Borussia Mönchengladbach
·6. Juli 2022
Herzlichen Glückwunsch, Frank Schäffer!

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·6. Juli 2022
Es ist eine Schlagzeile in der Bild-Zeitung, die im Spätsommer 1974 im beschaulichen Leonberg eine regelrechte Lawine lostritt. Borussias Trainer Hennes Weisweiler wird im Boulevard-Blatt zitiert mit den Worten: „Den Schäffer will ich haben.“ Gemeint ist Frank Schäffer, Libero des baden-württembergischen Oberligisten SpVgg. 07 Ludwigsburg, der tags zuvor wohl einen bleibenden Eindruck im Probetraining am Niederrhein hinterlassen hat.
Im schwäbischen Heimatort des 22-Jährigen ist die Aufregung groß. „Was willst du denn dort? Da spielst du eh nicht, die haben jede Menge Nationalspieler.“ Und überhaupt: Geboren und aufgewachsen im Stuttgarter Speckgürtel sollte doch eigentlich der nahe VfB der logische nächste Schritt sein – oder zumindest Zweitligist Stuttgarter Kickers. „Selbst meine Eltern waren überrascht“, erzählt Frank Schäffer knapp 48 Jahre später im Gespräch mit dem FohlenEcho. „‚Gladbach, das ist doch schon fast Holland‘, haben sie gesagt. Aber ich war mir sicher: Ich will das probieren!“
Also unterschreibt der Schwabe einen Zweijahresvertrag und ist ab Mitte Oktober Bestandteil der FohlenElf. Die Saison 1974/75 läuft da schon einige Wochen, und die Konkurrenz in Borussias Defensive ist riesig. Berti Vogts, Uli Stielike, Hans-Jürgen Wittkamp, Hans Klinkhammer oder Ulrich Surau – der zweimalige Meister und Pokalsieger hat einen starken Kader, nicht nur in der Offensive.
Doch früher als erträumt, findet sich Schäffer in der Startelf wieder. Nach zehn Spieltagen ist Borussia nur Zehnter und hat bereits 17 Gegentore kassiert – Trainer Weisweiler muss etwas Neues versuchen. Und so kommt Frank Schäffer am 9. November 1974 zu seinem Bundesliga-Debüt – ausgerechnet beim Auswärtsspiel in Stuttgart. „Das war natürlich gewollt von Hennes Weisweiler“, ist sich Frank Schäffer sicher, für den der Einsatz in der Heimat ein zusätzlicher Motivationsschub sein soll.
Die kommenden 16 Spiele (!) bleibt Borussia ungeschlagen – neuer Bundesligarekord. Bis zum Saisonende verliert der VfL überhaupt nur noch eine einzige Partie und gewinnt überlegen die Meisterschaft. „Das macht Spaß, in einer solchen Truppe zu spielen“, freut sich Schäffer, der sich nach acht Monaten am Niederrhein bereits Deutscher Meister nennen darf.
Und es kommt noch besser: Spielt Schäffer im UEFA-Cup zunächst nur eine Nebenrolle, so ist sein persönlicher Moment im Finale gekommen. Das Hinspiel gegen Twente Enschede hatte die FohlenElf zuhause mit einem enttäuschenden 0:0 beendet. Im Rückspiel in den Niederlanden verletzt sich Ulrich Surau nach wenigen Minuten, Schäffer wird für ihn eingewechselt. Er macht gegen den niederländischen Nationalspieler Jan Jeuring eine fehlerfreie Partie. Durch das 5:1 in Enschede gewinnt Borussia den UEFA-Cup.
„1979 war besonders“
Die Erfolgsgeschichte setzt sich unter Neu-Trainer Udo Lattek ungebrochen fort. Borussia steht sowohl 1976 als auch 1977 in der Bundesliga ganz oben. Frank Schäffer wird in seinen ersten drei Profi-Jahren dreimal Deutscher Meister. „Das macht etwas mit einem“, weiß Schäffer rückblickend. „Man meint zwischendurch, dass es von allein so perfekt weiterläuft. Aber das ist ein Fehler. Wenn man sich eine Pause gönnt, nutzen das die Mitspieler aus, die deinen Platz wollen. Ich hatte zwar nie den Status eines Nationalspielers. Aber ich habe mich gewehrt“, lacht er, der in seiner Karriere vier Amateur-Länderspiele sowie eine Partie für die deutsche B-Nationalmannschaft bestreitet.
