Hamburger SV vs. FC St. Pauli 1:0 – Mutlos den Matchball vergeben | OneFootball

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·3. Mai 2024

Hamburger SV vs. FC St. Pauli 1:0 – Mutlos den Matchball vergeben

Artikelbild:Hamburger SV vs. FC St. Pauli 1:0 – Mutlos den Matchball vergeben

Der FC St. Pauli verliert das Derby gegen den Hamburger SV mit 0:1 und verpasst damit den Aufstieg im Volkspark. Die Struktur war da, aber es fehlte an Mut und Präzision.(Titelbild: Stefan Groenveld)

Tja, das war sie, die große Chance auf einen der, aus sportlicher Sicht, größten Momente der Vereinsgeschichte des FC St. Pauli. Damit dem FCSP der Aufstieg ausgerechnet gegen den HSV gelingt, hätte es aber eine bessere Leistung gebraucht. Stattdessen zeigte sich fast das gesamte Team des FC St. Pauli ungewohnt mutlos und fehlerbehaftet – und lud den HSV dadurch ein, die Stadtmeisterschaft zu gewinnen.


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Die Aufstellung

Für Eric Smith hat es bis zum Anpfiff nicht gereicht, der Abwehrchef stand nicht im Kader. Fabian Hürzeler erklärte nach der Partie, dass Smith „noch nicht bei 100 Prozent“ sei und daher nicht dabei war im Volkspark. Lars Ritzka hingegen stand zwar im Kader, allerdings nicht in der Startelf. Die veränderte sich damit auch im Vergleich zum Erfolg gegen Hansa Rostock überhaupt nicht.

Auch beim Hamburger SV veränderte sich nichts an der Startaufstellung. Kurzfristig musste der HSV auf Bakery Jatta verzichten. Ignace Van der Brempt kehrte wieder in den Kader zurück. Das Team von Trainer Steffen Baumgart agierte im gewohnten 4-3-3, der FCSP wie erwartet im 3-4-3.

Artikelbild:Hamburger SV vs. FC St. Pauli 1:0 – Mutlos den Matchball vergeben

Personelle Aufstellung beim Spiel Hamburger SV gegen FC St. Pauli HSV: Raab – Reis, Hadzikadunic, Schonlau, Muheim – Pherai, Meffert, Poreba – Königsdörffer, Glatzel, Dompé FCSP: Vasilj – Nemeth, Wahl, Mets – Saliakas, Irvine, Kemlein, Metcalfe – Afolayan, Eggestein, Hartel

Struktur passt, Umsetzung nicht

HSV ändert Positionierung im Aufbauspiel

In den letzten Spielen agierte der HSV oft mit einer Dreierkette im Spielaufbau. Dazu schob einer der beiden Außenverteidiger mit nach vorne. Gegen den FCSP aber entschied sich Baumgart dafür, die Viererkette auch im Aufbau bestehen zu lassen. Wenn überhaupt, dann schob Ludovit Reis in den Sechserraum und agierte dort zusammen mit den etwas tiefer stehenden Poreba und Pherai. Schob Reis nach vorne, dann ließ sich Meffert in die letzte Kette des HSV fallen, sodass sich dann nahezu immer eine Viererkette bildete.

Diese doch recht deutliche Umstellung im Aufbauspiel des HSV erklärte Steffen Baumgart im Anschluss an die Partie so: „Wir wollten in letzter Linie eine Überzahl schaffen. [Sankt.; A.d.Red] Pauli läuft mit drei Stürmern an und wir wollten verhindern, dass sie in der Lage sind, mit Gleichzahl anzulaufen.“ Zufrieden war Baumgart aber insgesamt nicht mit dem Aufbauspiel des HSV: „Es waren viel zu wenig Bälle in die Tiefe. Weil [Sankt.; A.d.Red] Pauli uns auch keine Zeit dazu gelassen hat.“

FCSP-Spiel von Ungenauigkeiten durchzogen

Beim FC St. Pauli waren die Abläufe im Spielaufbau ähnlich deutlich zu erkennen wie bei den Gastgebern. Entweder gesellte sich Jackson Irvine zu Hauke Wahl auf die Doppelsechs, sodass sich in der Struktur ein 2-4-4 ergab, weil sich Aljoscha Kemlein auf einer Höhe mit Johannes Eggestein positionierte. Situativ schob aber auch Irvine mit hoch. Dann agierte er entweder zusammen mit Kemlein in den offensiven Halbräumen oder Kemlein schob ganz raus auf die linke Seite und versuchte, diese zu überladen.

