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·20. Juli 2023
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·20. Juli 2023
Aufgrund einer Verletzung am Syndesmoseband kann Linda Dallmann nicht an der WM 2023 in Australien und Neuseeland teilnehmen. Im Interview spricht die Mittelfeldspielerin über ihre schwere Verletzung, die Chancen der DFB-Frauen Down Under und was in der kommenden Saison mit dem FC Bayern möglich ist.
ran: Linda Dallmann, wie geht Ihnen nach Ihrer Verletzung?
Linda Dallmann: Ich stehe wieder auf dem Platz, bin aber noch in der Reha. Als Sportlerin ist es immer ein bisschen schwierig, die Geduld zu bewahren. Aber ich mache Fortschritte, und das ist für mich das Wichtigste.
ran: Die Verletzung ist am 28. Februar im DFB-Pokal-Viertelfinale in Hoffenheim passiert. Wussten Sie sofort, dass es eine schwere Verletzung ist?
Dallmann: Ehrlicherweise dachte ich, dass ich in zwei, drei Wochen zurück bin. Ich bin umgeknickt und habe gedacht, dass vielleicht ein Band durch ist. Dass es die Syndesmose war, hätte ich nicht erwartet. Ich habe dann mit drei Monaten Ausfallzeit gerechnet, dann wurden es fast fünf Monate. Deshalb bin ich froh, dass ich endlich wieder auf dem Platz stehe. Aber Verletzungen gehören ein Stück weit dazu. Vielleicht habe ich auch Glück gehabt, dass ich erst jetzt im Alter von 28 Jahren meine erste schwere Verletzung habe. Von daher ist es ein Teil des Prozesses und man merkt auch, dass man in der Reha etwas dazulernt, wenn man da mit den Reha-Trainern und Physiotherapeuten allein auf sich gestellt an sich arbeitet.
ran: Wie sehr schmerzt es, aktuell nicht beim DFB-Team in Australien dabei zu sein?
Dallmann: Es ist schon schwierig. Aber ich merke selbst, dass es mit der Verletzung auf keinen Fall gereicht hätte. So habe ich es jetzt akzeptiert und meine Ziele auch ein bisschen anders gesteckt, in Richtung des FC Bayern. Ich wünsche den Mädels alles Gute bei der WM. Natürlich wäre ich sehr, sehr gerne dabei gewesen, aber realistisch gesehen war es diesmal nicht drin.
ran: Sie haben gemeinsam mit Giulia Gwinn, die wegen ihres Kreuzbandrisses ebenfalls nicht zur WM fährt, das DFB-Team Anfang Juli besucht. Wie war die Stimmung im Trainingslager?
Dallmann: An dem Tag war Mannschaftsabend, der wurde genauso gestaltet wie im Jahr zuvor vor der Europameisterschaft. Diese Erinnerungen nochmal zurückzuholen, fand ich von der Idee sehr cool. Das war für die Mannschaft sicherlich wichtig. Es war sehr schön, dass wir auch dabei waren.
ran: In den letzten Testspielen gegen Sambia (2:3), Vietnam (2:1) und Brasilien (0:1) konnte das DFB-Team nicht überzeugen. Was fehlt aktuell noch?
Dallmann: Vor der EM letztes Jahr war es ähnlich, damals haben wir in der WM-Qualifikation in Serbien verloren. Danach war es ein großes Thema, wie weit die Mannschaft mit Blick auf das Turnier ist. Ich denke, man kann das jetzt noch gar nicht beurteilen. Bei der EM hat sich während des Turniers ein Spirit entwickelt, der uns durch das Turnier getragen hat. Ich hoffe, dass dieser Spirit, dieser Flow, bei der WM wieder da sein wird.
ran: Also denken Sie, dass ein ähnlich gutes Turnier wie letztes Jahr bei der EM möglich ist?
