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Philipp Overhoff·10. Mai 2025
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Philipp Overhoff·10. Mai 2025
Dass Borussia Mönchengladbach gegen den FC Bayern im vergangenen Jahrzehnt so gut performt hat wie kaum ein anderes Bundesliga-Team, liegt vor allem an einer Sache: Yann Sommer hat gegen den Klassenprimus stets wie von einem anderen Stern gehalten.
Man erinnere sich nur an den absurden 19-Paraden-Wahnsinn im August 2022, als er die Münchner schier im Alleingang zur Verzweiflung trieb. Kein Robert Lewandowski, kein Thomas Müller und kein Jamal Musiala kam an jenem warmen Sommerabend an ihm vorbei.
Und wer die Karriere des Schweizers schon etwas länger verfolgt, der weiß: Sommer kann solche Spiele. Genauer gesagt ist der Schlussmann ein absoluter Big Game Player.
Das unterstrich er erst am vergangenen Dienstag ein weiteres Mal, als er den FC Barcelona und allen voran Lamine Yamal in einem der besten Champions-League-Halbfinals aller Zeiten zur Weißglut brachte. „An die Parade gegen Yamal werde ich mich mein Leben lang erinnern", erklärte Sommer nach Abpfiff im 'Sky'-Interview.
Dass der Inter-Keeper seine Farben ausgerechnet in das „Finale dahoam" in München führte, gleicht dabei einer Ironie des Schicksals - denn ausgerechnet in der bayrischen Landeshauptstadt erlebte Sommer das vermutlich schwerste halbe Jahr seiner ansonsten so blitzsauberen Karriere.
Der Nati-Torwart, der dem FCB in den Vorjahren in aller Regelmäßigkeit das Fürchten gelehrt hatte, wurde im Januar 2023 aus Gladbach losgeeist und sollte an der Säbener Straße Manuel Neuer vertreten, der sich beim Skifahren eine Fraktur des rechten Unterschenkels zuzog und damit langfristig ausfiel.
Doch nur sechs Monate später trennten sich die gemeinsamen Wege wieder. Sommer und Bayern - das passte einfach nicht. Der Neuzugang wurde oft stellvertretend für die turbulente Rückrunde der Saison 2022/2023 verantwortlich gemacht.
Er sei mit 1,83m einfach zu klein, strahle nicht die notwendige Sicherheit eines Bayern-Torhüters aus und agiere darüber hinaus mit dem Ball am Fuß einfach zu fehlerhaft - lautete zumindest die einhellige Meinung vieler „Experten". Die Betonung liegt hierbei auf „Ex", wie Gerhard Delling sagen würde.
Außerdem erholte sich Platzhirsch Neuer schneller erwartet und war, auch wenn ganz offensichtlich im Spätherbst seiner Karriere befindlich, noch nicht bereit dazu, seine Stammposition dauerhaft abzugeben.
Der kurz darauf folgende Abgang zu Inter war also nur logisch – für Sommer. Er wollte spielen, weiterhin konstant auf Top-Niveau agieren, sich für die EM im nächsten Jahr empfehlen. Verständlich. Aber für den FC Bayern? Da darf man trotz einer Ablösesumme von sieben Millionen Euro schon mal kritisch nachfragen.
Denn so ganz ohne Risiko war das nicht. Klar, Neuer ist und bleibt eine Ikone: Weltmeister, Libero-Torwart, der legitime Nachfolger und zugleich die modernere Version von „Titan" Oliver Kahn.
Aber eben auch: Damals 37, mittlerweile sogar 39 Jahre alt und gerade erst von einem komplizierten Beinbruch zurückgekommen. Sommer hingegen ist fast drei Jahre jünger – im Fußball-Leben eine halbe Ewigkeit.
📸 CHRISTOF STACHE
Und wer sich die Athletik und Beweglichkeit des Routiniers ansieht, merkt schnell: Der hat noch ein paar Jahre auf allerhöchstem Niveau im Tank.
Dazu kommt: Sommer ist ein Torwart, der sich gerade in K.o.-Spielen enorm steigern kann. Auch und vor allem international hat er das mehrfach gezeigt: Seine Auftritte für die Schweiz – etwa bei der EM 2021 gegen Frankreich, als er Kylian Mbappé im Elfmeterschießen ausguckte – sind legendär.
Oder eben zuletzt bei Inter in der Champions League: souverän, ruhig, ein echter Rückhalt. Genau das, was dem FCB in den entscheidenden Spielen manchmal fehlte.
Denn sind wir doch mal ehrlich: Auch vor seinem aktuellen Muskelfaserriss, der ihn seit satten zwei Monaten außer Gefecht setzt, war Neuer weit davon entfernt, zu den besten Schlussmännern in Europa zu gehören.
Exakt das benötigt der Bayern jedoch, um seine ehrgeigen Ziele erreichen zu können. In der Bundesliga vielleicht nicht notwendigerweise. In der Champions League aber definitiv.
Und schaut man auf den aktuellen Kader des Rekordmeisters, so stellt man fest: Eben jener Schlussmann fehlt. Das ist ein alternder und ständig verletzter Neuer nicht - ein scheinbar in den Jungbrunnen gefallener Sommer aber ohne jeden Zweifel.
Rückblickend wirkt der Sommer-Abgang daher wie ein Schnellschuss. Man setzte alles auf die Karte „Neuer-Comeback“, wollte keinen Konkurrenzkampf im Tor erzwingen und vergaß dabei vielleicht, dass Stabilität gerade zwischen den Pfosten kein Luxusgut, sondern eine Grundvoraussetzung für nachhaltigen Erfolg ist.
Heute stehen die Bayern vor einer offenen Torwart-Zukunft: Neuer ist nur noch bis 2026 unter Vertrag, Ulreich fungiert bestenfalls als solider Backup und Daniel Peretz will den Verein qua mangelnder Perspektive verlassen.
Hätte man also nicht besser auf die Sicherheit eines Yann Sommer setzen sollen? Ein Edel-Keeper, der genau weiß, wie der Laden in München läuft und in engen Partien regelmäßig zur Lebensversicherung werden kann?
Natürlich, im Nachhinein ist man immer schlauer. Doch so ganz aus der Luft gegriffen ist die Frage nicht, ob der deutsche Meister da nicht zu schnell losgelassen hat.
Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Spiele Sommer mit seinen Paraden schon entschieden hat – oft gegen, aber auch für die Bayern. Für aktuellere Beispiele: Bitte einfach in Barcelona anrufen!
📸 Carl Recine - 2025 Getty Images