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·21. April 2021

„Ich erwarte ein Geduldspiel“

Artikelbild:„Ich erwarte ein Geduldspiel“

Nach zwei torlosen Remis  gegen Leipzig und Leverkusen, steht für die TSG Hoffenheim der nächste Gegner mit großem Namen an. Am Mittwochabend (20:30 Uhr / Sky) ist Borussia Mönchengladbach zu Gast in Sinsheim. Vor dem Duell gegen die Fohlen haben wir mit Stefan Hermanns vom Berliner Tagesspiegel gesprochen. Der Sportredakteur und Gladbach-Experte erklärte uns unter anderem die derzeitige Lage rund um Coach Marco Rose, seinen Nachfolger Adi Hütter und die Form der Borussia.

Als Trainer Marco Rose seinen kommenden Abgang im Sommer bekanntgab, herrschte viel Unruhe im Verein. Mittlerweile steht mit Adi Hütter sein Nachfolger fest. Wie ist die aktuelle Stimmung am Niederrhein?


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Stefan Hermanns: Im 14. Monat der Pandemie tu ich mich ein bisschen schwer, eine verlässliche Einschätzung über „die Stimmung“ abzugeben. Für ein seriöses Urteil fehlt mir einfach das volle Stadion als Resonanzboden. Außerdem muss ich ja der Ehrlichkeit halber darauf hinweisen, dass ihr geografisch näher am Niederrhein seid als ich. Aber auch aus der Ferne lässt sich mit Sicherheit feststellen: Die Lage hat sich deutlich entspannt. Das liegt natürlich an den zuletzt wieder erfreulicheren Ergebnissen der Mannschaft, an der jetzt endlich klaren Perspektive durch die Bekanntgabe des neuen Trainers – aber vermutlich auch daran, dass selbst die verbohrtesten Fundamentalisten des ewigen Marco-Rose-Bashings irgendwann müde werden.

Und wie bewertest du den Trainer-Wechsel?

Stefan: Ich weiß noch: Als Eintracht Frankfurt vor drei Jahren Hütters Verpflichtung bekannt gegeben, habe ich Fredi Bobic zu dieser Entscheidung zumindest innerlich beglückwünscht. Warum, das ist mir heute selbst ein bisschen schleierhaft. Denn zum ersten Mal war mir Hütter aufgefallen, als er mit Young Boys Bern in den Playoffs zur Champions League krachend an Gladbach gescheitert ist. Es kann also nur ein Gefühl gewesen sein, dass er trotzdem ein Guter ist. Und offenbar hat dieses Gefühl nicht getrogen. Es gab jetzt in Gladbach ja durchaus die Erwartung, dass Roses Nachfolger ein gewisses Standing hat, auch zur Vergewisserung der eigenen Stärke. Vor diesem Hintergrund ist Hütters Verpflichtung ein echter Coup. Denn sollten bei einigen Fans nach der Bekanntgabe von Roses Abgang Befürchtungen aufgekommen sein, dass jetzt doch alles zusammenkracht und Borussia mal wieder bei null anfangen muss, dann sind diese Zweifel erst einmal verflogen.

Eigentlich sollte Marco Rose in Gladbach langfristig etwas aufbauen, nun steht im Sommer jedoch der nächste Umbruch an. Wie zuversichtlich bist du, dass dieser unter Adi Hütter gelingt?

Stefan: Das sehe ich ein bisschen anders. Den Umbruch hat es vor zwei Jahren gegeben, als Rose Dieter Hecking abgelöst hat, der ja so etwas wie der letzte Sachwalter des Erbes von Lucien Favre und dessen Ballbesitzfußball war. Aber selbst dieser Umbruch war sanfter, als es viele erwartet und manche wohl auch befürchtet hatten. Rose-Fußball in seiner reinsten Form hat es meines Erachtens nicht gegeben. Dazu passt ja auch, dass Spieler, denen man vor zwei Jahren eine schwierige Zeit prophezeit hatte, immer noch eine wichtige Rolle spielen, vielleicht sogar noch wichtiger geworden sind. Ich denke da an Lars Stindl, Jonas Hofmann oder Christoph Kramer. Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, dass es zur neuen Saison einen radikalen Umbruch geben wird. Hütter steht nicht für einen komplett anderen Fußball als Rose. Beide sind – der eine mehr, der andere weniger – im Red-Bull-Kosmos sozialisiert worden. Aber beide sind weit davon entfernt, Fanatiker zu sein. Hütter hat doch in Frankfurt gezeigt, dass er nicht dogmatisch ist und sich den Gegebenheiten anzupassen versteht. Unter ihm erwarte ich eher eine Evolution als eine Revolution.

Artikelbild:„Ich erwarte ein Geduldspiel“

Die wichtige Konstante bei den Fohlen ist Sportdirektor Max Eberl. Wie siehst du sein Krisen-Management in dieser Saison?