Nachdem Frank Schäffer in der folgenden Saison wegen einer langwierigen Verletzung nur sieben Bundesliga-Spiele bestreitet, scheint seine Zeit am Niederrhein im Sommer 1978 zu Ende. Schäffer, den die Teamkollegen inzwischen längst nur noch „Eddy“ nennen – Berti Vogts verpasst ihm in Anlehnung an den befreundeten israelischen Trainer Emanuel „Eddy“ Schaffer diesen Spitznamen – will mal etwas anderes sehen.
Der 1. FC Kaiserslautern mit Trainer Erich Ribbeck hat Interesse, es scheint alles klar. Doch dann übernimmt Karl-Heinz Feldkamp am Betzenberg, und der Transfer platzt. Also bleibt der Schwabe in Mönchengladbach und erlebt in der Saison 1978/79 ein Wechselbad der Gefühle.
Jupp Heynckes, Herbert Wimmer und Hans-Jürgen Wittkamp haben ihre Karrieren beendet, Rainer Bonhof ist nach Valencia gewechselt. Während sich Borussia nach diesem Umbruch in der Bundesliga bis zum Ende in akuter Abstiegsnot befindet, beweist sie, dass man es in einzelnen K.o.-Spielen immer noch mit den Großen in Europa aufnehmen kann. Ob gegen Sturm Graz (5:1/2:1), Benfica Lissabon (0:0/2:0 n.V.), Slask Wroclaw (1:1/4:2), Manchester City (1:1/3:1), den MSV Duisburg (2:2/4:1) oder Roter Stern Belgrad (1:1/1:0) – der VfL verliert keine Partie auf dem Weg zum Titel, und Schäffer ist der einzige Feldspieler im Kader, der jede einzelne Minute der zwölf Spiele auf dem Platz steht. „Dieser Titel war etwas ganz Besonderes“, so Schäffer. „Die Mannschaft befand sich im Umbruch, in der Liga standen wir miserabel da, aber wir haben es noch einmal geschafft. 1979 war die Bestätigung, dass wir es noch draufhaben.“
Als die Siebziger gehen und die Achtziger näher rücken, schreitet auch der Umbruch am Niederrhein weiter voran. Zur Saison 1979/80 löst der erst 34-jährige Co-Trainer Jupp Heynckes Udo Lattek als Chefcoach des VfL ab und muss ab sofort auch noch ohne Berti Vogts, Horst Köppel und Allan Simonsen auskommen. Schäffer soll als erfahrenes Fohlen eine wichtige Rolle in der neu formierten Mannschaft einnehmen. „Wir haben zwar immer noch interessanten Fußball mit hochtalentierten Spielern gespielt, aber wir waren nicht mehr konstant genug.“
Nach der Saison 1982/83, in der Borussia lange im Abstiegskampf steckt, muss der Verein sparen, der Kader soll verkleinert werden. Manche Spieler erhalten gar kein neues Vertragsangebot, andere nur zu deutlich reduzierten Konditionen. Nahezu zeitgleich ergibt sich für Schäffer eine Alternative aus der Heimat. In Ludwigsburg wird ihm ein fester Job bei einer Bausparkasse angeboten. Parallel kann er bei seinem alten Klub in der Oberliga kicken. Da Borussias Verteidiger eh überlegt hat, mit seiner Frau und dem 1982 geborenen Sohn Benjamin zurück nach Schwaben zu ziehen, fällt die Entscheidung leicht. Nach neun Jahren und fünf Titeln mit der FohlenElf endet damit das erfolgreiche Kapitel am Niederrhein.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem aktuellen „FohlenEcho – Das Magazin“. Ihr wollt auch regelmäßig das exklusive Mitgliedermagazin des VfL erhalten? Dann macht Euch Borussia!