Von der Struktur her ist besonders die zweite Variante eigentlich recht vielversprechend gegen die defensive Formation des HSV. Nur gelang es dem FC St. Pauli oft nicht, präzise genug zu spielen. Mal waren die Pässe ungenau, mal fehlte es an Tempo oder es wurde sich auf einer Seite festgespielt. Die kleinen Details – mal ein Pass leicht in den Rücken, mal in den falschen Fuß – führten dazu, dass der FCSP aus seiner guten Struktur wenig machen konnte. So gelang es in den ersten 45 Minuten eher selten, den Ball erfolgreich ins letzte Drittel zu befördern. Und wenn er dort hinkam, dann trafen die FCSP-Spieler dort zumeist die falschen Entscheidungen.

Der Hamburger SV agierte in einem klaren 4-3-1-2 gegen den Ball. Dabei schob Königsdörffer ins rechte Mittelfeld auf eine Höhe mit Meffert und Poreba, Dompé erzeugte als Stürmer zusammen mit Glatzel Druck auf die Innenverteidiger des FCSP, Pherai nahm Wahl in Manndeckung. Der HSV stellte also den FC St. Pauli eher hoch zu, als die Gegenspieler (vor allem die FCSP-Innenverteidiger) hoch anzulaufen. Mit der Ruhe im Ballbesitz konnten Mets und Nemeth aber insgesamt zu wenig anfangen.

FCSP kann zu selten verlagern

Diese stark auf das Zentrum fokussierte Formation des Hamburger SV ist eine richtige Antwort auf das Aufbauspiel des FC St. Pauli. Und in der Umsetzung hat es der HSV auch gut gemacht. Hierdurch kann das vom FCSP gern genutzte Aufbaudreieck – über das Zentrum auf die Außenbahn – verhindert werden (schaut mal auf die Passgrafik des FCSP, wie verwaist das Zentrum da ist). Aber dieser Fokus auf das Zentrum hat einen logischen Schwachpunkt: Er bietet dem Gegner Raum auf den Außenbahnen. Nur durch starkes Verschieben konnte der HSV diese Räume schließen. Entsprechend hätte so eine Spielweise durch schnelle Verlagerungen geknackt werden können. Konjunktiv – immer scheiße.

Dabei versuchte der FC St. Pauli durchaus, den HSV auf eine Seite zu bewegen und dann alles für eine schnelle Verlagerung vorzubereiten. Ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn eine solche Verlagerung gelingt, lieferte die Situation, als Johannes Eggestein in der 40. Minute relativ frei nach einer Afolayan-Flanke zum Kopfball kam. Insgesamt waren erfolgreiche Verlagerungen aber (zu) selten im Spiel des FC St. Pauli zu sehen. Fabian Hürzeler erklärte im Anschluss an die Partie, warum diese Verlagerungen so selten waren: „Uns hat der Mut gefehlt und auch die Pass-Frequenz, um von der einen Seite auf die andere zu kommen. Das war in der ersten Halbzeit besser, in der zweiten wurde es dann leider weniger. Wir wissen, dass wir das besser können.“

Artikelbild:Hamburger SV vs. FC St. Pauli 1:0 – Mutlos den Matchball vergeben

Positionierungen beim Spielaufbau

Links: Bei Ballbesitz des FC St. Pauli zog sich der Hamburger SV im Zentrum dicht zusammen, um das initiale und gern genutzte Aufbauspiel des FCSP durch das Zentrum zu verhindern. Die sich dadurch bietenden Räume auf den Außenbahnen konnte der FCSP zu selten erreichen.

