FC St. Pauli vs. SV Elversberg 3:4 – Identitätsverlust | OneFootball

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·14. April 2024

FC St. Pauli vs. SV Elversberg 3:4 – Identitätsverlust

Artikelbild:FC St. Pauli vs. SV Elversberg 3:4 – Identitätsverlust

Das tat weh: Der FC St. Pauli verliert hochverdient gegen die SV Elversberg und ließ dabei vieles von dem vermissen, was das Team in dieser Saison bisher auszeichnete. Die schmerzhafte Analyse.(Titelbild: Stefan Groenveld)

Uiuiuiuiuiui… das war ein Tiefschlag, den der FC St. Pauli von den Elversbergern erhalten hat. Natürlich haben die Gäste ihre Stärken auch gut ausspielen können, allerdings hat der FCSP auch vieles von dem missen lassen, was ihn unter der Leitung von Fabian Hürzeler bisher so stark gemacht hat. Es war nicht nur aufgrund der Tabellensituation eine äußerst schmerzhafte Niederlage. Der in der Mixed Zone spürbar geladene Eric Smith brachte es nach Abpfiff auf den Punkt:


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„Das war nicht gut genug. Das war sehr enttäuschend. Das war beschis…, Entschuldigung…, Wir waren nicht bereit, zu keinem Zeitpunkt. Wir hatten es nicht verdient, in Führung zu liegen. Wir haben es trotzdem hinbekommen, haben erneut getroffen, nachdem sie ausgeglichen haben, aber… puuuh… Es ist ist nicht die richtige Zeit für mich, um ein Interview zu geben… Wir waren einfach vom Kopf nicht bereit. Wir haben nicht verstanden, dass wir voll da sein müssen, wenn wir etwas Besonderes erreichen wollen diese Saison. Wenn wir auf den Platz gehen und so eine Leistung bringen, dann wird das nicht reichen.“ Eric Smith nach der Niederlage gegen die SV Elversberg

Die Aufstellung

Aufgrund der Gelb-Rot-Sperre von Hauke Wahl war der FC St. Pauli zu einem personellen Wechsel gezwungen. Eric Smith, zurück von einer Gelbsperre, ersetzte Wahl in der Innenverteidigung. Zwei weitere Wechsel gab es: Connor Metcalfe kehrte in die Startelf zurück, ebenfalls nach abgesessener Gelbsperre. Dadurch zog es Marcel Hartel wieder ins Mittelfeldzentrum, wo Aljoscha Kemlein weichen musste. Zudem starte Philipp Treu nach überstandenen muskulären Problemen auf der linken Schienenposition anstelle Lars Ritzka.

Treu verletzt ausgewechselt

Die letzte personelle Veränderung hatte aber leider nur wenige Minuten Bestand. Treu lief nach einem Schussversuch in der dritten Minute merklich unrund. Eine Minute und einen abgebrochenen Sprint später setzte er sich hin und musste am rechten Wadenbein behandelt werden. Kurz danach war klar, dass es für Treu nicht weitergeht. Ritzka kam für ihn in die Partie, während er dick bandagiert und humpelnd in die Kabine gebracht wurde. Nach dem Spiel erklärte Fabian Hürzeler, dass es nicht wirklich gut aussehe.

Aufseiten der Elversberger gab es eine personelle Veränderung im Vergleich zum 0:0 gegen Magdeburg: Luca Dürholtz ersetzte den verletzten Paul Stock im zentralen Mittelfeld. Für Dürholtz war es der zweite Startelfeinsatz der Saison. Die Elversberger spielten mit dem Ball im gewohnten 4-2-3-1. Gegen den Ball formierte sich eine Mittelfeldraute.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. SV Elversberg 3:4 – Identitätsverlust

Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen SV Elversberg

FCSP: Vasilj – Dźwigała, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Treu/Ritzka – Metcalfe, Eggestein, Saad

SVE: Kristof – Vandermersch, Sickinger, Le Joncour, Neubauer – Dürholtz, Fellhauer, Rochelt – Wanner – Feil, Schnellbacher

In allen Belangen mangelhaft

Es war alles andere als ungewohnt, was den FC St. Pauli am Sonntag erwartete. Ein Gegner, der versucht, gegen den Ball das Zentrum zu schließen und der nach Ballgewinn schnell umschalten möchte. So weit, so gewöhnlich, wenn der FCSP mit auf dem Platz steht. Doch dieser taktische Ansatz eines FCSP-Gegners funktionierte so gut wie wohl noch nie in dieser Saison. Dabei waren auf dem Platz auch alle Elemente zu sehen, die Optionen für den FCSP eröffnet hätten.