Stefan: Am 21. Februar, kurz nach der Bekanntgabe von Roses Wechsel nach Dortmund, habe ich bei Twitter geschrieben: „Als Fan finde ich es übrigens gut, dass Max Eberl seine Entscheidungen nicht mit den Emotionen eines Fans trifft.“ Als Journalist erwarte ich das übrigens auch von einem Entscheidungsträger in einem erfolgreichen Fußballverein. Und trotzdem kann man ja noch einmal erwähnen, dass genau das eine der großen Stärken von Max Eberl ist: Er lässt sich bei seinen Entscheidungen eben nicht von Emotionen leiten. Selbst wenn es für ihn nicht immer angenehm ist. Das war es nicht in der fernen Vergangenheit, und das war es auch nicht in den Wochen, nachdem der Abgang von Marco Rose bekannt geworden ist. In der Bewertung der Spiele habe ich nicht immer mit Eberl übereingestimmt; ich fand nicht, dass alles gepasst hat, nur die Ergebnisse nicht. Aber so wie ich Eberl kennengelernt habe, weiß ich zumindest, dass er nicht einfach nur aus Prinzip an Rose festgehalten hat oder sogar aus Trotz – nur weil alle dessen Entlassung fordern. Das heißt nicht, dass er auf jeden Fall richtig gelegen hat und alle Kritiker falsch. Es hätte auch schief gehen können. Aber ich weiß bei Eberl zumindest: Er trifft seine Entscheidungen nicht leichtfertig, nicht aus dem Bauch heraus, sondern nach bestem Wissen und Gewissen, nach viel Nachdenken und aus Überzeugung.

Nach einer Negativ-Serie blieb die Borussia zuletzt vier Spiele in Folge ungeschlagen. Was sind die wichtigsten Faktoren für diesen Aufwärtstrend?

Stefan: Der Abschwung lag ja angeblich daran, dass der Trainer geht. Aber der Trainer ist immer noch da. Heißt das dann nicht im Umkehrschluss, dass die Ankündigung des Wechsels gar nicht ursächlich für die Negativserie gewesen sein kann? Gut möglich, auch wenn das viele in ihrem einfachen Weltbild erschüttern mag. Aber zum ganzen Bild gehört auch, dass manche Auftritte der Mannschaft schon vorher nicht besonders gut waren, dass einige Highlightspiele, in der Champions League gegen Real Madrid und Inter Mailand oder die Siege gegen Bayern und Dortmund, darüber hinweggetäuscht haben, dass Borussia insgesamt keine überragende Saison spielt. Aktuell profitiert die Mannschaft davon, dass sie keine Mehrfachbelastung mehr hat. Obwohl Gladbach mit die meisten Spiele aller Bundesligisten bestritten hat, hat keine Mannschaft weniger Spieler eingesetzt. Außerdem macht es sich positiv bemerkbar, dass einige Leistungsträger – Alassane Plea, Marcus Thuram und Florian Neuhaus – nach einer eher schwachen Phase zu ihrer normalen Form zurückgefunden haben.

Aktuell steht Gladbach mit 43 Punkten auf dem siebten Tabellenplatz. Wie groß stehen die Chancen, die Fohlenelf auch nächstes Jahr wieder in Europa zu sehen?

Stefan: Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das kommende Woche im DFB-Pokal-Halbfinale entscheidet. Danach steht womöglich schon fest, ob auch Platz sieben für Europa reicht. Platz sechs noch zu erreichen ist nicht ausgeschlossen, aber ein sehr ambitioniertes Unterfangen. Dafür darf sich Borussia eigentlich in den letzten fünf Spielen keinen oder höchstens noch einen Ausrutscher erlauben. Der Saisonverlauf insgesamt spricht dagegen, die Auftritte der vergangenen Wochen sprechen dafür. Zumindest wirkt die Mannschaft wieder hinreichend entschlossen, um diese kleine Chance zu kämpfen.

Artikelbild:„Ich erwarte ein Geduldspiel“

Im umkämpften Hinspiel drehte die TSG in der Schlussviertelstunde die Partie und gewann mit 2:1. In den Köpfen geblieben ist aber vor allem die rote Karte für Marcus Thuram, nachdem er Stefan Posch ins Gesicht spuckte. Was für ein Spiel erwartest du am Mittwoch?

Stefan: Ich habe die letzten beiden Spiele der TSG nicht gesehen, aber nach allem, was ich gelesen habe, war ihre Herangehensweise gegen Leverkusen und Leipzig eher auf eine stabile Defensive ausgerichtet. Deshalb erwarte ich nicht, dass die Hoffenheimer ausgerechnet gegen Gladbach auf Teufel komm raus nach vorne spielen werden. Um die Frage also kurz und knapp zu beantworten: Ich erwarte aus Sicht der Borussia ein Geduldspiel.

Und wie geht es aus?

Stefan: Ah, meine Lieblingsfrage! Als alter Zweckpessimismus-Tipper sage ich 1:1.

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