Fußball & Menschenrechte: Amnesty-Generalsekretär im Interview | OneFootball

Fußball & Menschenrechte: Amnesty-Generalsekretär im Interview | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: 1. FC Köln

1. FC Köln

·6. Dezember 2023

Fußball & Menschenrechte: Amnesty-Generalsekretär im Interview

Artikelbild:Fußball & Menschenrechte: Amnesty-Generalsekretär im Interview

Der 1. FC Köln spielt Doppelpass. Wie bereits in den vergangenen Jahren, wird die Stiftung des 1. FC Köln erneut mit einer Organisation besonders eng zusammenarbeiten. In der Saison 2023/24 ist das Amnesty International. Amnesty-Generalsekretär ­Markus N. Beeko spricht im Interview über diesen „Doppelpass“, seinen Bezug zum FC und die Rolle des Fußballs in puncto ­Menschenrechte.

Herr Beeko, können Sie gleichzeitig ­Fußballfan sein, wenn Sie sonst rund um die Uhr weltweit für die Menschenrechte kämpfen?


OneFootball Videos


Markus N. Beeko: Das sucht man sich ja nicht aus. Ich bin 1967 im Kölner Weyertal ja quasi als FC-Fan geboren. Wenn Sie bei uns zuhause herumfragen, dann würde es sicher heißen, dass es größere Experten in der Familie gibt, aber dennoch bin ich FC-Fan von Herzen. Meine Mutter ist Hamburgerin, mein Vater kommt aus Ghana – da hängt mein Herz daneben auch an zwei Nationalteams. Und großartig war für mich immer, wenn Dinge zusammen kamen, wenn beim FC Spieler wie Tony Baffoe oder Kingsley Schindler aufs Feld aufliefen.

Für Ghana und für Deutschland. Wenn sie gegeneinander spielen, drücke ich Ghana die Daumen, als Menschenrechtler hält man eher zum „Außenseiter“. Aber auf ­jeden Fall ist es anstrengend mit Ghana mitzufiebern, da geht es emotional hoch und her, da hilft die Leidensfähigkeit als FC-Fan – wie heißt es bei den Bläck Fööss – „FC-Fans kriesche nit“.

Was für´ne Frage – dat Hätz vun dr Welt, dat es doch Kölle! Naja, meine Eltern ­haben sich hier kennengelernt, meine Mutter hat hier Medizin studiert, mein ­Vater ist Maschinenbau-Ingenieur – und so wurde Köln mein Kindheitsort.

Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass ich in Köln aufgewachsen und jetzt bei Amnesty International gelandet bin. Wenn man in Köln groß wird, dann wächst man in eine Gesellschaft hinein, in der es um Menschen geht; eine Gesellschaft, die verinnerlicht hat, dass „jeder Jeck ­anders ist“ – aber jeder Respekt verdient. Da entwickelt man eine Sensibilität, wenn es anders läuft und wird aktiv. Es ist für mich keine Überraschung, dass Amnesty International seine erste Gruppe in Deutschland in Köln gründete. Das war 1961.

Ist es nicht ein Phänomen in Köln, dass die Stadt für die von Ihnen genannten Attribute steht, aber aus einem anderen Blickwinkel auch sehr konservativ erscheint, sehr katholisch geprägt ist, oft nicht so weit über die Stadtgrenzen hinausblickt und an den Traditionen hängt? Nehmen Sie auch diesen Spagat wahr?

Ich lebe jetzt seit über 20 Jahren nicht mehr in Köln, aber ich habe es auch schon immer so wahrgenommen, dass hier sehr viel nebeneinander passiert. So wie Sie es beschreiben. Tradition und Weltoffenheit. Die große Qualität von Köln für mich ist, dass man darüber spricht. Und dass man in Köln den Anspruch hat für die unterschiedlichsten Themen einen gemein­samen Nenner zu finden, hinter dem sich dann alle versammeln können. Da spielt der FC eine Rolle, das gilt für den Karneval und für viele andere Dinge, die das Zusammenleben ausmachen. Das ist für mich eine Besonderheit in Köln und ich glaube, genau deswegen sieht auch ­Amnesty die Chance, mit dem 1. FC Köln und seinen Anhängern etwas bewegen zu können.