Die SV Elversberg ordnete sich gegen den Ball in einer Mittelfeldraute an. Jannik Rochelt, in dieser Saison zumeist auf der linken Offensivseite zugange, zog sich auf die linke Halbposition zurück. Dürholtz agierte auf der rechten Halbposition, Fellhauer als alleiniger Sechser. Horst Steffen erklärte nach der Partie: „Jannik Rochelt kann aus der Halbposition die Tiefe suchen und hat die läuferischen Voraussetzungen, das immer wieder zu schaffen“ und dass man mit dieser Formation die eigene offensive Spielidee mehr betonen konnte.

FCSP verheddert sich

Der FC St. Pauli hat in dieser Saison schon oft Lösungen gegen diese Spielweise präsentiert. Denn ein krasser gegnerischer Fokus auf das Zentrum aufgrund der Mittelfeldraute bietet Raum auf den Außenbahnen. Erreichen kann man diesen Raum theoretisch, indem man den Ball auf eine Seite spielt, den Gegner dadurch mit auf diese Seite lockt, und dann versucht, den Ball schnellstmöglich auf die Gegenseite zu bringen. Diese Verlagerungen gelangen dem FC St. Pauli gegen Elversberg aber zu selten. Das Team verhedderte sich viel zu oft auf einer Seite.

Zwar hatte der FC St. Pauli selbst viel Ballbesitz (im ersten Abschnitt lag der Anteil bei rund 70 Prozent), aber so richtig Kontrolle konnte man in der ersten Halbzeit eigentlich nicht über das Spiel erlangen. Fabian Hürzeler zeigte sich nach Abpfiff unzufrieden mit den Entscheidungen seiner Spieler. Zu oft waren sie zu hektisch: „Wir haben es nicht geschafft, die Kontrolle über das Spiel zu gewinnen, haben es nicht geschafft, einfach und geduldig zu spielen.“

Artikelbild:FC St. Pauli vs. SV Elversberg 3:4 – Identitätsverlust

(IMAGO / Fussball-News Saarland / via OneFootball)

FCSP hat keine Kontrolle

Somit gingen relativ viele Bälle verloren, der FC St. Pauli konnte die numerische Überzahl auf den Außenbahnen nicht für sich nutzen, obwohl diese theoretisch vorhanden war. Denn die SV Elversberg ging mit dieser Formation deutlich ins Risiko, nahm es in Kauf, um die eigene offensive Spielidee durchziehen zu können. Ein sehr mutiger Ansatz. Horst Steffen erklärte aber auch, dass man zwischendurch schon überlegt habe, ob man mehr die Breite abdecken könne, indem man auf eine Fünferkette umstellt. Er beließ es aber bei der Mittelfeldraute, weil „ich das Gefühl hatte, dass sich die Jungs damit wohlfühlen.“ Entsprechend habe man das Risiko in Kauf genommen, „weil wir die Idee, wie wir nach vorne spielen wollen, mehr betonen wollten.“

So waren es nicht die Elversberger, die Probleme auf den Außenbahnen bekamen. Sondern der FC St. Pauli. Die Bälle gingen zu leicht verloren, weil man oft zu schnell auf einer Seite mit dem Kopf durch die Wand wollte, anstatt lieber kontrolliert über die Innenverteidigung auf die andere Seite zu verlagern. Und wenn der Ball weg war, dann war das Gegenpressing zahnlos und die Rückverteidigung mangelhaft, teilweise sogar desolat.

Vasilj vs. Elversberg

Immer und immer wieder erspielten sich die Elversberger in den ersten 30 Minuten herausragende Torgelegenheiten. Die Gäste spielten ihre Umschaltmomente oft sehr gut aus und es wurde deutlich, warum dieses Team nicht nur die meisten Sprints in der gesamten Liga anzieht, sondern dies auch explizit als ihre große Stärke gilt. Ihre schnellen offensiven Umschaltmomente schlugen jedenfalls wie Peitschenhiebe auf die FCSP-Defensive ein. Jede nicht genaue Positionierung, jede falsche Entscheidung, wurde bestraft und brachte die FCSP-Defensive gehörig ins Wanken, teilweise sogar ins Fallen.

Nikola Vasilj wuchs in dieser Phase über sich hinaus. Sechs Torschüsse hielt er im ersten Abschnitt, teilweise in überragender Manier. Sechs Schüsse auf das FCSP-Tor – so viele gab es in der Saison bisher nur ein einziges Mal: Bei der Niederlage auf Schalke, allerdings in 90 Minuten. Nun brauchten die Elversberger dafür weniger als 45 Minuten.

