballprofi zu werden – besonders auf höchstem Niveau – werden von denen, die außerhalb stehen, oft übersehen.
Aber natürlich braucht man auch etwas Glück und Tottenhams Dejan Kulusevski hat seins einem Nachbarn zu verdanken. „Das erste Mal, dass ich außerhalb unseres Hauses Fußball spielte, war nur ein ganz normales Spiel mit ein paar Jungs, die dort wohnten„, erzählt der heute 22-Jährige in einem exklusiven Interview mit OneFootball.
„Dann sah mich plötzlich ein Elternteil spielen, ging direkt zu meiner Mutter und sagte ihr, dass ich wirklich talentiert sei und mich bei einem Team anmelden sollte„, so Kulusevski. Besagtes Team wurde IF Brommapojkarna, sein örtlicher Verein im westlichen Stockholm, wo sich sein Talent über die nächsten Jahre entwickeln sollte.
Und obwohl Schweden über so berühmte Namen wie Zlatan Ibrahimović, Henrik Larsson und Freddie Ljungberg verfügt, fand Kulusevski hauptsächlich bei einem Belgier mit magischen Füßen Inspiration: „Mein Lieblingsspieler ist Eden Hazard. Niemand spielt so wie er, und ich war so glücklich, dass ich ihn spielen sehen konnte. Ich erinnere mich, dass ich in der Schule nur daran dachte, nach Hause zu gehen und 90 Minuten lang seinen Fußball zu genießen. Er war mein größtes Fußballidol auf dem Platz“ schwärmt Kulusevski.
Gerade bei Kindern bleiben manche Momente einfach im Gedächtnis haften und so erinnert der 22–Jährige sich noch heute an ein ikonisches Tor, das nicht nur seine Karriere, sondern auch seine Familie prägte. „Meine liebste Erinnerung an die Champions League ist, als Goran Pandev für Inter gegen Bayern München in der letzten Sekunde traf. Ich erinnere mich, wie stolz meine Familie und ich waren, denn er ist aus Mazedonien – woher ich komme. Es war unglaublich, dass er ein so wichtiges Tor erzielen konnte.“
Fußball ist ein verdammt kompetitiver Sport, weniger als 30 Prozent der Akademie–Spieler erhalten einen Profi-Vertrag, aber Kulusevski wollte seine Chance unbedingt nutzen: „Ich glaubte nicht, dass ich auf diesem Niveau spielen könnte, aber dann passierte es doch. Ich traf einen Agenten aus Italien, der mich bei einem Turnier sah, ich war ungefähr 15 oder 16 Jahre alt,“ erinnert er sich
Dann sei die Idee entstanden, Schweden zu verlassen, um sich mit den besten Spielern zu messen: „Das größte Interesse hatte Atalanta und ich ging dorthin. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich bereit war, aber es war eine Gelegenheit, die ich ergreifen musste.“
Und nach einigen Startschwierigkeiten sollte sich die Entscheidung, Stockholm für Bergamo aufzugeben, auch auszahlen. „Ich ging dorthin, ohne auch nur ein Wort Italienisch zu kennen. Ich lebte allein, ohne meine Eltern, aber ich konnte nicht aufgeben, weil auch meine größten Idole im Leben nie aufgegeben haben.“
Auch weil er seinen Vater nie habe klagen hören, sei Aufgeben keine Option gewesen. Nach einer Weile sei auch die Sprachbarriere gefallen, nach sechs Monaten habe Kulusevski fließend Italienisch sprechen können. „Die Schule wurde einfacher und mein Fußball begann sich auch zu verbessern, ich begann Ergebnisse zu sehen und so fing Italien an, sich wie zu Hause anzufühlen.“
Während einer Leihe nach Parma hinterließ Kulusevski in der Serie A einen bleibenden Eindruck, sodass Juventus Turin sich im Januar 2020 die Dienste des umworbenen Schweden sicherte.
An das Debüt in der Champions League erinnert er sich dabei noch gut: „Es war gegen Dynamo Kiew unter Andrea Pirlo und ich weiß noch, wie glücklich ich war. Ich dachte mir ‚endlich‚ – das ist die große Bühne, hier werde ich drei Tore bei meinem Debüt machen und ein Held für mein Team werden.“
Das Spiel habe man zwar gewonnen, zufrieden sei er aber keineswegs gewesen. „Ich wollte viel mehr machen, aber das ist eine gute Sache, denn du solltest immer versuchen, dich zu verbessern. Mein erstes Tor in der Champions League schoss ich in der folgenden Saison gegen Zenit und ehrlich gesagt hatte ich mich nicht mal gut gefühlt, als ich eingewechselt wurde.“
Deshalb habe er den tollen Treffer auch gar nicht gefeiert. „Ich war einfach nur erleichtert“, erinnert er sich. Innerhalb des Teams hätten sie immer Witze darüber gemacht, wie schlecht er mit dem Kopf sei, „aber ich weiß, dass ich immer treffen kann, wenn ich die Chance bekomme.“
Nach zwei Jahren bei Juventus wechselte er gemeinsam mit seinem Bianconeri-Kollegen Rodrigo Bentancur nach Nord London zu Tottenham. „Ich liebe das Stadion der Spurs. Ich glaube, es ist die beste Arena in der Welt und die Liebe, die ich von den Fans entgegengebracht bekomme, gibt mir ein unglaubliches Gefühl.“ Er freue sich deshalb immer schon am Vortag auf die Heimspiele.
Auch mit Trainer Conte kommt er gut klar: „Antonio erinnert mich ehrlich gesagt an meinen Vater, weil du ihn arbeiten siehst und er sich nie beschwert.“ Der Italiener ist für seine hohen Ansprüche berüchtigt. In keinem Training akzeptiert er weniger als 100 Prozent. Weil auch er immer sein Bestes gibt.
„Die Sache, die mich bei ihm am meisten überrascht hat, ist der körperliche Teil. Wir gehen fast jeden Tag in den Kraftraum oder nach draußen, um Sprints zu machen“, beschreibt Kulusevski die Arbeit. „Danach sagt er dir, dass du dich auf eine weitere Session am Nachmittag vorbereiten sollst. Du denkst, du bist durch, doch dann rennst du nochmal für zwei Stunden.“
Es sei verrückt, aber manchmal sei es auch ein gutes Gefühl, wenn man leidet. Im Kraftraum würden sie nicht nicht einfach nur Gewichte stemmen, sondern gezieltes Krafttraining betreiben.
In etwas mehr als einem Jahr ist Kulusevski zu einem der Fanlieblinge aufgestiegen, will nun aber auch einen Titel gewinnen. „Ich glaube, ich bin auf dem richtigen Weg. Ich genieße mein Spiel und habe das Gefühl, dass ich mich jeden Tag verbessere, um ein wichtiger Spieler zu sein.“
Eine Meisterschaft fehlt ihm bisher in seiner noch recht kleinen Trophähensammlung. Mit Juve gewann er nur den italienischen Pokal und die Supercoppa. Das soll sich ändern, finde: „Ich will ein Gewinner sein. Ich will die großen Titel gewinnen, die Weltmeisterschaft und die Champions League. Ich will aber auch jemand sein, der die Mitmenschen respektiert, der jeden Tag mit Energie zum Training kommt und Gott dankbar ist, für das Leben, dass er mir gegeben hat.“