Dallmann: Ja, denn natürlich sind solche Testspiele auch immer lehrreich. Sambia und Vietnam haben Ausrufezeichen gesetzt, dass sie mithalten und gewinnen können. Ich war wirklich positiv überrascht von beiden Mannschaften. Gerade gegen die afrikanischen Mannschaften mit ihrer extrem starken Physis ist es bei einer Weltmeisterschaft immer eine Herausforderung. Und vielleicht ist es manchmal sogar besser, vor dem Turnier nochmal einen Dämpfer zu bekommen, statt die ganz große Euphorie zu haben. Vielleicht ist das die bessere Ausgangssituation. Wir werden sehen.
Dallmann: Ich finde, das ist bei dieser WM ganz schwer einzuschätzen. Es gibt einen sehr großen Favoritenkreis im Turnier, ob es die USA sind, ob es England, Frankreich oder Spanien ist. Es gibt viele Mannschaften, die am Ende Weltmeister werden können, da gehört Deutschland auch dazu. Ich glaube, es war vor einer WM noch nie so offen und spannend wie dieses Jahr. Einige Favoriten sind durch Verletzungen geschwächt, wie Frankreich oder England. Aber sie haben alle das Zeug, um Weltmeister zu werden. Es würde mich nach den Testspielergebnissen auch nicht überraschen, wenn eine afrikanische Mannschaft mal bis ins Halbfinale kommen würde.
ran: Wie schätzen Sie die deutsche Gruppengegner Marokko, Kolumbien und Südkorea ein?
Dallmann: Das sind Gegner, gegen die man selten testen kann und die eine andere Art Fußball spielen. Die Testspiele gegen Sambia und Vietnam kamen deshalb zu einem guten Zeitpunkt, das war gut geplant. Südkorea ist nochmal ein ganz anderer Gegner, mit Colin Bell und seinem Assistenten Matt Ross haben sie zwei aus der Bundesliga bekannte Trainer. Sie werden heiß sein, gegen Deutschland zu spielen. Es sind drei völlig unterschiedliche Mannschaften. Ich bin gespannt, wie es wird.
ran: Irland hat kürzlich ein Testspiel gegen den deutschen Gruppengegner Kolumbien abgebrochen, weil die Kolumbianerinnen angeblich zu brutal gespielt haben. Wird das die deutschen Spielerinnen beschäftigen?
Dallmann: Ich glaube, ich habe noch nie mitbekommen, dass beim Frauenfußball ein Spiel aus solchen Gründen abgebrochen wurde. Aber Deutschland hat auch viele physisch starke Spielerinnen. Sie werden in der Videoanalyse auf alles vorbereitet. Da mache ich mir keine Sorgen.
ran: Neben Giulia Gwinn und Ihnen wird nun mit Linksverteidigerin Carolin Simon eine dritte Spielerin des FC Bayern München die WM wegen einer Verletzung verpassen. Hatten Sie mit ihr nach dem im Testspiel gegen Sambia erlittenen Kreuzbandriss Kontakt?
Dallmann: Ja. Giuli und ich haben sie direkt nach der Verletzung besucht, noch vor der Operation. Das ist für Caro persönlich natürlich sehr, sehr bitter. Ich glaube, absolut jeder in Deutschland hätte ihr gegönnt, dass sie für ihre Leistungen beim FC Bayern belohnt wird und zur WM fährt. Sie hätte sich ihren Platz in Australien sehr verdient gehabt. Das ist natürlich auch für uns beim FC Bayern ein ziemlicher Schlag. Aber auch Caro wird diese Erfahrung am Ende ein Stück stärker machen, und wir alle werden sie so gut wir können auf ihrem Weg zurück unterstützen. Zu den entscheidenden Spielen in der zweiten Saisonhälfte haben wir sie dann hoffentlich zurück.
ran: Insgesamt werden mehr als 30 Spielerinnen die WM in Australien und Neuseeland aufgrund von Kreuzbandrissen verpassen. Wie beunruhigend ist diese Zahl für Sie?