Rechts: Bei Ballbesitz des Hamburger SV ordnete sich das Team von Steffen Baumgart in einem 4-3-3 an und wich damit von seiner üblichen Formation im 3-2-5 ab, um so eine Überzahl in letzter Linie im Aufbau zu haben.

„Problem war nicht das Spiel ohne, sondern mit dem Ball“

Um es ganz deutlich zu machen: Diese Mutlosigkeit, das fehlende Tempo bei eigenem Ballbesitz, gepaart mit falschen Entscheidungen im letzten Drittel, haben dem FC St. Pauli die Stadtmeisterschaft gekostet. Denn gegen den Ball machte der FCSP seine Sache gut, erklärte Hürzeler nach Abpfiff („Unser Problem war nicht das Spiel ohne, sondern mit dem Ball“). An Einsatz fehlte es natürlich auch nicht, die Unterstellung, dass den FCSP-Spielern der Wille gefehlt habe, ist so falsch wie platt. Es war eine Frage der Durchführung.

Alles war da, um den HSV in diesem Spiel vor ganz große Probleme zu stellen, doch es fehlte an der punktgenauen Umsetzung. Das in dieser Saison oft praktizierte geduldige Zurechtlegen des Gegners – mit sicherem, punktgenauem Passspiel und im richtigen Moment mutigen Pässen nach vorne – war beim Derby kaum noch zu sehen. Aber die vielen Fehler bei eigenem Ballbesitz seien laut Hürzeler auch eine Einladung für den HSV gewesen: „Wir haben den Gegner durch Fehler im Spielaufbau eingeladen, haben das Stadion damit wach gemacht. (…) So kannst du kein Derby gewinnen.“

Nicht nur der FC St. Pauli, auch der HSV erspielte sich wenig gefährliche Situationen aus geordnetem Positionsspiel. Meist ging den HSV-Chancen ein Fehler des FCSP im Spielaufbau voraus. Zudem – das erklärten sowohl Fabian Hürzeler, als auch nahezu alle Spieler nach Abpfiff – habe man die direkten Duelle um freie Bälle im Mittelfeld zu selten gewinnen können. Der Hamburger SV war oft etwas besser positioniert, gewann viele dieser 50/50-Duelle. Und von diesen Duellen gab es relativ viele. Denn so bemüht beide Teams auch waren, sich in strukturierter Art und Weise vor das Tor des Gegners zu spielen, so selten gelang es beiden Teams. Die gesamte Partie wurde dadurch wahnsinnig wild und war teilweise wesentlich unkontrollierter, als es beide Teams wohl gerne gehabt hätten.

Jöllenbeck mehrfach im Fokus

So war es dann auch eine Unsicherheit im Aufbauspiel des FC St. Pauli, die zum ersten großen Aufreger der Partie führte. Robert Glatzel schob den Ball zur vermeintlichen Führung in der 24. Minute ein. Schiedsrichter Jöllenbeck, der leider viel zu oft im Fokus stand, erkannte diesen aber aufgrund eines Foulspiels von Glatzel nicht an. Selbst mit FCSP-Brille muss man hier wohl festhalten, dass diese Situation in vielen Fällen nicht als Foul gezählt worden wäre. Jöllenbeck hatte auch weitere Situation aus Sicht vieler ziemlich falsch eingeschätzt, in beide Richtungen. Dass er beim zweiten vermeintlichen Treffer des HSV (62. Minute) überhaupt den VAR benötigte, um das klare Foul an Vasilj zu erkennen, passte dazu.

Klassisches 0:0 – bis ein Standard kommt

Die Problemen des FC St. Pauli bei eigenem Spielaufbau wurden in der zweiten Halbzeit leider noch etwas größer. Was umso ärgerlicher war, weil man in den wenigen Momenten, in denen schnelle Verlagerungen gelangen, sofort erkannte, wie vorteilhaft die sein können. Immerhin wurden die größeren Probleme nun durch mehr gewonnene Duelle im zentralen Mittelfeld ausgeglichen. Entsprechend hielt sich die Partie die Waage. Weil es keinem Team gelang, ihr Spiel durchzudrücken. So kam dann, was kommen musste, wenn sich zwei Teams mehr oder weniger neutralisieren: Eine Standardsituation entschied dieses Spiel.

