Hertha-Fans stellen Hilfsnetzwerk für Kriegsflüchtlinge auf die Beine | OneFootball

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Matti Peters·22. März 2022

Hertha-Fans stellen Hilfsnetzwerk für Kriegsflüchtlinge auf die Beine

Artikelbild:Hertha-Fans stellen Hilfsnetzwerk für Kriegsflüchtlinge auf die Beine

Was für einen Vertreter aus der aktiven Hertha-Fanszene als eine Art Freundschaftsdienst begann, hat sich innerhalb von wenigen Tagen zu einem selbstorganisierten Hilfsnetzwerk für Kriegsflüchtlinge entwickelt. Hilfe, die angesichts der massiven Flüchtlingsströme aus der Ukraine von unschätzbarem Wert ist.

Der Berliner Unternehmer ist in der Personenbeförderung tätig und erhielt vor etwas mehr als zwei Wochen einen Hilferuf von einem seiner Kunden, mit der Bitte dessen ukrainische Familienangehörige aus Polen abzuholen. Im Gespräch mit OneFootball verriet der Herthaner: „Der Zeitslot war da, das Auto stand bereit. Ohne jetzt großartig zu überlegen, habe ich gesagt: ‚Ja. Ich mach das!“. Namentlich wollte er wie auch andere Beteiligte nicht genannt werden, da es vor allem um den Aktionismus und das Hilfsnetzwerk selbst ginge.


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Im Laufe der beinahe 26-stündigen Tour von Berlin nach Breslau und von dort nach Essen, die er sich mit einem Kollegen aufteilte, entstand bereits die Idee weitere Unterstützung zu organisieren. Die lange Fahrt und vor allem die ersten Eindrücke, die er am Abholort gewann, ordnete er uns gegenüber als „surreal“ ein. Eine fünfköpfige Familie. Vollkommen erschöpft und sie hatte lediglich zwei kleine Gepäckstücke dabei. Das war alles.

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Innerhalb der Hertha-Fanszene und dem persönlichen Umfeld fanden sich schnell zahlreiche weitere Helfer zusammen, die sich mit jedem weiteren Trip bis zur polnisch-ukrainischen Grenze immer besser organisierten. Außerdem gab es auch aktive Hilfe aus dem Familien- und Freundeskreis der Beteiligten, die nicht zur Fanszene gehören.

Die Autovermietungsgesellschaft ‚Allround‘ stellte Transporter, Hertha BSC wurde erfolgreich als Kostenträger eingebunden und es wurden Kommunikationsketten zu anderen Hilfsorganisationen und Vermittlern im Grenzgebiet aufgebaut.

Einer der ersten Helfer vor Ort aus der Hertha-Szene ist Fachlagerist. Auch er wollte lieber anonym bleiben, aber dennoch einen Einblick in seine Erlebnisse der letzten Wochen geben: „Da ich Polnisch kann, war es sehr gut, dass ich am Anfang unserer Mission viele Kontakte knüpfen konnte für die Anderen, die nach uns gekommen sind. Dadurch hatten wir eine Art Leitfaden, wie man sich vor Ort bewegt und vor allem wohin“, erklärt der 31-Jährige.

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Sein erster Gedanke als er von der geplanten Hilfsaktion über das Hertha-Netzwerk hörte: „Mir geht es hier blendend. Ich habe im Vergleich so kleine Probleme, dass ich da einfach hinfahren muss und den Leuten helfen muss. Wir wissen, dass wir nicht hunderte von Menschen retten, dafür haben wir nicht die Kapazitäten“. Den Menschen, den sie helfen konnten, war spätestens bei der Ankunft in Berlin große Dankbarkeit anzumerken.

Um der Sprachbarriere entgegenzuwirken und eine koordinierte Zusammenarbeit mit dem polnischen Militär, welches für die Erstversorgung und Aufnahme der Geflüchteten beauftragt wurde, zu ermöglichen, konnten auch nahezu rund um die Uhr erreichbare Übersetzer organisiert werden.

Mithilfe der Kleinbusse konnten einerseits Hilfsgüter wie Lebensmittel, Hygieneartikel und anderen Sachspenden wie Stromaggregate oder Wasserkocher zum Aufnahmezentrum in Przemyśl gebracht werden und im Gegenzug mittlerweile über 100 Menschen nach Deutschland geholten werden. All das ist nur möglich, weil vom Studenten bis zum Schichtarbeiter zahlreiche Helfer zusammengetrommelt werden konnten. Dafür nahmen einige sogar Teile ihres Jahresurlaubs.

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„Wir haben auch überlegt das ganze noch größer anzulegen. Ich denke aber, dass es mit dieser Größenordnung, dass wir in der Spitze mit vier Transportern fahren am Tag, für uns steuerbar ist. So können wir auch besser in der Folge unterstützen“, schildert der Berliner Fahrdienstbetreiber, mit dem wir anfänglich sprachen.

Mit der Gruppa Süd hat sich eine weitere aktive Fangruppierung der Hertha zu Beginn der russischen Invasion die Soforthilfe auf die Fahne geschrieben.

„Wir wollten gerne intern ein bisschen Geld sammeln und das hat sich relativ schnell verselbständigt und ist durch den ganzen Hertha-Kosmos durchgegangen bis zu dem Punkt, an dem wir sogar vor dem Bundesliga-Spiel gegen Eintracht Frankfurt einen Spendenaufruf starten konnten“, heißt es in einem Statement der Gruppa Süd.

Ihnen gelang es innerhalb von wenigen Wochen über 25.000 Euro Spenden zu generieren, womit riesige Mengen an Sachspenden zur Verfügung gestellt werden konnten. Sowohl im Grenzbereich, als auch bei den örtlichen Anlaufstellen wie dem Hauptbahnhof oder ZOB.

Auf der Webseite der Gruppa Süd wird ein detaillierter Einblick in Form eines Tagebuchs zu den Hilfsaktionen geboten. Doch damit soll es nicht getan sein. Wie die Fangruppierung betont: Die Kriegslage sei schließlich noch nicht vorbei und man müsse weiter unterstützen. Weitere Spenden sind erwünscht und können hier entrichtet werden.

Was die verschiedenen Fangruppierungen innerhalb kürzester Zeit für Hilfsbedürftige in der Grenzregion auf die Beine gestellt haben, ist beeindruckend und keineswegs selbstverständlich. Es geht weit über eine symbolische Geste hinaus, wie man sie auch in den Fußballstadien zuletzt beobachten konnte. Davor muss man den Hut ziehen, egal ob dieser ein Herthafahne trägt oder nicht.