Menschenrechte werden von einigen Menschen als ein eher theoretisches oder politisches Thema wahrgenommen, weit weg von ihrem Leben. Dabei sind sie etwas ganz Praktisches, das den Alltag von uns allen berührt: Menschenrechte erlauben uns, Mensch zu sein. Sich frei zu bewegen. Nicht Willkür oder Gewalt ausgesetzt zu sein. Selbstbestimmt entscheiden zu können, woran man glaubt und was man denkt. Seine Meinung frei zu äußern. Offen zeigen zu können, wen man liebt. Oder auch alles für sich zu ­behalten. Doch Menschenrechte sind keine Selbstverständlichkeit. Wir leben in einer Zeit, in der sie vielerorts angegriffen werden, auch bei uns in Europa. Um sie zu verteidigen, muss man die Menschenrechte und ihren Wert für uns kennen. Dazu möchten wir mit unserer Partnerschaft unter dem Motto „Zesamme für Menschen“ beitragen. Praktisch und spielerisch. Denn sich für Menschenrechte einzusetzen, kann Spaß machen!

Das klingt sehr enthusiastisch. Haben Sie nie das Gefühl, dass ein solches Engagement vielleicht den großen Lauf der Welt doch nicht entscheidend beeinflussen kann?

Diese Zweifel höre ich immer mal wieder. Dem entgegne ich, dass doch sowohl der FC als auch Amnesty International zwei Beispiele sind, wie aus kleinen leidenschaftlichen Gruppen, die gemeinsame Interessen verfolgen, große Bewegungen entstanden sind, die mehr bewirken, als es ein Einzelner erreichen könnte. Erst vor wenigen Monaten wurde durch den ­öffentlichen Druck vieler Menschen in ­Bologna, auch von Amnesty International, ein ­jahrelang willkürlich in Ägypten inhaftierter Student der Uni von Bologna aus ägyptischer Haft entlassen. Die ganze Stadt war unermüdlich auf den Beinen, hat Plakate geklebt und demonstriert – mit Erfolg! ­Eines von unzähligen Erlebnissen, die motivieren.

Wie ich es beschrieben habe: Gewöhnliche Menschen sind gemeinsam aktiv geworden und haben damit Außergewöhnliches ­erreicht. 1961 hatte der britische Anwalt Peter Benenson einen Zeitungsartikel veröffentlicht, in dem er auf das Schicksal politischer Gefangener aufmerksam machte. Und er rief dazu auf, mit Appellbriefen Druck auf Regierungen zu machen, die Menschen freizulassen. Das hat ­Menschen weltweit, auch in Köln, inspiriert. Es gibt ein wunderbares Video über eine frühe Amnesty-Mahnwache in Köln. Da fragt der Reporter auf dem Neumarkt eine Amnesty-Aktive, die dort an politische Gefangene in Lateinamerika erinnert, was sie „kleines Würstchen“ denn glaube, ­ausrichten zu können. Die Antwort war: ‚Wir sind hier, in Solidarität mit Menschen, die ungerechtfertigterweise verhaftet und gefoltert werden. Deshalb stehe ich hier.“ Und alle diese „kleinen Würstchen“ wurden mehr und mehr und nach und nach eine weltweite Bewegung, die ­Menschen befreit hat, erfolgreich die ­Todesstrafe zurückgedrängt hat, ­Häftlinge vor Folter bewahrt hat und ­bedrohten Menschen helfen konnte.

Amnesty hat mit vielen, vielen Menschen als Teil einer internationen Menschenrechtsbewegung dazu beigetragen, die Menschenrechte auf der Welt zu ­verankern. Amnesty zählt zehn Millionen Unterstützende in 150 Ländern. Das ist eine enorme Kraft, die einen Unterschied ausmachen kann, ob Menschen gefoltert oder hingerichtet werden. Diese Kraft hat dazu beigetragen, dass es eine Anti-Folter-Konvention gibt oder den Internationen Strafgerichtshof. Wir leben heute in einer anderen Welt als damals. Millionen ­Menschen genießen Rechte, die ihren ­Eltern verwehrt waren. Doch es gibt auch Kräfte, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Da gilt es gegen­zuhalten – auch gemeinsam mit dem FC im kommenden Jahr.

Impressum des Publishers ansehen