Doch dieses Mal war es nicht der FC St. Pauli, der durch eine Standardsituation das Spiel auf seine Seite ziehen konnte. Stattdessen traf der HSV in der 85. Minute. Weil sich Nikola Vasilj bei einer Ecke fürchterlich verschätzte. Es war in dieser Saison erst der zweite Gegentreffer für den FCSP nach einem Eckball – allerdings war dieser unfassbar schmerzhaft.

Artikelbild:Hamburger SV vs. FC St. Pauli 1:0 – Mutlos den Matchball vergeben

Irgendwie sinnbildlich für die vielen Ungenauigkeiten des FC St. Pauli im Spiel gegen den HSV: Aljoscha Kemlein trifft aus kurzer Distanz nur den Pfosten. // (c) Stefan Groenveld

Kein Aufbäumen, dafür sieht Saliakas Gelb-Rot

Schmerzhaft waren dann auch die Minuten nach diesem Treffer. Denn vor dem HSV-Tor passierte nichts mehr. Der FC St. Pauli versuchte es nun mit der Brechstange, spielte durchweg lange Bälle nach vorne, erzeugte damit aber noch weniger Gefahr, als zuvor im strukturierten Spielaufbau. Kurz vor Schluss führte ein HSV-Konter dann leider auch noch zum Platzverweis von Manos Saliakas. Den fälligen Elfmeter konnte Vasilj zwar halten, Saliakas wird am kommenden Sonntag aber definitiv schmerzlich vermisst werden.

So verliert der FC St. Pauli die Stadtmeisterschaft. Ein Spiel, bei dem der HSV sicher die etwas besseren Torgelegenheiten hatte und den Derbysieg daher sicher auch ein wenig mehr verdient hat, so ehrlich muss man leider sein. Ehrlich war auch Fabian Hürzeler nach Abpfiff: „Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken: Einzelne Spieler waren nicht am Leistungsmaximum. Ich weiß nicht warum, aber wenn nicht jeder Einzelne am Leistungsmaximum ist, dann schaffst du es auch nicht, beim HSV zu gewinnen.“ Die Gründe hierfür gelte es nun aufzuarbeiten, erklärte der FCSP-Cheftrainer mit einer gehörigen Portion Enttäuschung im Gepäck. Solche Niederlagen müssen aber auch richtig wehtun, sonst kann man die Siege nicht so feiern, wie es sich gehört. Und in dieser Saison soll ja noch eine große Feier folgen.

Auf den ersten Matchball folgt der zweite

Die erste Möglichkeit den Aufstieg einzutüten und damit die große Gelegenheit, gleichzeitig Stadtmeisterschaft und Aufstieg zu feiern, wurde aufgrund einer zwar einsatzfreudigen, aber insgesamt zu mutlosen Darbietung verpasst. Da Fortuna Düsseldorf parallel zum Derby seine Partie gegen den 1. FC Nürnberg gewann, verkürzt sich der Vorsprung auf nun vier Punkte. Genug, um dann spätestens am kommenden Sonntag am Millerntor gegen den VfL Osnabrück alles klar zu machen. Düsseldorf spielt am Tag zuvor allerdings in Kiel, sodass auch ein „Sofa-Aufstieg“ im Bereich des Möglichen liegt.

Wie der FC St. Pauli aufsteigt, ist nach der Niederlage gegen den HSV nun vollkommen egal. Wichtig ist nur noch, dass der Aufstieg gelingt. Klar ist, dass das Team wieder näher an sein Leistungsmaximum kommen muss. Auch in den Partien vor dem Derby gelang das nicht durchgehend. Aber der FCSP hat in dieser Saison schon mehrfach bewiesen, genau nach solchen Niederlagen wieder aufzustehen. Gelingt das erneut, dann gelingt auch der Aufstieg.Immer weiter vor!// Tim

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