Dallmann: Das ist natürlich eine Hausnummer. Und es sind nicht nur die Kreuzbandverletzungen, es sind ja auch noch einige andere Verletzungen dazugekommen. Das zeigt schon, dass die Belastungen enorm geworden sind, mit den Turnieren im Anschluss an die Bundesliga-Saison. Ich hoffe natürlich, dass unsere Mädels fit und gesund zurückkommen. Die Spielerinnen sind auch selbst in der Verantwortung, auf sich aufzupassen und anzusprechen, wenn die Belastung zu groß wird. Es liegt in den Händen der Spielerinnen, auch mal einen Schritt zurückzugehen. Das ist ganz wichtig.
ran: Zwischen dem WM-Finale und den ersten Spielen im DFB-Pokal liegen nicht mal drei Wochen. Ist die Pause für die Nationalspielerinnen zu kurz?
Dallmann: Es ist sehr schwierig, aber man kann beide Seiten verstehen: Die Vereine wie die Verbände. Als Spielerin will man immer allen gerecht werden und das ist nicht immer einfach. Es gab keine Alternative zu der dreiwöchigen Pause. Man muss versuchen, im Verlauf der Bundesliga-Saison die Belastung zu steuern.
Dallmann: Ich glaube, er hätte gerne im Saisonverlauf noch mehr Dinge mit uns ausprobiert, eingespielt und einstudiert. Für die Zeit, die wir bisher mit ihm hatten, hat er aber bereits eine Menge eingebracht und erreicht - wir sind ja nicht umsonst Meister geworden. Er steht für eine dominante Spielweise, die wir in der letzten Saison gezeigt haben, und er hat noch sehr viele Ideen. Unser Kader wurde jetzt noch einmal erweitert. Ich denke, da ist noch einiges möglich.
ran: Mit Pernille Harder und Magdalena Eriksson hat der FC Bayern zwei Top-Stars für die kommende Saison verpflichtet. Wie beurteilen Sie die Transfers?
Dallmann: Ich persönlich freue mich sehr über diese Neuzugänge. Solche Spielerinnen zu verpflichten, ist ein weiterer großer Schritt, sich in der internationalen Spitzenklasse zu etablieren und wichtig für die Ziele, die wir in der Champions League haben. Wir bekommen für vorne und hinten je eine Weltklassespielerin. Es ist ein Signal nach außen, wenn sich solche Ausnahmespielerinnen für den FC Bayern und unseren Weg entscheiden. Mit ihnen werden wir hoffentlich unsere Ziele erreichen und in der nächsten Saison nochmal einen Schritt weiter sein.
ran: Mit Katharina Naschenweng, Samantha Kerr und Jill Baijings kommen weitere gestandene Spielerinnen hinzu. Wird deutlich mehr rotiert werden?
Dallmann: Ich gehe davon aus, und das wird der Mannschaft sehr gut tun. Man hat letzte Saison gesehen, dass es am Ende knapper wurde mit den Verletzungen. Deshalb bin ich froh, dass wir jetzt noch mehr Breite haben. Wenn wir in allen Wettbewerben erfolgreich sein wollen, müssen wir diese Kaderbreite und die Qualität haben.
ran: Als amtierende Meisterinnen und mit den Verpflichtungen von Pernille Harder und Magdalena Eriksson wird der FC Bayern als Favorit in die neue Bundesliga-Saison starten. Nehmen Sie die Rolle an?
Dallmann: Sagen wir so: Es wird sich zwischen dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg entscheiden. Aber wir sind die Titelverteidigerinnen und so werden wir die Saison auch angehen. Es sind Nuancen, die am Ende entscheiden, wer die Meisterschaft gewinnt. Für uns ist auch ein großes Ziel, dass wir endlich mal den DFB-Pokal holen. Der fehlt uns, und das nervt. Deshalb würden wir gerne das Double gewinnen. Und in der Champions League wollen wir auch weit kommen und sehen, was möglich ist.
Dallmann: Mein Ziel ist es erstmal, wieder mit voller Kraft auf den Platz zu kommen. Erst wenn man längere Zeit nicht spielen konnte, weiß man es zu schätzen, gesund und verletzungsfrei zu sein. Das ist mein wichtigstes Ziel.