Artikelbild:FC St. Pauli vs. SV Elversberg 3:4 – Identitätsverlust

Leider mussten die Spieler des FC St. Pauli jenen der SV Elversberg viel öfter hinterherlaufen, als man es in dieser Saison gewohnt ist. Die 3:4-Niederlage ist durchaus verdient gewesen. // (c) Stefan Groenveld

Überraschende FCSP-Führung

Und was macht man als Spitzenteam, wenn es spielerisch mal so gar nicht richtig laufen mag? Richtig, per Standard mit 1:0 in Führung gehen. Johannes Eggestein traf in der 40. Minute. Erneut war es eine einstudierte Eckballvariante, bei der Karol Mets den Raum perfekt für Eggestein freiblockte. Ein Dosenöffner?Keineswegs. Die eigene Unsicherheit wuchs sogar noch an. Kurz vor der Halbzeit war vom sonst so starken Aufbauspiel des FC St. Pauli nichts, wirklich gar nichts mehr zu sehen. Nikola Vasilj drosch die Abstöße einfach hoch und weit nach vorne. Das Team schien sich in die Pause retten zu wollen.

Es ging also mit einer glücklichen 1:0-Führung in die Halbzeitpause. Nach 45 Minuten, in denen viel von dem zu sehen war, was man unter der Leitung von Fabian Hürzeler nur ganz, ganz selten zu sehen bekam. Es war nicht weniger als ein zeitweiser, kollektiver Ausfall der Rückverteidigung, der wohl größten Stärke des FCSP in dieser Saison. Die Zweikampfführung war einfach nicht ausreichend, um Elversberg vom eigenen Tor fernzuhalten.

Die mutige offensive Spielidee der Elversberger, sie ging also sehr gut auf. Überraschend gut aus Sicht von Horst Steffen, der im Anschluss fast ungläubig und voller Stolz auf der Pressekonferenz erklärte: „Wir konnten uns Chancen erspielen, von denen wir vorher nicht gedacht hatten, dass uns das gelingen kann.“ Dabei passten die Zeitpunkte der Tore und die torgefährlichen Phasen eigentlich nicht so richtig zusammen. Elversberg hatte im ersten Abschnitt ein großes Chancenplus, erzielte seine Treffer aber in Phasen, in denen der FC St. Pauli eigentlich am Drücker war. Im zweiten Abschnitt kamen jedenfalls vier weitere Torschüsse auf den Kasten von Vasilj dazu. Sie landeten allesamt im Netz.

FC St. Pauli besser, aber Elversberg trifft viermal

Nach Wiederanpfiff wurde deutlich, dass der FC St. Pauli seine Formation gegen den Ball etwas umgestellt hatte. Im ersten Abschnitt hatten Saliakas und Ritzka bei Elversberger Ballbesitz deutlich mit vorgeschoben, die Formation des FCSP war dadurch auch gegen den Ball ein 3-4-3. Die gefährlichen Diagonalbälle und verlorenen Laufduelle im ersten Abschnitt dürften aber zu einer Abkehr von dieser Idee geführt haben. Mit Anpfiff der zweiten 45 Minuten zeigte sich wieder eine viel klarere Fünferkette aufseiten des FCSP.

Das führte dazu, dass die Elversberger nun zwar den FC St. Pauli seltener auf den offensiven Außenbahnen in ungemütliche Laufduelle zwingen konnten. Allerdings gab es nun etwas mehr Raum für die eigenen Außenverteidiger. Ein Elversberger Außenverteidiger war es dann auch, der kurz nach der Pause zum Ausgleich traf. Das 1:1 war aufgrund der Fülle an SVE-Chancen in der ersten Halbzeit verdient. Und es war enorm schlecht verteidigt. Zwar sind die letzten vier Kontakte der Elversberger vor diesem Treffer überragend (weil es vier verschiedene Elversberger Spieler waren), aber davor schauten sich Smith, Dźwigała und Irvine zusammen eine Bogenlampe 25 Meter vor dem eigenen Tor gemeinsam an und gingen nicht hin. Rochelt hingegen tat es. Wenig später war der Ball im FCSP-Tor.

Beste Phase endet mit erneuter Führung

Nach diesem Ausgleich kam es noch nicht zum Einbruch der Mannschaft des FC St. Pauli, der kam später. Stattdessen folgte erstmal ihre beste Phase des Spiels. Ich kann gar nicht sagen, woran genau das lag. Aber plötzlich war die Ballsicherheit, das Grgenpressing und die Kreativität im letzten Drittel wieder da. Allein Elias Saad kam innerhalb von fünf Minuten gleich dreimal in aussichtsreicher Situation zum Torabschluss, doch jedes Mal verfehlte der Ball den Kasten. Genau das dürfte die Phase gewesen sein, in der SVE-Trainer Steffen überlegte, ob man nicht lieber doch auf eine Fünferkette umstellen sollte. Gerade als diese sehr druckvolle Phase des FCSP langsam abebbte, fiel der Treffer dann doch. Einen Abschluss von Irvine konnten die Elversberger noch klären, aber Metcalfe setzte nach und konnte in den Rückraum ablegen, von wo Hartel den Ball völlig humorlos zur 2:1-Führung ins Elversberger Tor jagte. Musst eigentlich zurückliegen, führst jetzt trotzdem, so spielt man als Spitzenteam! – BÄM!

Artikelbild:FC St. Pauli vs. SV Elversberg 3:4 – Identitätsverlust

Marcel Hartel ärgert sich über eine vertane Chance, Jubel hingegen bei der SV Elversberg // (c) Stefan Groenveld

Nur 87 Sekunden geführt

Es ist müßig zu überlegen, welchen Weg diese Partie wohl genommen hätte, wenn diese Führung auch nur wenige Sekunden länger Bestand gehabt hätte. Jedenfalls jubelte 1:27 Minuten nach dem Führungstreffer niemand mehr beim FC St. Pauli. Der eingewechselte Boyamba bekam einen dieser stets gefährlichen langen Diagonalbälle der Elversberger auf die linke Offensivseite und versenkte ihn zum 2:2. Da war es auch egal, dass Saliakas nun konsequent Teil der Fünferkette war, so leicht, wie er trotzdem ausgespielt wurde.

FCSP angeknockt

Sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen war spürbar, dass dies mehr als „nur“ ein Gegentreffer war. Der FC St. Pauli wirkte fortan verunsichert, das Spiel wurde wieder enorm zerfahren, man verlor die erst mit Anpfiff der zweiten Halbzeit gewonnene Spielkontrolle mehr und mehr. Die Partie war jetzt völlig offen. Und in der 81. Minute holte Elversberg zum Knockout aus: Erneut war das Tor absolut vermeidbar, Dźwigała ließ sich in einem Laufduell übel abkochen.

Nur zwei Minuten nach dem 2:3 erzielten die Elversberger auch bereits die Entscheidung. Nach einem FCSP-Standard setzte Elversberg erneut zu einem starken Konter an. Die Restfeldverteidigung des FC St. Pauli verdiente den Namen aber auch nicht ansatzweise, ließ sich zum wiederholten Mal übertölpeln und während die SVE-Spieler allesamt die Situation im Vollsprint durchzogen, taten es einige FCSP-Spieler eben nicht. Auch dieses Tor war also absolut vermeidbar. Es dürfte Fabian Hürzeler, bei dem das Wort Restfeldverteidigung flüssig durch die Adern fließt, in besonders negativer Erinnerung bleiben.

Hoffentlich ein Weckruf

Der Rest des Spiels waren lange Bälle in Richtung SVE-Strafraum und zumeist postwendende Klärungsaktionen. Zwar traf Jackson Irvine noch zum 3:4 in der Nachspielzeit, aber für mehr reichte es nicht. Und der FC St. Pauli hätte sich einen Punktgewinn auch nicht verdient gehabt. Dieses Spiel in dieser Phase der Saison, diese verdiente Niederlage, bei der es an elementaren Dingen beim FCSP fehlte… es war ein richtiger Tiefschlag.

Klar, es gibt so Scheißtage, bei denen einfach mal kollektiv alles schiefläuft. Auch wenn sie wehtun, so sind sie doch nicht komplett vermeidbar. Nach der Niederlage auf Schalke war dies am 29. Spieltag erst die zweite Partie, bei der sich der FC St. Pauli nicht für einen Punktgewinn empfohlen hat. Diese Niederlage tut weh – auch angesichts der Ergebnisse auf anderen Plätzen – und sollte nicht passieren. Ist sie aber nun mal. Niemand ist unfehlbar, auch der magische FCSP in dieser Saison nicht. Möge diese Niederlage ein Weckruf für die restliche Saison sein.Immer weiter vor!// Tim

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